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Gemüse aus der Wüste

Franziska Badenschier20. August 2013

Datteln und Wasser - mehr bräuchten Beduinen nicht, um zu überleben. Selbst wenn dieses Gerücht stimmen sollte: In Wüsten wachsen nicht nur Dattel-Palmen, sondern auch Erdbeeren oder Tomaten sind kein Problem mehr.

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Foto: Ein Ziegenbock steht in der Wüste Negev (Foto: CC BY-ND 2.0: Michael Panse)
Wüste Negev in IsraelBild: Michael Panse / CC BY-ND 2.0

Irgendwann in den 1930er Jahren in der Negev-Wüste: Der israelische Wasser-Ingenieur Simcha Blass wundert sich, warum auf seinem Grundstück ein Baum schneller wächst als die anderen Bäume daneben. Simcha Blass entdeckte, dass ein Wasserrohr neben dem Baum ein Leck hatte: Tropfen für Tropfen fiel das Wasser auf die Erde. Sollte das dafür gesorgt haben, dass dieser eine Baum so herausragend wuchs? Simcha Blass begann zu experimentieren. Am Ende hatte er eine neue Bewässerungsmethode entwickelt, die um die Welt gehen sollte: die Tröpfchenbewässerung.

Die grundlegende Idee war: Fortan sollte Wasser nur noch Tropfen für Tropfen in den Boden gelangen und zwar auch nur noch dort, wo das Wasser wirklich benötigt wird – statt mit der Gießkanne ab und zu viel Wasser auf einmal auf den Boden zu schütten, statt mit einer Sprinkleranlage Wasser durch die Gegend zu schleudern, statt immer wieder unnötig Wasser zwischen zwei Bäumen zu verschwenden.

Ein löchriger Schlauch als Lösung

Ende der 1950er Jahre hatte Simcha Blass ein richtiges System für die Tröpfchenbewässerung entwickelt. 1959 wurde der erste Plastikschlauch mit vielen kleinen Löchern vorgestellt. Daraufhin überließ es Simcha Blass einem Kibbuz, diese "Tropf-Leinen" herzustellen und zu verteilen. 1965 dann wurde das Unternehmen Netafim gegründet. Und heute gibt es Tröpfchenbewässerungsanlagen in gut 100 Ländern auf der ganzen Welt.

"Es war nur eine zufällige Entdeckung, aber das Prinzip wird heute überall auf der Welt genutzt, egal ob in Afrika, Lateinamerika, Australien oder in Italien und Griechenland." Das sagt Gideon Oron von der Ben-Gurion-Universität von Negev. Oron beschäftigt sich seit Jahren damit, wie Obst, Gemüse, Getreide bewässert werden muss, damit es in einer Wüste gedeihen kann. "Mit einer Tröpfchenbewässerungsanlage braucht man nur etwa halb so viel Wasser wie mit einer Sprinkleranlage", sagt Oron. Er kennt auch ein Problem aus den frühen Tagen der Tröpfchenbewässerung: Am Ende der Leitung sei weniger Wasser aus dem Schlauch getropft als am Anfang. Spezielle Membrane sorgen nun dafür, dass der Wasserdruck im gesamten Schlauch gleich bleibt und somit überall gleich viel Wasser austritt. "Die Leitungen können jetzt bis zu 500 Meter lang sein", sagt Oron.

Foto: Aus einem Schlauch tropft Wasser (Foto: CC BY 2.0: Joby Elliott) ++ Joby Elliott / CC BY 2.0 ++
Tröpfchenbewässerung: Zufallsentdeckung revolutioniert Feld-BewässerungBild: Joby Elliott / CC BY 2.0

Mit Meerwasser Gemüsegärten gießen

Indes: Das Wasser muss irgendwoher kommen. Eine Oase kann Wasser für die Wüsten-Landwirtschaft liefern. "Aber hier muss man aufpassen", sagt der Agrarwissenschaftler Michael Hermann von "Crops for the Future". Diese Nichtregierungsorganisation setzt sich dafür ein, dass vernachlässigte Nutzpflanzen wie der Hanza-Strauch aus Westafrika oder Brotfruchtbaum wieder öfter genutzt werden. "Unter der Sahara waren riesige Mengen von fossilem Wasser, aber davon wurde und wird so viel hochgeholt, dass das Vorkommen irgendwann aufgebraucht sein wird."

Um Wasser für die Wüsten-Gärten zu bekommen, gibt es noch andere Möglichkeiten. In manchen Ländern sammelt man Abwasser von Städten; das wird dann gereinigt und als Recycle-Wasser aufs Feld gebracht. In Äthiopien zum Beispiel haben Einheimische im kargen Hochland Terrassen angelegt und Gräben ausgehoben, um Regenwasser besser in den Boden sickern zu lassen und so den Grundwasser-Spiegel zu erhöhen. Und in Australien lässt ein Deutscher mit dem Unternehmen "Sundrop Farms" die Sonne Meerwasser entsalzen, um dann Gurken, Tomaten und Paprikas anzubauen.

Foto: Arbeiter laden frisch geerntete Tomaten auf die Ladefläche eines Kleinlaster (Foto: CC BY 2.0: James Emery) ++ James Emery / CC BY 2.0 ++
Ernte im Westjordanland: Tomaten gedeihen in der Wüste sehr gut.Bild: James Emery / CC BY 2.0

Wüsten eignen sich gut zum Obstanbau

Dabei könnte man auch mit Salzwasser Beete bewässern, sagt Gideon Oron von der Ben-Gurion-Universität des Negev. Dazu müsste man die Leitungen für die Tröpfchenbewässerung in die Erde legen, "sub surface drip irrigation" heißt diese Methode – Tröpfchenbewässerung unter der Oberfläche. In einem Experiment zum Beispiel hat Oron mit Kollegen untersucht, wann Birnen-Bäume in der Negev-Wüste die beste Ernte liefern: mit Wasser aus dem Hahn oder mit Meerwasser; mit herkömmlicher Tröpfchenbewässerung oder mit unterirdischer Tröpfchenbewässerung aus 30 Zentimeter Bodentiefe oder gar aus 60 Zentimetern Tiefe? Als beste Kombination erwies sich Frischwasser in 30 Zentimeter Bodentiefe: Hier konnten im Drei-Jahres-Durchschnitt rund 70 Kilogramm pro Quadratmeter und Jahr geerntet werden. Am zweitbesten war die Kombination Salzwasser in 30 Zentimeter Bodentiefe – mit einer durchschnittlichen Ernte von 63 Kilogramm pro Quadratmeter und Jahr. Dieser Ertrag unterschied sich nicht wesentlich von dem bisherigen Birnen-Anbau mit herkömmlicher Tröpfchenbewässerung und Wasser aus dem Hahn. Sprich: Wenn man die Tröpfchenbewässerung unter die Erde legt, kann man auf das wertvolle Süßwasser verzichten und das im Überfluss vorhandene Meerwasser nutzen – ohne Ernte einzubüßen. Natürlich müsse man darauf achten, dass man den Boden nicht versalzt und so die Pflanzen zerstöre, sagt Oron. Er hat festgestellt: Wenn das Salzwasser nicht von oben gegossen wird, sondern direkt Tropfen für Tropfen tief im Boden ausgeteilt wird, dann bilde sich die Salzkruste tiefer und weiter von den Wurzeln entfernt – und könne so die angebauten Pflanzen verschonen.

"Wüsten bieten sich hervorragend an für den Anbau von Obst, Gemüse und Getreide", sagt Michael Hermann von "Crops for the Future". Das klinge paradox, sei es aber nicht, sagt der Agrarwissenschaftler: "Klar, ohne Wasser geht es nicht. Und wenn es in der Wüste dauerhaft heißer als 35 Grad Celsius ist, dann geraten die angebauten, nicht heimischen Pflanzen in einen schädlichen Hitzestress. Sie sind ja nicht sonderlich angepasst an die Hitze und Trockenheit wie Dattelpalmen, Mango- und Zitrusbäume. Aber ansonsten gilt: Viel Sonne sorgt für viel Fotosynthese; und die Trockenheit verhindert, dass sich Pilze und so mancher Schädling ausbreiten." Deswegen sei es sinnvoll, in Wüsten auch Paprika oder Tomaten anzubauen.

Foto: Eine Dattelpalme, die viele Früchte trägt (Foto: CC BY 2.0: Jan Smith) ++ Jan Smith / CC BY 2.0 ++
Dattel-Palme in Abu Dhabi: Nahrhafte Früchte in heißen, trockenen GegendenBild: Jan Smith / CC BY 2.0

"Gerade Tomaten sind so produktiv und gedeihen gut", sagt Hermann. Ein bisschen mehr Wasser kann hier gleich viel mehr Ernte bedeuten. "Wenn man die gleiche Menge Wasser auf ein Weizen-Feld schütten würde, hätte man auch mehr Ertrag, aber dieser wäre nicht annähernd so viel wert wie die Zusatzernte bei den Tomaten." Hinzu kommt: Weizen, Reis und Co. lassen sich leicht lagern, so dass Einheimische dann auch mal die von weiter weg herangebrachte preiswertere Sorte kaufen. Aber Tomaten, Gurken und Blattgemüse kauften Einheimische lieber, wenn dieses Gemüse frisch aus der Nähe kommt statt tagelang ohne Kühlkette durch die Wüste transportiert worden zu sein, sagt Hermann. "Deswegen kann ein Landwirt gerade in abgelegenen Gegenden wie dünn besiedelten Wüsten mehr verdienen, wenn er hochwertige und empfindliche Produkte anbaut." Und so wird die Wüste zum Gemüse-Beet und Obst-Garten.