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Gas stinkt nicht?

Roman Goncharenko21. Februar 2013

Die EU und die USA werfen der Ukraine Demokratiedefizite vor. Trotz ihrer Kritik wollen sie ihre Energiepartnerschaft mit Kiew ausbauen. Dahinter stehen wirtschaftliche Interessen.

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Gaspipeline nahe Kiew (Foto: dpa)
Gaspipeline nahe KiewBild: picture-alliance/dpa

Wenn Präsident Viktor Janukowitsch am Montag (25.02.2013) zum Gipfel mit der Europäischen Union nach Brüssel reist, dürfte es wieder einmal um die Frage gehen, wie die ukrainische Justiz mit politischen Gegnern der amtierenden Regierung umgeht. Die ehemalige ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko sitzt immer noch hinter Gittern. Ihre Verurteilung hatte bereits beim letzten EU-Ukraine-Gipfel im Dezember 2011 für Kritik gesorgt.

Und doch wird sich Janukowitsch in Brüssel wohl nicht nur Vorwürfe anhören müssen. Das deutete der EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle bei seinem Besuch Anfang Februar in Kiew an. Die EU sei beispielsweise bereit, der Ukraine weiterhin bei der Modernisierung ihrer Gaspipelines zu helfen. Ein Pilotprojekt wird derzeit unter Beteiligung der Deutschen Bank und des Anlagenbauers Ferrostaal umgesetzt.

Geschäft mit Schiefergas erwartet

Abgesehen vom Transit des russischen Gases nach Europa gibt es zwischen der EU und der Ukraine ein neues Thema, das beide Seiten immer mehr zu interessieren scheint. Es geht um die Förderung von Schiefergas in der Ukraine. Um ihre Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu reduzieren, will die Ukraine eigene Schiefergasvorkommen mit Hilfe westlicher Unternehmen ausbeuten. Im Januar 2013 unterzeichnete Kiew ein Abkommen mit dem Shell-Konzern. Mit den US-Energiegiganten Exxon Mobil und Chevron wird über Milliardenverträge verhandelt.

Portrait des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch (Foto: dpa)
Viktor Janukowitsch wird sich in Brüssel nicht nur Vorwürfe anhörenBild: picture-alliance/dpa

In Brüssel sind die Pläne Kiews nicht unbemerkt geblieben. EU-Energiekommissar Günther Oettinger sagte bei der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar, die Ukraine könnte eines Tages eigenes Gas nach Europa exportieren. Auch andere Konferenzteilnehmer begeisterten sich für die Schiefergasförderung in der Ukraine. Der Name "Timoschenko" war dagegen - zumindest bei öffentlichen Auftritten - nicht zu hören.

Wirtschaftsinteressen trotz Kritik

Aber wird der Westen mit der Ukraine Geschäfte machen und dabei in Kauf nehmen, dass in dem osteuropäischen Land Oppositionelle im Gefängnis sitzen? Ruprecht Polenz glaubt dies nicht. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag betonte im DW-Gespräch, er hoffe sehr, dass die juristische Verfolgung oppositioneller Politiker in der Ukraine beendet werde.

Auch der Energie-Sondergesandte im US-Außenministerium, Carlos Pascual, machte gegenüber der DW deutlich, Washington werde nicht mit Kritik sparen, um mit der Ukraine besser Geschäfte machen zu können. "Die USA, Europa und die internationale Gemeinschaft haben sehr klar ihre Besorgnis über die Inhaftierung von Julia Timoschenko und den Zustand ihrer Gesundheit zum Ausdruck gebracht", unterstrich der frühere US-Botschafter in der Ukraine. Diese Haltung werde sich nicht ändern. Washington sei aber gleichzeitig am Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit der Ukraine interessiert, sagte Pascual.

Gratwanderung in der Ukraine

Der Westen versuche in der Ukraine eine "Gratwanderung", meint Roland Götz, früherer Energieexperte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. "Einerseits möchte man eine verstärkte Kooperation und Annäherung, andererseits ist man mit den gegenwärtigen politischen Führungen in der Ukraine sowie in Russland nicht glücklich, weil sie zu autoritär sind", so Götz.

Schiefergasbohrung in Biliayevska, Ukraine 2012 (Foto: DW)
Schiefergasbohrung in der UkraineBild: DW/ Induchowa

Ihm zufolge hat die Strategie westlicher Energieunternehmen mit der Außenpolitik des Westens allerdings nichts zu tun. "Die Konzerne Shell, Chevron oder Exxon verfolgen eine langfristige kommerzielle Strategie, für die das innenpolitische Klima in der Ukraine keine Bedeutung hat", stellt Götz fest.

Ändert Brüssel seine Strategie?

Westliche Unternehmen kooperierten auch mit Russland auf wirtschaftlicher Ebene, obwohl dort die politischen Freiheiten wesentlich stärker eingeschränkt würden als in der Ukraine, betonte Jonas Grätz vom Center for Security Studies der ETH Zürich im Gespräch mit der DW. Er glaubt nicht, dass die USA und die EU im Fall der Ukraine eine Eindämmungspolitik wie einst gegen die Sowjetunion betreiben werden. Der Westen habe "ein vitales Interesse daran, dass die Ukraine unabhängig bleibt", so der Experte aus der Schweiz.

Grätz glaubt, dass die EU ihre Politik gegenüber der Ukraine nun verändern wird. Denn mit ihrer Drohung, wegen der Demokratiedefizite in der Ukraine das EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen nicht zu unterzeichnen, sei die EU bislang erfolglos geblieben. Brüssel könnte jetzt die "Peitsche" gegen "Zuckerbrot" tauschen, mutmaßt der Experte. Die EU hoffe, so Grätz, dass man der Ukraine "die konkreten Vorteile der Kooperation stärker deutlich machen kann und auf diesem Wege politische Veränderungen erreichen wird".