1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Tödliche Geisternetze

28. Mai 2015

Alte Fischernetze treiben durch die Weltmeere und fangen dabei Meerestiere und töten sie zum Teil qualvoll. Umweltschützer und Küstenbewohner bekämpfen das Phänomen.

https://p.dw.com/p/1FXdJ
Geisternetze Schildkröte in Fischernetz
Bild: picture alliance/Mary Evans Picture Library

Als er eine Meeresschildkröte sah, die beide Vorderflossen verloren hatte, wusste Martin Stelfox, dass sich etwas ändern musste. Für ihn als Meeresbiologen auf den Malediven war der Anblick von Tieren, die sich in herrenlosen, sogenannten Geisternetzen verfangen und dabei schwer verletzen, nichts Unbekanntes. Aber beim Anblick dieser verstümmelten Schildkröte hatte er endgültig genug. Er gründete das Olive Ridley Project, benannt nach der englischen Bezeichnung für die schwer verletzten Schildkröte, das jetzt auf das weltweite Problem der Geisternetze aufmerksam macht und es bekämpft.

Geisternetze sind Fischernetze, die entweder auf See verloren gegangen oder entsorgt worden sind. Für gewöhnlich verfangen sich zunächst kleinere Fische in diesen Netzen, die dann wie Köder auf größere Fische und andere Meeresräuber wirken. Diese verfangen sich dann ebenfalls in den Netzen und verenden zum Teil qualvoll. Das Spektrum reicht von Haien und Delphinen bis hin zu Meeresschildkröten und sogar Seevögeln.

Wenn das Gewicht des “Fangs” zu schwer wird, sinken die Netze zum Grund des Meeres, wo die toten Tiere verwesen. Dadurch wird das Netz leichter und kann wieder wieder an die Oberfläche steigen und der Kreislauf beginnt von Neuem. Es ist ein endloser Kreislauf des “Geisterfischens”.

Da die Netze oftmals aus Kunststoff bestehen, können sie jahrzehntelang durch die Ozeane treiben und dabei fischen und töten. “Letztendlich sind sie für die Ewigkeit gebaut”, sagt Kim Detloff, Leiter Meereschutz beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). “Die Netze können im Meer bis zu 600 Jahre halten.”

Ein weltweites Problem

Geisternetze sind ein globales Phänomen, aber aufgrund von Meeresströmungen kann der Schaden manchmal weit entfernt von dem Ort entstehen, wo die Netze verloren oder weggeworfen werden. Die Malediven, beispielsweise, haben den Fischfang mit Netzen in ihren gesamten Hoheitsgewässern verboten. Trotzdem verzeichnete das Olive Ridley Project in seinem ersten Jahr 107 Geisternetze auf den Malediven, in 54 davon hatten sich eine oder mehrere Seeschildkröten verfangen.

Das Projekt ruft Taucher und Fischer auf, Informationen über Geisternetze, die sie im Indischen Ozean entdecken, weiterzuleiten. Durch Zusammenarbeit und Aufklärung hoffen sie den Schaden zu mindern, den die Netze verursachen.

Manche technologischen Fortschritte haben ebenfalls nützliche Auswirkungen. Wenngleich die kommerzielle Fischerei aus Sicht von Naturschützern schädlich ist, sagt Detloff, dass die Hochtechnologisierung der Branche dazu geführt hat, dass die Zahl der großen Fischernetze, die im Flachwasser verloren gehen, zurückgegangen ist.

“Dank GPS und detaillierter Karten des Meeresgrundes können die Fischer Hindernissen, an denen sich die Netze verhaken könnten, umgehen”, sagt Detloff. “Und diese Netze sind nicht billig, daher haben die Fischer einen starken Anreiz sie zu erhalten.”

In der Nordsee wird aber viel Tiefseefischerei betrieben und in großen Tiefen ist es schwieriger, Hindernisse zu umgehen, was Tiefseenetze problematisch macht. Aber selbst die kleineren Netze, die traditionelle Fischer rund um die Welt verwenden, können Meerestiere verstümmeln und töten und tun dies auch. Thilo Maack, Kampaigner, Meere & Biodiversität bei Greenpeace Deutschland, sagt, dass neue Gesetzgebung nötig sei.

“Die Entsorgung der Netze muss kostenlos sein", sagt er. Kommerzielle Fischernetze müssten mit Ortungssendern ausgestattet werden, sodass man sie wiederfinden kann, wenn sie verloren gehen.

Netze bergen

Geisternetze
Bild: picture-alliance/W. Wichmann

In vielen Teilen der Welt gibt es Bemühungen, Geisternetze und anderen Plastikmüll aus dem Meer zu bergen. Der WWF Deutschland hat eine Kampagne gestartet, um gemeinsam mit Fischkutterbesatzungen und professionellen Tauchern Geisternetze von Wracks und vom Meeresboden der Ostsee zu bergen.

“Wir haben in Deutschland, Polen und Schweden Arbeitsprogramme zur Bekämpfung von Geisternetzen in der Ostsee", sagt Philipp Kanstinger vom WWF Deutschland. Die Initiative soll auch auf andere Meere ausgeweitet werden.

Einen ähnlichen Weg geht das niederländische Projekt Ghost Fishing. Die Mitglieder, die sich selbst als “fanatische Wrack-Taucher” bezeichnen, sammeln auf ihren Tauchgängen Geisternetze und -leinen ein. Über ihre #link:http://www.ghostfishing.org/:Webseite# koordinieren sie inzwischen Taucher auf der ganzen Welt.

Ein zweites Leben für Geisternetze

GhostNets Australia hat den Landweg gewählt, um das Problem zu bekämpfen. Die Organisation begann als Zusammenschluss von 15 Aborigine-Gemeinden, die entlang der Nordküste des Landes lebten. Ranger dort haben inzwischen mehr als 13.000 Netze eingesammelt, die entlang ihrer 3000 Kilometer langen Küste angeschwemmt wurden.

Aber die Netze einzusammeln ist nur ein erster Schritt. Wie können diese Berge aus alten Synthetikfasern wiederverwendet werden? Gruppen wie Ghost Fishing schicken sie zum Nylonhersteller Aquafil. Der hat eine Methode entwickelt, das Material effizient zu recyceln und stellt daraus neue Nylonfasern her, die in der Herstellung von Synthetikteppichen und -stoffen verwendet werden.

GhostNets Australia hat einen etwas kreativeren Ansatz gewählt, um die Netze wiederzuverwenden. Sie nehmen sie mit in ihre Gemeinden, wo traditionelle Webtechniken dazu verwendet werden, um aus ihnen Taschen, Körbe und Matten herzustellen. Inzwischen werden viele der Netze recycelt und dann sogar als eindrucksvolle Kunstwerke der Aborigines wiedergeboren.

Geisternetze
Bild: picture-alliance/C.Gomersall/WILDLIFE
Geisternetze Verendete Jungmöwe
Bild: NABU/J. Baer