1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Demo zum NSU-Prozess

Senada Sokollu15. April 2013

"Gegen Naziterror, staatlichen und alltäglichen Rassismus", unter diesem Motto gingen kurz vor dem NSU-Prozess tausende Demonstranten in München auf die Straße. Opfer und Angehörige sprachen über ihr Erlebtes.

https://p.dw.com/p/18FWm
Demonstration in München zur Erinnerung an die NSU-Mordopfer (Foto: DW)
Bild: DW

"Heimat ist ein Gefühl und kein Land". Mit diesen Versen stimmte die deutsch-türkisch-italienische Rapgruppe Microphone Mafia aus Köln die Demonstranten ein. Schätzungsweise 5000 Menschen nahmen bei der Demo anlässlich des Auftaktes des NSU-Prozesses im Münchner Oberlandesgericht teil. Angereist aus ganz Deutschland versammelten sich Antirassisten und Antifaschisten gemeinsam in München, um gegen Deutschlands rechte Szene zu demonstrieren.

Keine Fahnen, keine nationalistischen Parolen - das war das Ziel der Demonstration. "Wir wollen zeigen, was uns eint und nicht trennt. Wir wollen damit ein Zeichen der Solidarität an die Opfer und an die Angehörigen der Opfer senden. Wir wollen rassistische Strukturen in der Gesellschaft stärker in den Blick nehmen. Und vor allem fordern wir die Abschaffung des Verfassungsschutzes", sagt Bernd Kaminski, Pressesprecher des Bündnisses gegen Naziterror und Rassismus, das die Demonstration organisierte. Der Verfassungsschutz habe den rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) offensichtlich gedeckt und sei daher mitbeteiligt an den Verbrechen, so Kaminski.

Über 200 Organisationen beteiligen sich an der Veranstaltung. Von linken antirassistischen und antifaschistischen Gruppen bis hin zur Münchner SPD und den Grünen. Dadurch solle eine gesellschaftliche Breite zum Ausdruck kommen, so Kaminski gegenüber der Deutschen Welle.

Demonstration in München zur Erinnerung an die NSU-Mordopfer (Foto: DW)
Viele Teilnehmer waren von weit her angereistBild: DW

Erinnerung an Vergangenes

Gekommen waren auch die Brüder Ibrahim und Namik Arslan. Beide gehören zu den Überlebenden des Anschlags von Mölln aus dem Jahr 1992. Damals hatten Neonazis das Haus in Brand gesetzt, in dem die Brüder mit ihrer Familie lebten. Ibrahim Arslan, der damals sieben Jahre alt war, erinnert sich, dass sich seine Familie nach dem Vorfall stets Vorwürfe anhören musste. "Ein Opfer muss sich keine Vorwürfe anhören, ein Opfer muss Klarheit haben, muss Vertrauen in diesem Staat aufbauen können. Wir als Opfer haben aber kein Vertrauen in diesen Staat", so der 28-Jährige.

Die Witwe des 2005 in München ermordeten Griechen Theodoros Boulgarides sagte bei der Demonstration, ihre Familie habe unter Schock gestanden - zuerst wegen des Mordes, dann wegen der falschen Verdächtigungen. "Fast acht Jahre später herrscht immer noch Fassungslosigkeit bei uns." Die Ermittler hatten die Täter teils im familiären Umfeld vermutet oder die Opfer in einen Zusammenhang mit organisierter Kriminalität gebracht. Wichtig sei, dass man nicht aufhöre zu fragen, appellierte die Witwe öffentlich an die deutsche Gesellschaft.

Demonstration in München zur Erinnerung an die NSU-Mordopfer (Foto: Reuters)
Zeichen setzen in MünchenBild: Reuters

Demonstration mit Nachdruck

Die fast fünfstündige Marschroute konzentrierte sich auf einige wichtige historische Plätze, die an vergangene Anschläge der Nationalsozialisten erinnern. Dazu gehörten unter anderem der Königsplatz und der Odeonsplatz. Auch im Münchner Bahnhofsviertel wurde marschiert - vorbei an zahllosen türkischen und griechischen Läden. Gesellschaftskritischer deutsch-türkischer Rap dröhnte immer wieder aus den Lautsprechern. Aber auch entspannter Reggae und Musik von Xavier Naidoo gehörten zum Entertainment. 

Fotos der zehn getöteten NSU-Opfer wurden als Andenken in die Höhe gehalten. Plakate mit der Aufschrift "Nie aufgearbeitete deutsche Geschichte marschiert und mordet wieder" und "Das Problem heißt Rassismus" kritisierten den deutschen Staat und dessen Vorgehensweise bei der Verfolgung der kriminellen rechten Szene in Deutschland. 

Ein Zeichen setzen

An dem Marsch nahmen auch viele Menschen mit unterschiedlichstem Migrationshintergrund teil, darunter Brasilianer, Schwarzafrikaner, Türken und Griechen. "Dass so viele Deutsche an dieser Demo teilnehmen, freut mich als Türkin sehr. Das beweist, dass nicht jeder gegen Ausländer ist", so die 18-jährige Elif, die extra zum heutigen Anlass mit ihrer gesamten Familie aus dem oberbayerischen Penzberg nach München gefahren war. Viele der Demonstranten hatten eine noch längere Reise auf sich genommen und waren von Köln, Frankfurt, Berlin und Hamburg nach München gekommen.