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"Im Notfall mit dem Teufel sprechen"

9. Juni 2015

Deutschland darf der Brutalität des IS nicht tatenlos zugesehen - das sagen führende Konfliktforscher. Im Friedensgutachten 2015 fordern sie zum Schutz von Zivilisten notfalls Verhandlungen mit der Terrormiliz.

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Kämpfer des "Islamischen Staats" - auch mit ihnen befasst sich das Friedensgutachten 2015 (Foto: ABACAPRESS)
Bild: picture-alliance/abaca/Balkis Press

Die provokante Aufforderung zur Kontaktbereitschaft mit den Extremisten ist nur ein Punkt des "Friedensgutachtens 2015" aber einer, der es in sich hat. Zum Schutz von Zivilisten vor den Grausamkeiten der IS-Milizen empfehlen die beteiligten Wissenschaftler, die Einrichtung von Schutzzonen im Rahmen einer humanitären Intervention zu erwägen. Außerdem sollte es die Möglichkeit geben, Flüchtlinge per Luftbrücke aus dem Kriegsgebiet zu holen.

Keine Diplomatischen Beziehungen zum IS

Die Wissenschaftler schließen daher auch Kontakte zum IS nicht aus. "Im Notfall muss man mit dem Teufel sprechen", sagte Margret Johannsen vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg. Diplomatische Beziehungen seien damit aber nicht gemeint, das machte Johannsen ganz deutlich.

Das Friedensgutachten ist ein Gemeinschaftswerk von fünf deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstituten und wurde in Berlin vorgestellt. Es erscheint jährlich und gibt Empfehlungen für eine Friedens- und Sicherheitspolitik in aktuellen Konflikten.

Keine Waffen an Saudi-Arabien und andere

Generell sollte sich der Westen im Nahen und Mittleren Osten militärisch stärker zurückhalten, empfehlen die Gutachter. Die Unterstützung etwa der kurdischen Milizen im Irak halten die Forscher für fragwürdig. Deutschland hatte im Herbst vergangenen Jahres beschlossen, Waffen an die kurdische Peschmerga im Nordirak für den Kampf gegen den IS zu liefern. Der Preis dafür sei das Risiko einer unkontrollierten Weiterverbreitung der gelieferten Waffen, befürchten die Wissenschaftler.

Ganz besonders deutlich sprechen sich die Autoren des Friedensgutachtens für eine präventive Außenpolitik Deutschlands aus. Sie sollte zivile Krisenprävention, Demokratieförderung und Entwicklungshilfe beinhalten. Und die Forscher appellieren an die Bundesregierung, Rüstungsexporte an Drittstaaten, also außerhalb der NATO und der EU, wie etwa Saudi-Arabien, zu verbieten.

"Europa lässt Schutzsuchende ertrinken"

Außerdem fordern sie die Bundesregierung dringend auf, sich für eine "menschenwürdige Flüchtlingspolitik an Europas Außengrenzen" einzusetzen. "Dort lassen die europäischen Staaten Schutzsuchende faktisch ertrinken", hieß es. Es müssten legale und sichere Reisewege geschaffen werden, anstatt die Schlepper mit militärischer Gewalt zu bekämpfen.

Deutschland und Europa sollten ihre Außenhandelspolitiken verändern, die "unmittelbar negative soziale und politische Folgen für den globalen Süden haben", mahnt das Friedensabkommen weiter.

Gegen Aufrüstung der Ukraine

Angesichts der angespannten Beziehungen zwischen Russland und EU warnen die Forscher ausdrücklich vor einer Aufrüstung. Waffenlieferungen an die Ukraine seien nicht zielführend, dies könne die Situation "eskalieren" lassen. Stattdessen müsse die humanitäre Hilfe aufgestockt werden. Außerdem sei ein Umdenken vonnöten, das verstärkt auf Diplomatie setze, aber auch die russische Annexion der Krim als klare Verletzung internationaler Verträge erachte.

Flüchtlinge aus Eritrea vor Rhodos (Foto: ap)
Flüchtlinge vor der griechischen Küste: Friedensforscher fordern eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik von der EUBild: picture alliance/AP Photo

An dem Friedensgutachten 2015 waren das Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen, das Bonn International Center for Conversion (BICC), die Forschungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft, das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg und die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung beteiligt.

cw/wl (epd, kna)