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Traumberuf für wenig Geld

Claudia Euen26. August 2014

Waschen, schneiden, fönen - für viele junge Frauen in Deutschland ist Friseurin ein Traumberuf. Trotzdem fehlt der Nachwuchs, denn der Job ist schlecht bezahlt. An Bewerbern aus Südeuropa aber mangelt es nicht.

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Lockenwickler in Nahaufnahme (Foto: DW/Euen)
Bild: DW/C. Euen

Es riecht frisch nach Minze und Erdbeere, an den Wänden hängen meterhohe Spiegel, die Eingangstür ziert Bilder von Menschen mit langem, wallendem, glänzendem Haar: ein Friseursalon in Leipzig. Rebecca Zimmer begrüßt eine hereinkommende Kundin, sie ist ein bisschen aufgeregt. Obwohl sie Kerstin Teske seit Oktober alle zwei Wochen frisiert und schminkt, ist heute ein besonderer Tag - der letzte vor ihrer Gesellenprüfung. Da ist noch einiges zu tun. Kerstin Teske steht ihr Modell.

"Heute färben wir Wimpern und zupfen Augenbrauen, alles, was für morgen vorzubereiten ist", sagt die Friseurauszubildende. Eine Dreiviertelstunde dauert die Prozedur. Da werden Farben gemischt und aufgetragen, Haare gewaschen und gefönt und am Ende alles ordentlich mit Haarspray fixiert. Zur Gesellenprüfung wird Rebecca Zimmer ihrem Modell vor den Augen der Prüfer die Haare schneiden. Kerstin Teske nimmt das gelassen. "Sie hat schon zweimal meine Haare gefärbt, da hab ich schon gemerkt, wie gut sie das kann."

Harte Konkurrenz, wenig Gehalt

Friseurin gehört bei jungen Frauen in Deutschland seit jeher zu den beliebtesten Handwerksberufen. Rund 25.000 junge Leute, darunter achtzig Prozent Frauen, machen derzeit ihre Ausbildung. Deutlich weniger als früher. Allein im Raum Leipzig hat sich ihre Zahl in den letzten zehn Jahren halbiert. Katrin Riedel, Vertriebsmanagerin der Essanelle Hair Group, ist seit über 20 Jahren im Beruf und kennt die Probleme der Branche. "Zu DDR-Zeiten musste man sehr, sehr gute Leistungen haben. Jetzt ist es anders", sagt die 40-Jährige. "Handwerksberufe sind nicht mehr so aktuell bei den Jugendlichen."

Friseur-Auszubildende Rebecca Zimmer und ihr Modell Kerstin Teske (Foto: DW/Euen)
Rebecca Zimmer (links) und ihr Modell Kerstin TeskeBild: DW/C. Euen

Doch das ist nicht der einzige Grund für den Nachwuchsmangel. Die Konkurrenz auf dem deutschen Markt ist hart. In den vergangenen zwölf Jahren stieg die Zahl der Salons in den Städten um ein Viertel, während der Absatz jedes Jahr gesunken ist. Immer weniger Friseursalons bilden überhaupt noch aus. Und sie zahlen schlecht: In Westdeutschland bekommen Auszubildende je nach Lehrjahr zwischen 330 und 500 Euro, in Ostdeutschland nur zwischen 210 und 330 Euro. Rebecca Zimmer hat das nicht abgeschreckt. Sie bewarb sich in mehreren Salons und bekam fast überall eine Zusage.

Nachwuchs kommt aus Südeuropa

Weil es mit jedem Jahr schwieriger wird, die Lehrstellen zu besetzen, sind junge Menschen aus dem Ausland willkommen. Gerade junge Südeuropäer finden trotz Ausbildung keinen Job in ihrer Heimat. Die Bundesregierung fördert seit Anfang 2013 die berufliche Mobilität von Jugendlichen und arbeitslosen jungen Fachkräften aus Europa. 18 Jugendliche aus Spanien begannen im vergangenen Jahr ihre Ausbildung in Leipzig und Umgebung, darunter vier Friseure. Neben der Ausbildung lernen sie noch Deutsch. In diesem Jahr waren es schon mehr als doppelt so viele spanische Lehrlinge, darunter sechs Friseure.

Europaweit sei Deutschland für seine gute Ausbildung geschätzt, erklärt der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks in Köln. Denn hier lernen die Jugendlichen das praktische Handwerk im Salon und die theoretischen Grundlagen in der Berufsschule. In den meisten anderen Ländern gehen sie in eine Friseurschule, wo sie keinen Kontakt zu Kunden haben. Rebecca Zimmer besuchte abwechselnd zwei Wochen lang die Berufsschule, sechs Wochen lang arbeitete sie im Friseursalon. Der Anfang war nicht leicht. Die ersten Versuche unternahm sie an einer Puppe, denn am Menschen zu schneiden sei ein großer Schritt, sagt sie.

Gefordert: Kreativität und Menschenkenntnis

"Man hat gerade am Anfang Angst, was falsch zu machen. Die Kunden laufen dann so mit den Haaren draußen rum", sagt sie. Wirklich daneben aber ging nie etwas. Auch die Berufsschule schaffte sie gut, obwohl gerade im Fach Chemie viel gefordert wird. Hier lernte sie, Farben zu mischen und mit Chemikalien umzugehen. Salonmanagement und Frisurentechniken machten ihr besonderen Spaß. Rechnungswesen und Wirtschaftsehre sollen ihr helfen, falls sie später mal einen eigenen Salon aufmachen möchte. Die drei Jahre habe sie gebraucht, sagt die 20-Jährige. Denn wer das Friseurhandwerk gut ausüben will, muss einiges mitbringen.

Friseur-Auszubildende Rebecca Zimmer und eine Kundin (Foto: DW/Euen)
Steht am Ende ihrer Ausbildung: Rebecca ZimmerBild: DW/C. Euen

"Wichtig sind ein gutes Vorstellungsvermögen, Menschenkenntnis und eine kreative Ader", sagt Charlotte Schmidtgall. Sie betreut Rebecca Zimmer während der Lehre. "Es ist wichtig zu wissen, was im Trend liegt, denn bei uns machen alle alles: Damenhaarschnitt, Herrenhaarschnitt, Kinderhaarschnitt, Dauerwelle."

Ein anspruchsvolles Handwerk also, das, so meint der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks, daher auch besser bezahlt und gesellschaftlich anerkannt werden müsste.

Mit einem Gehalt von unter 1000 Euro brutto im Monat können deutsche Friseure kaum von ihrer Arbeit leben - trotz Vollzeitjob. Der Mindestlohn, auf den sich die Bundesregierung vor einiger Zeit geeinigt hat, kommt da gerade recht. Seit August 2014 bekommt auch Rebecca Zimmer 7,50 Euro die Stunde. Sie hatte schon vor Abschluss ihrer Ausbildung einen Arbeitsvertrag in der Tasche. Ihre Gesellenprüfung ging reibungslos über die Bühne - und Kerstin Teske freut sich über ihren kurzen, roten Bob - eine Frisur, die sie immer haben wollte.