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Frische Milliarden gegen die Krise

Andreas Becker6. Juni 2014

Die EZB senkt den Leitzins, verhängt einen Strafzins für Banken - und spült Milliarden in die Finanzmärkte. Das soll die Wirtschaft der Eurozone in Schwung bringen. Kritik kommt aus Deutschland.

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EZB - Präsident Mario Draghi
Bild: picture-alliance/dpa

Lange hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) abgewartet, jetzt hat er gehandelt - und zwar einstimmig, wie EZB-Chef Mario Draghi betonte. Grundlage für die Entscheidung war der Wirtschaftsausblick, den die Experten der EZB Anfang Juni fertiggestellt hatten.

Der Blick nach vorn sieht nicht gut aus: Die Inflationsrate bleibt demnach in diesem Jahr bei 0,7 Prozent, viel niedriger als die 2,0 Prozent, die von der EZB als Preisstabilität definiert wurden. Erst in den Folgejahren soll die Inflation wieder etwas steigen, auf 1,4 Prozent im Jahr 2016. Gleichzeitig senkten die Experten ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in der Eurozone auf 1,0 Prozent in diesem Jahr.

Kaum steigende Preise, eine sehr schwache wirtschaftliche Erholung, eine relativ teure Währung - für die Notenbanker war klar, dass sie jetzt etwas unternehmen müssen. Zwei Instrumente waren bereits erwartet worden: Die EZB senkte den Leitzins von 0,25 Prozent auf das neue Rekordtief von 0,15 Prozent. Außerdem müssen Geschäftsbanken nun einen Strafzins zahlen, wenn sie ihr Geld kurzfristig bei der Zentralbank parken, anstatt es anderweitig zu verleihen.

Neues Geld für die Märkte

Außerdem verkündete Draghi auf der Pressekonferenz nach der Ratssitzung, dass die Zentralbank mehr als 500 Milliarden Euro zusätzliches Geld in den Markt spülen will. Rund 400 Milliarden Euro werden als günstige Notenbankkredite mit vierjähriger Laufzeit an Banken vergeben. Das soll die Kreditvergabe in den südeuropäischen Krisenländern beleben.

Um die Jahreswende 2011/2012 hatte die EZB schon einmal insgesamt 1000 Milliarden Euro günstig an Banken verliehen. Damals nahmen viele das Geld und legten es sicher an, anstatt es an Unternehmen zu verleihen. Das will Draghi mit dem neuen Programm unbedingt verhindern. "Wir wollen die Kreditvergabe an private Unternehmen außerhalb des Finanzsektors stärken", so der EZB-Präsident. "Banken müssen regelmäßig berichten, wie sie das Geld verwenden. Und das wird überprüft." Die Milliarden seien ausdrücklich nicht dazu da, schwache Banken zu stützen oder den Kauf von Staatsanleihen zu finanzieren, fügte Draghi hinzu.

Weitere rund 165 Milliarden Euro stellt die EZB den Finanzmärkten zur Verfügung, weil sie eine Praxis beendet, die im Jargon der Notenbanker Sterilisierung heißt. In der Vergangenheit hat die EZB Ankäufe von Anleihen neutralisiert, indem sie das Geld an anderer Stelle wieder vom Markt genommen hat. Diese Praxis war hauptsächlich der deutschen Sorge geschuldet, zu viel Geld auf dem Markt würde die Inflation anheizen. "Jetzt aber sieht die Welt völlig anders aus", sagte Draghi. "Jetzt ist die Inflation niedrig, die wirtschaftliche Erholung ist schwach, die Kreditvergabe ebenfalls."

"Wir sind noch nicht fertig"

Außerdem werde die EZB die Banken noch bis Ende 2016 kurzfristig mit Liquidität versorgen, so Draghi. Nachdem er das ganze Bündel an Maßnahmen vorgestellt hatte, sagte er: "Wir denken, dass das ein bedeutendes Paket ist. Sind wir fertig? Die Antwort ist: Nein. Wir sind noch nicht fertig. Im Notfall sind wir, im Rahmen unseres Mandats, noch nicht fertig."

Wie weitere Schritte aussehen könnten, verriet Draghi auch schon. Die Zentralbank arbeitet bereits an einem Programm, um direkt Kreditverbriefungen aufzukaufen. Die sogenannten ABS-Papiere umfassen zahlreiche Einzelkredite, die am Finanzmarkt gehandelt werden können. Solche Papiere gelten als ein Auslöser für die US-Immobilienkrise, in der Folge kam der ABS-Markt fast zum Erliegen. Einen Starttermin für ABS-Käufe durch die Zentralbank nannte Draghi nicht.

Kritik aus Deutschland

Deutliche Kritik am Kurs der EZB kam aus Deutschland. "Das ist der verzweifelte Versuch, mit noch billigerem Geld und Strafzinsen auf Einlagen die Kapitalströme nach Südeuropa umzuleiten", sagte der Ökonom Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner ifo-Instituts. "Das wird deshalb nicht funktionieren, weil dort vorher die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden müsste durch Reformen des Arbeitsmarktes. Die Zeche zahlen jetzt jene, die Geld langfristig anlegen, also Sparer und die Besitzer von Lebensversicherungen." Ähnlich äußerte sich der Bundesverband deutscher Banken (BdB).

Draghi wies die Vorwürfe zurück: "Es ist völlig falsch, uns vorzuwerfen, wir wollten die Sparer enteignen", so der EZB-Chef. Ziel der Maßnahmen sei genau das Gegenteil. "Unser Paket soll das Wachstum wiederherstellen und die wirtschaftliche Erholung fördern." Erst wenn das erreicht sei, so Draghi, würden auch die Zinsen wieder steigen.