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Freihandel im Schneckentempo

Fernando Caulyt (apo)15. November 2013

Auf der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner: Die EU und der südamerikanische Markt Mercosur wollen die Verhandlungen für ein gemeinsames Abkommen zum Freihandel wieder aufnehmen.

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Brasilien Präsidentin Dilma Rousseff und EU-Kommissions-Präsident Jose Manuel Barroso beim 6. EU-Brasilien-Gipfel im Januar 2013 in Brasilia. (Foto: REUTERS/Ueslei Marcelino)
Bild: Reuters

An seiner Treue zum südamerikanischen Handelsbündnis Mercosur will Brasilien keine Zweifel aufkommen lassen. Auch 15 Jahre nach dem Beginn der bisher ergebnislosen Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den fünf Mitgliedsstaaten des Mercorsur lehnt das aufstrebende Schwellenland ein bilaterales Freihandelsabkommen mit der EU ab.

Wenn sich am Freitag (15.11.2013) im venezolanischen Caracas die Außenminister der Mercosur-Staaten treffen, geht es offiziell darum, die ins Stocken geratenen Verhandlungen wieder in Gang zu bringen. Bis zum Ende des Jahres wollen die Unterhändler ihre Vorschläge so aufeinander abstimmen, dass von Januar 2014 an mit den konkreten Verhandlungen mit der EU begonnen werden kann.

Brasilien lehnt Alleingang ab

"Wir wollen das Angebot unseres Blockes stärken, dies ist unser alleiniges Ziel", versichert Außenhandelssekretär Daniel Godinho aus dem brasilianischen Ministerium für Entwicklung, Industrie und Außenhandel (MDIC) gegenüber der DW. Es seien schwierige Verhandlungen, aber er hoffe, dass die Hürden bis zum Ende des Jahres überwunden würden.

Die Mercosur-Mitgliedsstaaten Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay und Venezuela sind wirtschaftlich eng mit der EU verbunden. Nach Angaben des europäischen Statistikamtes Eurostat exportierte die EU 2012 Waren im Wert von 50,3 Milliarden Euro in den Mercosur-Raum. Die Einfuhren aus Südamerika in die EU summierten sich auf 49,2 Milliarden Euro.

Beim Mercorsur-Gipfeltreffen im Juli 2013 in Montevideo posieren die Staaschefs fürs Gruppenbild: Evo Morales (Bolivien), Cristina Fernandez de Kirchner (Argentinien), José Mujica (Uruguay), Dilma Rousseff (Brasilien) und Nicolas Maduro (Venezuela). (Foto: MIGUEL ROJO/AFP/Getty Images)
Die Staatschefs der Mercosur-Staaten beim Gipfeltreffen im Juli 2013 in MontevideoBild: Miguel Rojo/AFP/Getty Images

Die Handelsbeziehungen zwischen Brasilien und der EU sind besonders intensiv. Ein Fünftel aller brasilianischen Exporte gehen in die EU. Zwischen Januar und September dieses Jahres summierten sich die Ausfuhren auf 25 Milliarden Euro. Brasilien wiederum importierte im gleichen Zeitraum Waren im Wert von 28 Milliarden Euro aus der EU, was einem Fünftel seiner gesamten Einfuhren entspricht. Seit 2007 sind Brasilien und die EU durch eine strategische Partnerschaft miteinander verbunden.

Streit um Agrarsubventionen

Hauptgrund für die immer wieder unterbrochenen Verhandlungen zu dem Freihandelsabkommen zwischen den beiden Wirtschaftsblöcken ist der Streit über die europäischen Agrarsubventionen, die den südamerikanischen Agrarprodukten den Zugang zum europäischen Markt erschweren. Brasilien hatte deswegen bereits im Jahr 2005 vor der Welthandelsorganisation WTO gegen unfaire Handelspratiken geklagt. Hinzu kommen die wirtschaftlichen und innenpolitischen Probleme in Argentinien und Venezuela.

Die Europäer wiederum suchen gerade in der Krise nach neuen Absatzmärkten für ihre Güter. Die EU-Kommission kritisierte mehrfach die hohen Einführzölle für Industriegüter in den Mercosur-Staaten. Argentinien und Brasilien hätten 2012 neben Indien, Indonesien und Russland die meisten handelsbeschränkenden Maßnahmen eingeführt, heißt es in einem Bericht der Europäischen Kommission.

Eine Landmaschine bei der Zuckerrohrernet in Brasilien. (Foto: AP Photo/Andre Penner)
Für Brasiliens Zuckerrohr ist die EU ein schwieriger AbsatzmarktBild: AP

Auch in Deutschland wird das Verständnis gegenüber den südamerikanischen Handelspartnern und ihren Problemen geringer. "Wir sind weder nervös im Bezug auf Venezuela, noch auf Brasilien, aber diese Länder verschenken Chancen, wenn sie sich gegenüber der EU nicht öffnen und uns als Partner auch im Handel stärker akzeptieren", erklärt Knut Brünjes, stellvertretender Abteilungsleiter für Außenwirtschaftspolitik im Bundeswirtschaftsministerium. Es läge im eigenen Interesse der Länder, nicht nur auf den Agrarsektor zu schauen und sich nicht abzuschotten.

Doch gerade in Ländern mit linksgerichteten Regierungen wie Venezuela und Argentinien sind Freihandelsabkommen politisch umstritten. Auch in Brasilien genießt der Schutz der einheimischen Industrie unter der Regierung von Staatspräsidentin Dilma Rousseff einen hohen politischen Stellenwert.

Pazifikstaaten setzten auf Freihandel

Im Gegensatz dazu preschen andere lateinamerikanische Länder voran. Bereits alle vier Gründungsmitglieder der Pazifikallianz – Chile, Kolumbien, Peru und Mexiko - haben separate Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen. Auch Kanada unterschrieb vor einem Monat einen entsprechenden Vertrag.

Aus europäischer Sicht genießt das angestrebte Freihandelsabkommen mit dem Mercosur deshalb nicht mehr dieselbe Priorität wie vor fünf Jahren. Die südamerikanische Handelsunion nimmt auf der Liste der wichtigsten EU-Handelspartner lediglich den achten Rang ein. Nach Informationen aus dem Bundeswirtschaftsministerium gilt die größte Aufmerksamkeit zurzeit dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA.

Unter Experten schließt man deshalb nicht aus, dass es doch noch zu separaten Verhandlungen zwischen der EU und Brasilien in Sachen Freihandel kommen könnte. "Es ist möglich, dass die brasilianischen Unterhändler einen unilateralen Vorschlag machen, falls die Verhandlungen mit dem Mercosur erneut ergebnislos bleiben", meint der Ökonom Pedro Raffy Vartanian von der Universität Mackenzie in Sao Paulo. Dieser Vorschlag wäre dann der Anfang vom Ende des Mercosur.

Wohn- und Geschäftshäuser von Sao Paulo (Foto: Soeren Stache/dpa)
In Sao Paulo haben sich über 1000 deutsche Firmen angesiedeltBild: picture-alliance/dpa

Der EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie, Antonio Tajani, wurde bei seinem Besuch zur Vorbereitung der Freihandelsverhandlungen im Oktober in Brasília deutlicher. "Es gibt sehr viele europäische Firmen in Brasilien, deswegen ist das Land für Europa wichtig", erklärte er vor der brasilianischen Presse. Brasilien sei ein aufstrebendes Land, das eine europäische Sprache spreche. Tajani: "Mit Brasilien kann man gut zusammenarbeiten."