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Freier Fall ins Ungewisse

Hans-Jürgen Speitel, Bangkok 20. Januar 2014

In Thailand halten die Proteste unvermindert an. Allerdings ist die bislang friedliche Stimmung unter den Regierungsgegnern gekippt. Die Wirtschaft leidet schon jetzt dramatisch.

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Thailand Proteste in Bangkok gehen weiter
Bild: Reuters

Zuerst erwischte es den Verkehr. Gleich zu Beginn der Anti-Regierungs-Demonstrationen auf Bangkoks Straßen gab es Staus, endlose Wartezeiten, Umleitungen. Dann folgte der nächste Kandidat, der ins Trudeln geriet: Die Aktienkurse an der thailändischen Börse rauschten nach unten. "Der schlechteste Jahresbeginn des Aktienindex seit 1988" - so konstatierte die Wirtschaftspresse. Und das Klagen ging weiter: Der Baht, die Landeswährung, rutschte im Rekordtempo Richtung Keller. "Shutdown Bangkok", so der Titel des Demo-Dramas auf den Straßen der 10-Millionen-Metropole, die allein schon ein Drittel zur gesamten Wirtschaftsleistung des Landes beisteuert. Sie ist zudem Sitz von Regierung, Börse, Zentralbank sowie vieler, auch ausländischer, Unternehmen, Organisationen und Verbände in ihren an Manhattan erinnernden Bürokomplexen.

Warnungen werden lauter

Das Herz und das Nervenzentrum des Landes lahmgelegt, teilweise ausgeschaltet - und keiner weiß, wie und wann das aufhört. Ob es überhaupt ein normales, einer auslaufenden Welle vergleichbares Ende gibt oder das Ganze, wie so oft in der thailändischen Geschichte, mit einem Militärputsch "bereinigt" wird. Ängste, vage Hoffnungen, Lethargie, Euphorie, Fatalismus, Trotz, Aggressivität: Die ganze Gefühls-Skala wird hier ausgebreitet. Deshalb auch sind die jetzt immer deutlicher werdenden Warnungen vor schwerwiegenden Folgen für die Wirtschaft des Landes nur logisch. Warnungen vor einer Schwächung Thailands im südostasiatischen Wirtschafts-Verbund ASEAN; Warnungen vor den negativen Auswirkungen in den Beziehungen Thailands mit Europa, den USA und Japan, um nur drei Beispiele zu nennen.

Thailand Wirtschaft Überseehafen Laem Chabang
Thailands Überseehafen Laem ChabangBild: Reuters

Investoren könnten sich abwenden

Gefährdet wäre bei permanenter politischer Instabilität jener zehnte Platz der weltgrößten Auto-Hersteller, worauf das Land so stolz ist. Hierzu passt die etwas verschlüsselte, aber leicht zu dechiffrierende Aussage des Präsidenten von Toyota-Motor-Thailand, Tanada: "Japanische Manager sind sehr besorgt über das, was in Thailand passiert. Sie möchten ein schnelles Ende sehen, sonst sind sie gezwungen, ihre Investitionspläne zu überdenken", so der Japaner, der natürlich hierbei zuallererst an sein Unternehmen denkt. Politische Instabilität wirkt auf Investoren wie Giftspray auf Moskitos, sie bleiben weg oder verschwinden. Zuerst bekamen das Aktien und Währung zu spüren, so dass in den Wirtschafts-Zeitungen Thailands der Schreckensruf zu lesen war: "Thailand läuft das Geld davon".

Viele Touristen meiden Thailand

Tourismus-Branche in Gefahr

Kein Wunder, wenn die Regierung macht- und tatenlos den Demonstranten die Straßen Bangkoks überlässt, Regierungsbeamte zu Hause bleiben müssen, Ministerien nicht oder höchstens auf Sparflamme arbeiten. Dass die Polizei nicht eingreift, zuschaut, aus Angst, es könnte zu Gewalt-Ausbrüchen kommen, was wiederum das die Szenerie beobachtende Militär auf den Plan rufen könnte: Schon wäre er da, der Putsch. Jeder belauert jeden, die Demos gehen weiter, Verhandlungen, Kompromisse sind nicht in Sicht. Und die Ökonomen, Unternehmer und Wirtschaftsverbände des Landes melden sich beinahe täglich, verbreiten ihre Befürchtungen über die Medien, mahnen - weisen aber auch keinen machbaren Weg aus dem Dilemma. Die wichtige Tourismus-Branche sieht düstere Zeiten kommen. Zehn Prozent trägt sie zum Bruttosozialprodukt Thailands bei. Dieses sehen die Ökonomen in Schrumpfgefahr, sie prognostizieren für dieses Jahr einen Rückgang des Wirtschaftswachstums. Vor der jetzigen Krise rechnete man mit einem Plus von über fünf Prozent, nun erwartet man nur noch dreieinhalb.

Bangkok Einkaufszentrum
Blick in eine Shoppingmall in BangkokBild: Getty Images

Schreckens-Szenarien

Und die großen Einkaufszentren, Supermärkte und Fast-Food-Ketten? Auch hier betragen die Umsatzrückgänge schon jetzt nicht selten um die 50 Prozent. "Was sollen wir machen", klagt der Chef eines der größten Shopping-Zentren, "die Kunden bleiben weg, Sonder-Aktionen sind sinnlos, wir bitten unsere Mitarbeiter, ihren Jahresurlaub schon jetzt zu nehmen." Der Präsident des European-Asian-Business-Centers, der Deutsche Rolf-Dieter Daniel, äußert sich ähnlich wie der Toyota-Chef in Thailand zur Gefahr einer Abwanderung ausländischer Investoren." Die suchen sich dann andere Länder, Vietnam, Malaysia, Indonesien oder das erwachende Myanmar. Politische Instabilität löst ganz schnell Fluchtreflexe aus." Und er befürchtet: "Wenn wir hier keine Stabilität hinkriegen, keine klaren Rechtsverhältnisse mit Null-Korruption schaffen, dann wird sich Thailand außerhalb der internationalen Gemeinschaft wiederfinden."

Am 2. Februar soll es in Thailand Wahlen und dann eine neue Regierung geben - oder auch nicht. Die Demonstrationen werden friedlich enden - oder auch nicht. Einen Militär-Putsch wird es nicht geben - vielleicht aber doch. Alle Befürchtungen werden verfliegen - oder auch nicht. Das ist Thailand - heute.