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"Flüchtlinge in unsere gesellschaftliche Mitte holen"

Greta Hamann8. Januar 2015

Flüchtlinge unterzubringen überfordert viele deutsche Städte und Kommunen. Studenten aus Berlin haben deshalb ein WG-Vermittlungsportal gegründet. Mareike Geiling erläutert im DW-Interview, wie es funktioniert.

https://p.dw.com/p/1E3UN
Mareike Geiling (Foto: Privat)
Bild: Privat

Deutsche Welle: Frau Geiling, wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Online-Portal zur Vermittlung von Flüchtlingen an private Wohngemeinschaften zu gründen?

Mareike Geiling: In unserer WG war ein Zimmer frei. Dann haben wir uns überlegt, dass wir dieses Zimmer ja eigentlich auch einem Flüchtling zur Verfügung stellen könnten. Daraus ist dann die Idee entstanden, so etwas auch für ganz Deutschland umzusetzen. Ich denke, es geht vielen Menschen gerade so, dass man über die Presse mitbekommt, wie Flüchtlinge hier untergebracht werden. Also, dass sie oft in Sammelunterkünften leben müssen, die nicht unseren Standards entsprechen. Dass es manchmal Unterkünfte sind, die abseits liegen und schlecht angebunden sind, in denen auch die sanitären Anlagen nicht so gut sind. Da hat sich dann bei uns der Wunsch ergeben, dass wir was tun wollen. Durch die Vermittlung in WGs wollen wir die Flüchtlinge in unsere gesellschaftliche Mitte holen.

Wie war die Resonanz auf Ihr Portal?

Innerhalb von nur einem Tag hatten wir schon 1000 Likes auf unserer Facebook-Seite und in nur knapp drei Wochen haben sich bereits 190 Menschen aus über 90 deutschen Städten und Dörfern mit ihren WGs und Zimmern bei uns angemeldet. Außerdem haben wir bereits Anfragen aus drei anderen Staaten, wo Menschen unsere Idee für ihr Land umsetzen wollen.

Wir waren total überrascht, wie schnell das ging. Wir wollten es eigentlich nur an Freunde und Bekannte weitertragen und erst einmal gucken, ob es überhaupt eine Nachfrage für die Idee gibt.

Internetseite der WG-Vermittlung "Flüchtlinge Willkommen" (Foto: Screenshot fluechtlinge-willkommen.de)
Internetseite der WG-Vermittlung "Flüchtlinge Willkommen"Bild: fluechtlinge-willkommen.de

Wir bekommen auch Mails, in denen die Leute schreiben, wir haben so lange auf so etwas gewartet oder es ist so schön, dass ihr das jetzt umsetzt oder ich bin so froh, dass jetzt endlich was passiert. Ich glaube der Wunsch war schon länger in der Bevölkerung da.

Wie funktioniert die Vermittlung der Zimmer konkret?

Wenn man ein freies Zimmer hat, geht man auf unsere Webseite, und wir stellen dann ein paar Fragen über den Wohnort, das Alter und so weiter. Das geht dann bei uns ein. Wir gucken, in welcher Stadt das Zimmer liegt und kontaktieren die entsprechenden Stellen, die mit Flüchtlingen zusammenarbeiten, und fragen nach, ob es einen Flüchtling gibt, der zu dieser WG passen würde. Und wenn es einen gibt, kommt ein Treffen zustande - Flüchtling und WG lernen sich kennen. Wenn es Sympathie gibt, dann kann die Person einziehen.

Und wie wird das Zimmer dann finanziert?

"Flüchtlinge Willkommen" kann keine WG-Zimmer finanzieren, da wir keine finanziellen Mittel haben. Wir geben allerdings Anleitung an die Hand, wie man so eine Finanzierung auf die Beine stellt. Wir haben zum Beispiel schon bei dem ersten vermittelten Flüchtling gute Erfahrungen gemacht mit Mikrospenden. Wir haben einfach im Bekanntenkreis gefragt, wer bereit ist, einen kleinen Betrag zu spenden. Innerhalb von zwei Wochen hatten wir so viele Zusagen, dass wir die ganze Miete für ein Jahr finanzieren konnten. Es gibt viel mehr Leute, als man denkt, die bereit sind, drei oder fünf oder vielleicht auch zehn Euro monatlich zu zahlen. Manche Leute sagen, ihr Zimmer steht eh frei und sie brauchen keine Miete und wieder andere melden sich und sagen, ich habe zwar kein Zimmer, aber ich bin bereit den und den Betrag für eine andere WG zu zahlen.

Je nach Bundesland ist es auch möglich, dass die Ämter für die Finanzierung der Miete aufkommen. In Berlin ist es das zum Beispiel möglich, in Bayern ist es wiederum verboten. Wir rufen aber auch immer dazu auf, auch illegal in Deutschland lebende Menschen aufzunehmen, weil diese durch jedes soziale Netz fallen.

Mareike Geiling hatte gemeinsam mit Jonas Kakoschke die Idee, das Online-Portale Flüchtlinge Wilkommen zu gründen. Sie stellt in ihrer Berliner Wohnung einem Flüchtling ein WG-Zimmer zur Verfügung.

Da sich immer mehr Menschen dazu bereit erklären, Flüchtlinge privat aufzunehmen, hat die Organisation Pro Asyl ein Merkblatt veröffentlicht, das die wichtigsten Fragen beantwortet. Unter anderem weist Pro Asyl darauf hin, dass vor allem bei der Vermietung von Einzelzimmern besonders sorgfältig geprüft werden sollte, ob sich diese Art der Unterbringung sowohl für die geflüchtete Person als auch für den Aufnehmenden eignet: "Wie bei WGs üblich, sollten beide Seiten sich frei füreinander entscheiden und das Mietverhältnis gegebenenfalls auch wieder beenden können."

Das Gespräch führte Greta Hamann.