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Wirtschaft nach der Arabellion

Andreas Becker31. Oktober 2012

Die Revolutionen in der arabischen Welt haben seit 2011 vier Staatsoberhäupter gestürzt. Wirklichen Wandel hat das noch nicht gebracht. Was aber bedeutet der arabische Frühling für die Wirtschaft?

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Skyline von Kairo (AP Photo/Enric Marti)
Skyline von KairoBild: AP

Die Revolutionen in Nordafrika und im Mittleren Osten sind vor allem politische, weniger wirtschaftliche Einschnitte. Schließlich waren Länder wie Ägypten keine sozialistischen Planwirtschaften. "Die ägyptischen Banken haben im internationalen Vergleich ganz gut gewirtschaftet", sagt Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Aber sie haben Kredit nur an die Mitglieder von etwa 30 Familien verteilt, die gute Kontakte zum Regime hatten."

Eine Folge: 99 Prozent der Unternehmen in Ägypten sind Kleinstfirmen, deren Besitzer gar keine Alternative zur Selbständigkeit hatten, sagt Markus Loewe vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik. Für sie war der politische Umbruch mit harten Einschnitten verbunden.

Geringes Wachstum

"Bisher sehen wir vor allem negative Effekte der Revolutionen. In allen Ländern ist das Wirtschaftswachstum eingebrochen", so Loewe. Einige Branchen, die vor allem für den heimischen Markt produziert haben, sind kollabiert. "Das liegt daran, dass die Konsumbereitschaft in diesen Ländern stark zurückgegangen ist. Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung hat da eine starke Rolle gespielt."

Die Unsicherheit schreckt auch ausländische Investoren ab. Hinzu komme eine geringe Wettbewerbsfähigkeit, sagt Loewe. "Viele Löhne liegen in der Nähe der Armutsgrenze. Doch weil viele Arbeitnehmer eine unzureichende Bildung und Ausbildung haben, liegt die Arbeitsproduktivität in diesen Ländern deutlich niedriger ist als in den meisten Ländern Ostasiens."

Die neue Regierung in Ägypten kämpft zudem mit einem wachsenden Haushaltsdefizit und einem Verfall der eigenen Währung. Zu den Ursachen gehören die schwache Wirtschaftslage und gestiegene Kosten für Kredite, außerdem hohe staatliche Subventionen für Energie und Nahrungsmittel. "Subventionen machen ein Fünftel aller Ausgaben der Regierung aus", sagt Hanan Morsy von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. "Dringend benötigte private Investitionen, etwa in die Infrastruktur, werden dadurch verdrängt."

Probleme mit Energie und Wasser

Ägyptens Regierung will das Subventionswesen reformieren. Das war auch eine Voraussetzung für einen Kredit in Höhe von fast fünf Milliarden US-Dollar, den Ägypten beim Internationalen Währungsfonds beantragt hat. Der war im November bereits genehmigt worden, dann aber wegen einer Reihe von Steuererhöhungen vom IWF wieder gestoppt worden.

Die in der Region nötigen Investitionen in die Infrastruktur sind jedoch auch eine Chance. Vor allem für Unternehmen aus der Energie- und Umwelttechnik seien Länder wie Ägypten interessant, sagt Bruno Wenn, Sprecher der Geschäftsführung des Entwicklungsfinanzierers DEG. "Ägypten hat eine große Energielücke. Das allein schon hält Investoren ab. Außerdem wird das Land innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre ein großes Problem mit Wasser haben, weil das Wasser immer stärker verschmutzt wird."

Das Land brauche deshalb Investitionen in Kraftwerke, Abwasseranlagen und sparsame Bewässerungssysteme, so Wenn. "Wir als Deutsche haben die nötige Technologie und die Erfahrungen. Die sollten wir in Ägypten einbringen."

Wenn sagt auch, dass in vielen arabischen Länder eine höhere Rechtssicherheit herrsche und es leichter sei, ein Geschäft zu eröffnen, als in den bei Investoren beliebten BRIC-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien und China.

Einfluss von Politik und Militär

Auch der Fondsmanager Fabrice Callet betont die Chancen der Region für Investoren. Callet arbeitet für Abraaj Capital mit Sitz in Dubai, einer auf Entwicklungsländer spezialisierten Beteiligungsgesellschaft.

Bei seinen Investitionsentscheidungen in arabischen Ländern versucht der Fondsmanager, eine wichtige Regel zu befolgen: "Wir wollen keine Geschäfte machen, wenn es politischen Einfluss gibt." Wenn eine Firma von politischen Entwicklungen abhängig ist, könne ein Investor ihre weitere Entwicklung nur schwer einschätzen. "Außerdem besteht das Risiko von Korruption und politischer Einflussnahme, und das wollen wir nicht."

In Ägypten hatte die Armee schon vor der Revolution einen großen Einfluss auf die Wirtschaft des Landes. "Nach der Wahl des neuen ägyptischen Präsidenten Mursi sehen wir, dass es eine Art Waffenstillstand gibt zwischen Armee und politischer Führung", sagt Volker Perthes von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Der Präsident hat die Spitze der Armee aus ihren Ämtern entfernt. Gleichzeitig hat er den Personen, die er in den Ruhestand geschickt hat, noch relativ lukrative Ruhestandsjobs vermittelt." Das Zeichen an die Armee sei deutlich, so Perthes: "Wir wollen, dass ihr loyal seid. Und wir werden nicht an eure wirtschaftlichen Privilegien herangehen."