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"Gegenembargo" schadet russischer Wirtschaft

IrinaFilatova/Dirk Kaufmann1. September 2014

Wegen der Sanktionen durch den Westen hat der Kreml Importe von Lebensmitteln eingeschränkt. Dieses "Gegenembargo" heizt jetzt die russische Inflation an und könnte die Wirtschaft in die Rezession treiben.

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Symbolbild Metzgerei (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Als Folge des Embargos sind die Lebensmittelpreise in einigen Regionen des riesigen Landes im Rekordtempo gestiegen. Der Großhandelspreis für Hühnchenschenkel etwa ist auf der Insel Sachalin im Ochotskischen Meer im äußersten Osten um 60 Prozent nach oben geschossen. Das berichtet die Wirtschaftszeitung Kommersant unter Berufung auf den Landwirtschaftsminister der Region Nicolai Borisow. Außerdem sei in der Region Primorsk Fleisch um 26 Prozent und Fisch um 40 Prozent teurer geworden.

Diese Zahlen können Chris Weaver von der Moskauer Research-Firma Marco-Advisory nicht überraschen: Abgelegene Regionen wie Sachalin hingen vollständig vom Importen ab. Dort fehle es an lokalen Angeboten und wegen des rauen Wetters könne man auch nichts anbauen.

Steigende Inflationsgefahr

Analysten gehen davon aus, dass der Import-Stopp die jährliche Inflation derart anheizt, dass sie zu einer ernsthaften Gefahr für die russische Wirtschaft wird, die sowieso am Rande der Rezession stünde. Auch Chris Weaver glaubt, dass die Verbraucherpreise in den kommenden Monaten weiter steigen: "Möglicherweise haben wir von jetzt an gerechnet bis zum Ende des Jahres eine Inflationsrate von acht Prozent."

Russland kontert - Importstopp von Agrarprodukten aus dem Westen

Andere Analysten erwarten eine Inflation von 7,8 Prozent zum Ende dieses Jahres, nach 6,5 Prozent im Vorjahr. Sie könnte aber auf das Jahr hochgerechnet durchaus die acht Prozent-Marke erreichen, sagte Natalia Orlowa, Chef-Ökonomin der Alfa-Bank, der täglich erscheinenden Wirtschaftszeitung Wedomosti: wegen möglicherweise steigender Steuern und Energiekosten. Das wäre deutlich mehr als das von der russischen Zentralbank anvisierte Inflationsziel von 4,5 Prozent für das kommende Jahr.

Äpfel als Inflations-Indikatoren

Der staatliche Russische Statistik-Dienst bestätigte am 27. August diese Inflationstendenzen. Besonders Hühnchen (+1,4 Prozent), Schweinefleisch, (+0,9 Prozent), Tiefkühlfisch (+0,5 Prozent) und Käse (+0,4Prozent) seien teurer geworden, so die staatlichen Statistiker. Der Verbraucher musste in der Woche zuvor bereits einen Anstieg von 0,5 Prozent bei Äpfeln hinnehmen. Analysten der Raiffeisenbank wiesen darauf hin, dass Obst im August normalerweise billiger werde.

Symbolbild Apfelernte (Foto: dpa)
Preise für Äpfel sind seit dem Embargo gestiegenBild: picture-alliance/dpa

Auch Chris Weaver hat das beobachtet: "Normalerweise sinken im August die Preise bei Obst und Gemüse wegen der gerade eingebrachten Ernte und des gleichzeitig üblichen großen Import-Angebots. Diese übliche Preissenkung fällt nun aus."

Eine Chance für lokale Anbieter?

Offizielle Stellen haben versprochen, die Preissteigerungen eindämmen zu wollen. Darüberhinaus sei der Boykott von Waren aus dem Ausland doch eine Chance für lokale Anbieter: "Die Gegenmaßnahmen angesichts der westlichen Sanktionen werden in den Regalen der Geschäfte Platz machen für die Waren einheimischer Produzenten", hatte Premierminister Dimitri Medwedew bei einer Kabinettssitzung am 7. August gesagt.

Beobachter bezweifeln aber, dass das bald erreicht werden könnte. "Erfahrungen mit früheren Boykotten legen nah, dass das nicht geschehen wird. Stattdessen steigen die Preise, wenn es Versorgungsengpässe gibt", warnen Ökonomen in einer Analyse. Der Wirtschaftswissenschaftler Alexej Portansky von der Moskauer Hochschule für Ökonomie, weist darauf hin, dass lokaler Ersatz für Importwaren eine lange Zeit brauchen werde. Einige Lebensmittel, wie beispielsweise Fleisch, seien so auch kaum zu ersetzen.

Es könne aber, so Ökonom Polansky, Ersatz in Ländern zu finden sein, die bislang weiterhin nach Russland exportieren dürften. Es sei aber unwahrscheinlich, dort kurzfristig neue Anbieter zu finden. Außerdem, so fügt er hinzu, würden die wohl eher höhere Preise für ihre Waren verlangen.