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Weicher Klang

Kirstin Hausen13. August 2009

Das Friaul im Nordosten Italiens war bis in die 1960er-Jahre so arm, dass die Einwohner auswandern mussten. Die Emigranten haben sich jedoch vor allem ihre Sprache, das Friaulische, bewahrt. Auch im Alltag?

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Bild aus der Region Friaul im Nordosten Italiens (Foto: Kirstin Hausen/ DW)
Die Friauler wollen Traditionen und Sprache bewahrenBild: Kirstin Hausen / DW

Renzo Lavia aus Udine hängt an Traditionen. Wenn der 68-jährige Theaterschauspieler seiner Enkeltochter Nina eine Gute-Nacht-Geschichte vorliest, dann rigoros auf Friaulisch. Das hat sich so eingebürgert zwischen den beiden. Renzo Lavia glaubt, Nina schlafe besser ein mit dem Klang des Friaulischen im Ohr: "Diese Sprache ist weich und harmonisch, das haben mir italienische Kollegen, mit denen ich auf der Bühne stand, bestätigt. Sie hatten einen harten Klang erwartet und waren ganz überrascht von der Sprachmelodie."

Weicher Klang und lang gezogene Vokale

Vielleicht kommt das von den lang gezogenen Vokalen, die so typisch sind. Friaulisch hört sich zunächst an wie ein Dialekt des Italienischen, aber bei genauerem Hinhören lassen sich auch Einflüsse aus dem Deutschen heraushören. Eine eigene Sprache, eine eigene Identität - Renzo Lavias Heimat ist diese abgeschiedene Region ganz im Nordosten Italiens an der Grenze zu Österreich und zu Slowenien.

Hier blieb eine Sprache erhalten, die früher noch viel weiter verbreitet war und die zur Gruppe der sogenannten rätoromanischen Sprachen gehört: Friaulisch. Ob in der Metzgerei, beim Friseur oder beim Plausch auf der Piazza - die Leute im Friaul reden untereinander auf "Furlan", auf Friaulisch also.

Die Piazza Liberta in Udine im Friaul, einer Region im Nordosten Italiens (Foto: Kirstin Hausen/ DW)
Friaulisch - eine eigene Sprache, eine eigene IdentitätBild: Kirstin Hausen / DW

Offiziell anerkannt und staatlich gefördert

Friaulisch ist in Italien eine offiziell anerkannte Minderheitensprache, deren Erhalt vom Staat gefördert wird. Um die Pflege dieser Sprache kümmern sich verschiedene kulturelle Einrichtungen. Die älteste ist die 1919 gegründete "Gesellschaft für die friaulische Sprache", die in Udine auch eine Bibliothek unterhält. Hier stehen wissenschaftliche Abhandlungen im Regal, aber auch Kinderbücher auf Friaulisch.

Porträt von einem älteren Herrn (Foto: Kirstin Hausen/ DW)
Renzo Lavia beherrscht die MinderheitenspracheBild: Kirstin Hausen

"Die natürliche Weitergabe von Generation zu Generation ist das wichtigste", sagt Vizepräsident Federico Vicario, der auch Friaulisch an der Universität von Udine lehrt, "man kann eine Sprache nicht per Gesetz retten." Seit einigen Jahren wird an den Schulen in der Region Friaulisch als Wahlfach angeboten. Nach einer aktuellen Erhebung haben 65 Prozent der Eltern ihre Kinder für diesen Zusatzunterricht angemeldet.

Mandi statt Ciao

"Das macht uns Mut", meint Federico Vicario. Wenn er aus der Bibliothek mitten im historischen Zentrum von Udine tritt und an der Ecke einen Espresso trinkt, begrüßt er die Besitzerin der kleinen Kaffeebar mit "Mandi", dem friaulischen Ersatz für "Ciao". "Unser Mandi ist uns heilig", sagt Angela Innocente, die hier ebenfalls ihren Kaffee trinkt. Sie führt mit ihrem Bruder das Hotel "Allegria" und hat mit Gästen aus der ganzen Welt zu tun hat.

Was sie ihnen als erstes beibringt ist natürlich "Mandi". Und auch Bruce Springsteen hat bei seinem Konzert in Udine vor einigen Wochen sein Publikum mit einem lässigen "Mandi Udine" zum Toben gebracht. Es gibt verschiedene Übersetzungen dieses alten Grußes: "Ich empfehle dich Gott" ist eine davon, aber so ganz geklärt ist seine Bedeutung nicht.

Ein Restaurant in der Stadt Udine im Nordosten Italiens (Foto: Kirstin Hausen/ DW)
Eine Trattoria in Udine, in der auch Friaulisch gesprochen wirdBild: Kirstin Hausen / DW

Trotzdem ist "Mandi" ein geflügeltes Wort, im Friaul öffnet es Türen. Das wissen auch die Einwohner der Region, die kein Friaulisch beherrschen. Das sind nicht wenige, weil in zwei von drei Provinzen der Region das Italienische die alte friaulische Sprache verdrängt hat. Veronika Selhaus Ursini, die in Triest lebt, spricht deutsch, slowenisch, italienisch - aber kein friaulisch: "Das einzige, was ich sagen und verstehen kann, ist dieses 'Mandi'", lacht sie, "und das benutze ich oft im Umgang mit Friaulern. Es ist meine Art, ihnen zu zeigen, dass ich ihre spezielle Identität akzeptiere."