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"Frieden für sauberes Wasser"

Irene Quaile18. August 2014

Tausende von Menschen in Gaza haben zurzeit keinen Zugang zu Wasser. Das Gebiet braucht Ruhe und die Chance, seine Wasservorräte selbst zu managen, sagt Umweltwissenschaftler Amir Dakkak im Gespräch mit der DW.

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Palästinensische Kinder mit Wasserflaschen (Foto: Mohammed Abed/AFP/Getty Images)
Bild: Mohammed Abed/AFP/Getty Images

DW: Wie hat sich die Bombardierung auf die Wasserinfrastruktur in Gaza ausgewirkt?

Amir Dakkak: Seit dem 29. Juli hat fast niemand Zugang zu sauberem Wasser. Drei der fünf Kläranlagen wurden direkt getroffen. Das führte dazu, dass Abwässer direkt ins Mittelmeer gelangen, bis zu 90.000 Liter am Tag. Es ist für die Mitarbeiter zu gefährlich geworden, das beschädigte Wassersystem zu reparieren, damit die Bevölkerung wieder sauberes Wasser bekommt.

Zudem wurde ein Großteil der Infrastruktur bereits bei früheren Luftangriffen 2008, 2009 und 2012 zerstört. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Energiemangel. Selbst wenn wir funktionierende Entsalzungsanlagen und Klärwerke hätten, würden die viel Strom brauchen. Den hat Gaza nicht - erst recht nicht, nachdem das einzige Kraftwerk vor ein paar Tagen direkt getroffen wurde.

Die Luftangriffe haben die Infrastruktur also stark geschädigt. Die Wasserknappheit ist aber in der Region ohnehin problematisch?

Umweltwissenschaftler Amir Dakkak (Foto: privat)
Amir Dakkak sucht Lösungen für die Wasserknappheit im Nahen OstenBild: privat

Ja, Gaza hatte auch vorher große Schwierigkeiten. Es gibt nur einen unterirdischen Aquifer (Anm. d. Red.: eine wasserführende natürliche Schicht) an der Küste. Das Wasser ist aufgrund der Verschmutzung durch Abwasser, Meereswasser und die Landwirtschaft zu 95 Prozent unbrauchbar.

Von dem Wasser, das dort entnommen wird, bekommt Gaza gerade mal 26 Prozent. Israel ist der größte Nutzer mit rund 66 Prozent. Die palästinensische Wasserbehörde kauft Wasser von Israel und anderen - bis zu 56 Millionen Kubikmeter pro Jahr, um das fehlende Wasser auszugleichen. Das reicht nicht aus für uns. Das Leben in Gaza ist extrem hart. Die UN befürchten, dass die Region bis 2016 unbewohnbar werden könnte, weil das vorhandene Wasser vollkommen verschmutzt sein wird. Die Ausbreitung von Krankheiten wäre die Folge. Schon heute gibt es sehr viele Durchfallerkrankungen, Läusebefälle und Fieberkrankheiten in Gaza.

Was muss passieren, um das zu verhindern?

Die einzige Möglichkeit ist, dass man Gaza erlaubt, seine eigenen Wasservorräte zu sichern. Und: Wenn die illegale israelische Blockade aufhören würde, könnte man Materialien hereinbringen, um die Infrastruktur wieder aufzubauen.

Viele Nichtregierungsorganisationen aus Deutschland, den Niederlanden oder Katar, stellen bereits Geld zur Verfügung, beispielsweise um Entsalzungsanlangen zu bauen. Das Geld wird aber zum Fenster hinaus geworfen, wenn die Anlagen immer wieder zerstört werden. Frieden ist die einzige Lösung, damit die Infrastruktur für eine sichere Wasserversorgung aufgebaut und instand gehalten werden kann.

Dazu gehören natürlich zwei Seiten. Das heißt, die Lösung liegt zum Teil in den Händen der Palästinenser?

Natürlich. Israel behauptet, die Blockade sei gegen die Hamas gerichtet. Die Palästinenser in Gaza fordern aber Israel dazu auf, die Blockade aufzuheben und eine Überwachung durch die Vereinten Nationen zuzulassen. Die UN würden sämtliche Grenzen des Gazastreifens - und alle Bewegungen nach und von Gaza - überwachen. Meiner Meinung nach würde das die Bedrohung durch die Hamas beenden.

Im Endeffekt ist also die Lösung des Wasserproblems nicht ohne eine politische Lösung des Konflikts machbar?

Ganz genau. In dieser Region ist alles eine Frage der Politik. Wenn man Wasser haben will, muss man die Kontrolle über die eigenen Quellen haben. Man muss die Versorgung selbst sicherstellen, die Infrastruktur instand halten und neue Technologien hereinholen können, und man muss Mitarbeiter ausbilden, die damit umgehen können. Wenn man das alles nicht hat, kann man kein Wasser zur Verfügung stellen.

Amir Dakkak ist ein palästinensischer Umweltwissenschaftler. Er studierte in Großbritannien und lebt zurzeit in Dubai. Er betreibt eine eigene Website WaterSource, die sich mit der Wasserknappheit im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika beschäftigt.

Das Interview führte Irene Quaile.