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Gefahr aus Frischluftdüsen

Martin Koch25. Februar 2013

Wie gefährlich ist die Frischluft in Flugzeugen für Besatzungen und Passagiere? In Großbritannien soll es zwei Todesfälle wegen der Spätfolgen kontaminierter Kabinenluft gegeben haben.

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Flugzeugkabine mit Passagieren (Foto: D. Ott - Fotolia.com)
Bild: D. Ott - Fotolia.com

Im Spätsommer 2012 wurde den Piloten eines Germanwings-Fluges durch Dämpfe im Cockpit so schlecht, dass sie ihre Maschine nur mit letzter Kraft auf dem Flughafen Köln/Bonn landen konnten. Das Phänomen ist seit vielen Jahren bekannt, aber es wurde eigentlich stets nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert, weil es dem Ruf der Fliegerei nicht gut tat. Seit mehr als fünfzig Jahren werden Cockpits und Passagierkabinen in Düsenflugzeugen mittels des sogenannten Zapfluft-Systems mit Frischluft versorgt. Bei diesem Verfahren wird komprimierte Turbinenluft angesaugt und in die Belüftungsanlage eingespeist. Es handelt sich um ein bewährtes und kostengünstiges System, das nach Angaben von Flugzeugherstellern verlässlich arbeitet - wenn alles optimal eingestellt, gewartet und überwacht wird. Bei defekten Dichtungen oder Fehlfunktionen von Aggregaten besteht allerdings die Möglichkeit, dass verdampftes Triebwerksöl tröpfchenweise in den Luftkreislauf gelangt und für eine Geruchsentwicklung sorgt, die in Cockpit und Passagierraum wahrnehmbar ist.

Probleme mit dem Zapfluft-System?

Das räumt der Lufthansa-Chefpilot Werner Knorr in einem Schreiben an seine Kolleginnen und Kollegen ein, das der DW vorliegt. Er betont darin jedoch auch, dass die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) als oberste Sicherheitsbehörde des Luftverkehrs in Europa "aufgrund aktueller Berichte und Erkenntnisse keinen Anlass für unmittelbare und grundsätzliche gesetzliche Regelungen" sehe.

Für die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) stellt sich die Situation etwas anders dar: Sie erhält eigenen Angaben zufolge pro Monat ungefähr 20 Berichte von Kolleginnen und Kollegen über Zwischenfälle mit Geruchsentwicklung während der Start- und Landephasen. "Zu den Symptomen gehören Kopfschmerzen, Schleimhautreizungen und Übelkeit, einige klagen zudem über Schlaflosigkeit und Muskelzittern", sagt Andreas Sitek von der AG Gesundheit bei der Flugbegleitergewerkschaft. Insgesamt soll es bei deutschen Fluggesellschaften rund 30 Fälle von Langzeitschäden durch verunreinigte Kabinenluft gegeben haben.

Zwei Piloten der Lufthansa im Cockpit eines Airbus A380 (Foto: picture-alliance/dpa)
Wie gefährlich ist die Belüftungsanlage für Piloten und Passagiere?Bild: picture-alliance/dpa

Viele andere Zwischenfälle

Laut UFO gibt es eine Liste von mehr als 300 Substanzen, die bei austretendem oder verdampfendem Triebwerksöl ausdünsten können. Einige seien schon als gesundheitsschädlich nachgewiesen, für eine umfassende Analyse sei jedoch eine umfangreichere Datengrundlage erforderlich. Persönliche Betroffenheit und subjektive Eindrücke reichten nicht, sagt Andreas Sitek im Gespräch mit der DW: "Wir fordern unabhängige Kabinenluftmessungen, um das Problem quantifizieren zu können und Sensoren an Bord, um eine kontinuierliche Überwachung der Kabinenluftqualität gewährleisten zu können."
Die Hauptforderung der Flugbegleiter im Blick auf künftige Flugzeuggenerationen ist ein Belüftungssystem, das ohne die sogenannte Zapfluft auskommt. Der Dreamliner von Boeing ist als derzeit einziges Modell aller Hersteller mit einer alternativen Technik ausgerüstet, die Luft durch ein Extra-Aggregat ansaugt, verdichtet und erwärmt. Falls sich diese neue - und teurere - Technologie überhaupt gegen die bewährte Zapfluft durchsetzen sollte, wird es jedoch noch etliche Jahre dauern, bis sie in den neuen Fliegern realisiert wird.

Politischer Druck auf EU-Ebene

Durch die öffentliche Diskussion ist das Thema "Gesundheitsgefährdung durch Kabinenluft" auch auf die europäische Tagesordnung gerückt. Die EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger von den österreichischen Grünen setzt sich dafür ein, dass die EASA noch umfassender Daten zu solchen Vorfällen mit verunreinigter Kabinenluft erhebt. Daraus könnten sich dann möglicherweise Empfehlungen oder gesetzliche Vorschriften ergeben, die zu mehr Sicherheit führen, sowohl für die Passagiere als auch in besonderer Weise für das Personal. Allerdings könne die EU in diesem Punkt kaum etwas machen: "Grundsätzlich ist ja die Agenda für den Schutz der Arbeitnehmerrechte und der Gesundheit am Arbeitsplatz keine direkte Kompetenz der Europäischen Union, also das ist schon auch Kompetenz der Mitgliedsstaaten."

Die grüne Luftfahrtexpertin verweist allerdings auf einen Bericht, der zurzeit im EU-Verkehrsausschuss beraten wird, nach dem künftig nicht nur Unfälle im Flugverkehr, sondern auch schon Zwischenfälle wie zum Beispiel mit verunreinigter Kabinenluft gemeldet werden sollen. Für die Flugbegleitergewerkschaft UFO wäre das ein Schritt in die richtige Richtung. Sie registriert bereits jetzt, dass ihre Mitglieder viel sensibler auf das Thema reagieren und dementsprechend häufiger Vorfälle melden - was die Fluggesellschaften und Hersteller zum Handeln veranlasse, indem sie eine auffällig gewordene Maschine so lange am Boden lassen, bis alles geklärt sei, sagt Andreas Sitek: "Hier sehen wir auch erste Fortschritte: aufgrund des medialen Interesses einerseits und der guten Aufklärung unserer Kabinenkollegen andererseits häufen sich die Berichte von Kollegen, die über Ölvorfälle und schlechte Qualität der Luft an Bord berichten."

Eva Lichtenberger, österreichische EU-Abgeordnete (Foto: Eva Lichtenberger)
Eva Lichtenberger, österreichische EU-AbgeordneteBild: Lichtenberger