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Freundschaften fürs Leben

Mathias Bölinger27. Mai 2015

Als Schüler ein Jahr im Ausland zu verbringen - ein Traum vieler junger Menschen. Allerdings braucht es dafür jemanden, der einen auch aufnimmt. Deshalb wurden Gastfamilien jetzt im Auswärtigen Amt geehrt.

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Ankunft am Bahnhof (Foto: dpa)
Meist sieht man seine künftige Familie erst bei der Ankunft zum ersten MalBild: dpa/lno

Celina Aurora Molina steht in einem Tagungsraum im Auswärtigen Amt und erzählt, wie ein Austauschjahr eine Biografie verändern kann. 1992 kam sie als Gastschülerin nach Deutschland. Dann verbrachte sie den größten Teil ihres Lebens in dem Land, in dem man nicht zu spät zum Bahnhof kommen darf, weil die Züge häufig pünktlich sind. "Deutschland war gar nicht so, wie ich es auf Bildern kannte", erinnert sie sich. Statt Märchenromantik und Schwarzwaldkaten habe sie ein ziemlich modernes Land vorgefunden. Ein Land, in dem nagelneue Mercedes als Taxis herumfahren, auf der Straße allerdings nur alte Leute zu sehen seien.

Molina spricht auf einer Veranstaltung zu Ehren von Gastfamilien, zu der der Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustauschorganisationen (AJA) und das Auswärtige Amt eingeladen haben. Sie arbeitet inzwischen selbst im Auswärtigen Amt. Die ehemalige Gastschülerin aus Paraguay unterrichtet Diplomaten, die nach Südamerika geschickt werden, in den Feinheiten der interkulturellen Kommunikation.


Türen und Herzen

Schätzungsweise 2700 deutsche Familien im Jahr nehmen Gastkinder auf. "Sie öffnen Türen und sie öffnen auch die Herzen", gibt Maria Böhmer, parlamentarische Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, ihnen per Videobotschaft mit. Sie werde auf ihren Reisen oft von jungen Menschen angesprochen, die gerne einige Zeit in Deutschland verbringen würden - und eine der Schwierigkeiten sei regelmäßig, dass es nicht genug Gastfamilien gebe.

Im Lichthof des Auswärtigen Amtes nippt Familie Voigt an ihren Getränken. "Dieser Abend ist eine nette Anerkennung" , sagt Sabine Voigt, die gemeinsam mit ihrem Mann Oliver, den beiden eigenen Kindern und ihrem amerikanischer Gastsohn Thomas hergekommen ist. "Es ist ja doch ein bisschen Aufwand, ein Kind aufzunehmen - und man muss relativ viel Toleranz aufbringen." Thomas ist bereits ihr zweiter Gastsohn. Wirklich heftig scheint er ihre Toleranz noch nicht auf die Probe gestellt zu haben. Zumindest will ihr spontan kein Beispiel einfallen. Erst ihre Kinder erinnern sie dann an Diskussionen über unterschiedliche Tischmanieren und andere Kleinigkeiten. "Man muss sich halt erstmal aneinander gewöhnen", sagt Sabine Voigt.

Auch der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg, ist als Redner eingeladen, um die eine oder andere Anekdote aus seiner Zeit als Gastvater zum Besten zu geben. Von Gastschülern zum Beispiel, die die eigenen Söhne beim Deutschdiktat abhängen. Oder von dem Gastsohn, der stolz die Küche seines Landes vorführen wollte, aber noch nie in seinem Leben gekocht hatte. Viel wichtiger als die vielen Erlebnisse sei aber etwas anderes, sagt Limbourg, der sich als "euphorisierten Gastvater" bezeichnet. "Man knüpft Freundschaften fürs Leben."

Auch für Celina Aurora Molina spielt die frühere Gastfamilie bis heute eine wichtige Rolle. Auf der Hochzeit ihres Gastbruders war sie Trauzeugin. Und zur Geburt ihres Sohnes sei neben ihrer eigenen Mutter und der ihres Mannes auch ihre Gastmutter aus München angereist. "Er hat drei Großmütter", sagt sie lachend.