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Frauenhandel in Aserbaidschan

Gesine Dornblüth3. Februar 2006

Je größer der Wohlstand eines Landes, desto höher ist die Nachfrage nach bezahlten Sexdiensten. Ein großer Teil der Zwangsprostituierten stammt aus Aserbaidschan. Dort war Frauenhandel lange Zeit ein Tabu-Thema.

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Frauenhandel -<br>Ein Problem nicht nur im KaukasusBild: picture-alliance / ZB

Mehriban Zeinalova zeigt auf eine Karte an der Wand. Mit der Hand sind darauf die Konturen verschiedener Staaten eingezeichnet. In der Mitte liegt Aserbaidschan. Ein Knäuel verschiedenfarbiger Linien verbindet die Südkaukasusrepublik mit Russland, mit den USA und Staaten in Westeuropa. Die unterschiedlichen Farben stehen für den Verkauf von Arbeitssklavinnen, für Handel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, für den Verkauf von Frauen durch Zwangsheirat oder für den Organhandel.

Folgt man den Linien auf der Karte, gehen aserbaidschanische Frauen als Arbeitssklavinnen vor allem nach Schweden, Kanada, Syrien und Russland. Zum Zweck von Organentnahmen werden sie nach Frankreich und in die USA gelockt. Mehriban Zeinalova hat diese Informationen über den Zeitraum von acht Jahren gesammelt. Solange schon leitet sie die Organisation "Clean World" in Baku.

Mehriban Zeinalova war eine der ersten, die das Thema "Frauenhandel" in Aserbaidschan offen ansprachen. Sie kümmert sich um die Opfer, vermittelt und sammelt Informationen über ein Problem, von dem die aserbaidschanischen Behörden lange behaupteten, es existiere gar nicht. Bis heute rührt es an Tabus.

Chauvinistische Männergesellschaft

"Zur Sexarbeit werden Frauen vor allem in die Türkei verkauft, nach Dubai, nach Pakistan, in den Iran und nach Russland", sagt Mehriban Zeinalova. Allein über die Türkei würden jeden Monat 500 Frauen aus dem Südkaukasus nach Dubai geschickt. Dahinter stünden manchmal Einzelpersonen, zum Beispiel enge Verwandte der Opfer, meist aber kriminelle Banden.

Mehriban Zeinalova ist eine kleine Frau, 50 Jahre alt, die lockigen Haare fallen ihr ins Gesicht, Lachfalten umrahmen ihre dunklen Augen. Bevor sie sich für Opfer von Frauenhandel engagierte, unterrichtete sie Klavier, leitete ein Museum und einen Kindergarten. Frauen, die nicht zu ihrer Familie zurückkönnen, bringt sie kurzentschlossen erst mal bei sich unter. "Die Frauen sind labil", erzählt Mehriban Zeinalova. "Aber vor allem sind sie natürlich unglücklich. Sie suchen sich selbst. Sie haben kein Selbstvertrauen. Sie wissen nicht, was sie tun müssen. Und oft geraten sie wieder in die Hände von Menschenhändlern. In dem Moment brauchen sie Unterstützung."

Doch das ist schwer. Über 40 Prozent der Bevölkerung Aserbaidschans leben unterhalb der Armutsgrenze. Zwar hat Aserbaidschan das Abkommen der Vereinten Nationen gegen Frauendiskriminierung unterzeichnet, doch noch immer sind es meist Frauen, die unter der Massenarbeitslosigkeit leiden. Obwohl Aserbaidschan fast 70 Jahre zur Sowjetunion gehörte und Gleichberechtigung der Geschlechter offiziell groß geschrieben wurde, hat sich, besonders auf dem Land, eine chauvinistische Männergesellschaft gehalten.

"Niemand nimmt Anteil"

Mehriban Zeinalova weist darauf hin, dass nicht nur Armut allein die Frauen dazu bringt, den falschen Versprechungen der Menschenhändler auf den Leim zu gehen: "Menschenhandel rührt nicht nur daher, dass die Frauen keine Arbeit haben. Wir haben noch ein anderes Problem: Dass keiner dem anderen zuhört. Dass niemand Anteil nimmt. Wenn irgendjemand rechtzeitig mit diesen Frauen geredet hätte und ihnen vielleicht einen anderen Ausweg aufgezeigt hätte, dann wären diese Tragödien nicht passiert."

Als Mehriban Zeinalova Ende der 1990er-Jahre begann, den Frauenhandel in Aserbaidschan zu thematisieren, wurde sie zunächst von den Beamten beschimpft. Sie verletze die Ehre des aserbaidschanischen Volkes, hieß es von Regierungsseite. Mittlerweile hat sich Mehriban Zeinalova einen Namen gemacht und Respekt verschafft. Einzelne Polizisten, Grenzbeamte und Staatsanwälte, die etwas an der Situation ändern wollen, reden mit ihr, suchen sogar ihren Kontakt.

Politische Fortschritte

Auch auf politischer Ebene gibt es Fortschritte: 2004 ordnete Staatspräsident Ilham Alijev einen Aktionsplan gegen Menschenhandel an. Das Parlament von Aserbaidschan hat ein Gesetz verabschiedet, das Menschenhandel unter Strafe stellt. "Damit hat der Staat jetzt wenigstens eingeräumt, dass es ein Problem gibt", erklärt Zeinalova. "Das ist eine Chance."

Im Innenministerium gibt es jetzt eine Abteilung zum Kampf gegen Menschenhandel. Bald wird das erste Frauenhaus in Aserbaidschan eingerichtet und ein telefonischer Notdienst. Gemeinsam mit internationalen Organisationen sollen Aufklärungsseminare durchgeführt werden. Und es werden Krisenzentren eröffnet, in denen Opfer von Menschenhandel psychologisch betreut werden.