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Obama und Ground zero

6. Mai 2011

In dieser Woche gibt es in den USA nur ein Thema: den Tod Osama bin Ladens. Am Donnerstag besuchte US-Präsident Obama zum ersten Mal in seiner Amtszeit Ground Zero. Wie reagieren persönlich Betroffene?

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Glen Klein vor seinem Haus (Foto: Christina Bergmann/dw)
Glen Klein, Mitglied einer Spezialeinheit der Polizei, verlor 14 Kollegen beim Einsturz des World Trade CentersBild: DW/Bergmann

Glen Klein hat bei dem Einsturz der beiden Türme des World Trade Centers 14 Kollegen verloren. Seine Augen werden feucht, wenn er daran denkt: "Mit den Jungs habe ich jeden Tag zusammen gearbeitet. Das waren meine Freunde."

Dass Osama bin Laden gefasst und getötet wurde, erfüllt ihn mit Genugtuung. Erst sei er skeptisch gewesen, ob die Nachricht wirklich stimmt, sagt der 52-Jährige. Aber als am Montag (02.05.2011) die Meldung kam, dass ein DNA-Test die Identität des Toten bestätigt habe, "da hat mich die Nachricht dann mit voller Wucht getroffen. Ich habe angefangen zu weinen und ich war ganz begeistert."

Glen erzählt in seinem Haus in Centereach auf Long Island, er habe an seine ermordeten Freunde gedacht. Vergeltung sei nicht das richtige Wort, meint er und ringt nach Worten: "Es ist ein bisschen Gerechtigkeit, obwohl es niemanden von ihnen wieder lebendig macht."

Aber zu wissen, dass die Person, die für den Tod seiner Freunde verantwortlich ist und die Fäden gezogen hat, nicht mehr am Leben ist, "das fühlte sich gut an", meint er und ergänzt: "Ich glaube, meine Freunde haben alle lächelnd von oben herabgeschaut."

Ground Zero Besuch als Wahlkampfhilfe

Glen hat sich 2003 pensionieren lassen. Die gesundheitlichen und psychischen Folgen des Rettungseinsatzes an Ground Zero machen ihm noch immer schwer zu schaffen. Sie bestimmen sein Leben. Zum Ort der Katastrophe wollte er an diesem Tag aber nicht gehen, trotz Präsident Obamas Besuch. Er habe oft genug für die Sicherheit bei Präsidentenbesuchen gesorgt, sagt Glen, und auch Ground Zero besuche er viel. Das müsse er sich deswegen bei dem Trubel nicht antun.

Glen Kleins Polizeihelm (Foto: Christina Bergmann/dw)
Den Helm trug Glen Klein monatelang bei den Aufräumarbeiten an Ground ZeroBild: DW/Bergmann

Im Wohnzimmer schaltet Glen den Fernseher ein. Auf dem riesigen Flachbildschirm über dem Kamin diskutieren die Moderatoren des konservativen Senders Fox News, ob die Tötung Bin Ladens gerechtfertigt war. Der Präsident hat an Ground Zero gerade einen Kranz niedergelegt. "Das war sehr nobel von ihm", findet der Ex-Polizist, und ergänzt: "Und es war eine gute Idee für seinen Wahlkampf. Das wird ihm sicher helfen."

Glen sagt das nicht zynisch. Der Präsident ist, das merkt man dem Karate-Kämpfer und Langstreckenläufer an, in seiner Achtung gestiegen, seit bekannt wurde, dass er den Befehl zum Jagen und Töten bin Ladens gegeben hat.

Im Namen des toten Sohnes gutes tun

Auch Steve Alderman findet es "sehr nett", dass Obama Ground Zero besucht hat. Der 69-Jährige sitzt mit seiner Frau Liz auf einem grünen Sofa im ersten Stock ihres großen Hauses in Bedford, eine gute Autostunde nördlich von Manhattan. Aber eigentlich will Steve Alderman nicht über Präsident Obama reden. Das ganze Theater, das es hier um den Präsidenten-Besuch gegeben hat – die Absage von Präsident George W. Bush, die Debatte, mit wem Obama spricht, interessiere ihn nicht. Das sei rückwärtsgewandt und so würden sie nicht denken.

Liz und Steve Alderman sitzen auf einer Couch (Foto: Christina Bergmann/dw)
Liz und Steve Alderman haben im Nordturms des World Trade Centers ihren Sohn Peter verlorenBild: DW/Bergmann

Die Aldermans wollen lieber über die Stiftung reden, die sie im Namen ihres Sohnes Peter gegründet haben. Peter war 25 als er in den Trümmern des Nordturms starb. Er arbeitete nicht dort, sondern war zu einer Konferenz eingeladen gewesen.

Die Stiftung der Aldermans kümmert sich weltweit um durch Terror und Krieg traumatisierte Menschen. Ihr jüngster Sohn, sagen sie, soll in der Welt gutes tun. Dennoch sei er froh gewesen über die Nachricht von Bin Ladens Tod, sagt Steve Alderman, aus einem bestimmten Grund: "Ich war froh, denn es war eine Demonstration amerikanischer Stärke, die vor allem den Amerikanern gut tut." Die Amerikaner hätten in letzter Zeit viele Selbstzweifel gehabt. "Aber wenn wir das tun können", so ist seine Analyse, "dann können wir vielleicht auch die Infrastruktur reparieren und unseren Kindern eine gute Ausbildung bieten."

Das Leben geht unverändert weiter

Seine Frau Liz muss lächeln. Bei ihr habe der Tod des Top-Terroristen keine Reaktion hervorgerufen: "Ich war nicht glücklich, ich war nicht freudig erregt. Es hat den Schmerz nicht weniger werden lassen, obwohl die Leute sagten, das müsse das Ende eines Kapitels sein." Für sie sei der Tag vor Bin Ladens Tod nicht anders gewesen als der Tag nach Bin Ladens Tod.

Und noch etwas anderes gibt die 69-Jährige zu bedenken. Die euphorischen Reaktionen ihrer Landsleute auf den Tod eines Menschen könne sie nicht gutheißen, selbst, wenn es sich um Osama bin Laden handelt, denn: "Ich kann mich noch erinnern, wie ich mich noch gefühlt habe, als die Menschen in arabischen Ländern auf den Straßen tanzten, als die Türme zusammen gestürzt waren." Wenn in Zukunft alle miteinander auskommen sollen, dann wäre es jetzt gut gewesen, wenn Amerika ein anderes Gesicht gezeigt hätte.

Autorin: Christina Bergmann, Centereach/Bedford, New York
Redakteur: Rob Mudge