Frauen vor!
4. Februar 2014Sie sind jung, schlau und wollen hoch hinaus. Bei Brötchen, Kaffee und Orangensaft debattieren 16 Nachwuchswissenschaftlerinnen der Universität Leipzig hinter verschlossenen Türen über das, was ihnen viel Freude, aber auch einige schlaflose Nächte beschert: ihre wissenschaftliche Karriere. Diesmal steht die Arbeitsweise einer sogenannten Berufskommission auf dem Programm. Die Atmosphäre ist locker, das Thema eher trocken - für die Frauen aber enorm wichtig, denn die Kommission entscheidet über die Vergabe einer Professur.
"Es kommt nicht nur auf den Forschungsinhalt an, man sollte sich auch mit der Hochschule beschäftigt haben und überlegen, wie man da als Mensch reinpasst", fasst Ursula Kania die Ergebnisse der Diskussion zusammen. Die 33-jährige Sprachwissenschaftlerin nimmt am Programm "Frauen in die Wissenschaft!" teil, das die Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt (KOWA) gemeinsam mit der Universität Leipzig vor zwei Jahren ins Leben gerufen hat. Es richtet sich an Frauen wie Ursula Kania.
Rütteln am Wunschtraum Wissenschaft
Die promovierte Sprachwissenschaftlerin steht mitten in der Post-Doc-Phase. Nach ihrer Promotion hat sie einen befristeten Vertrag bekommen, um an einem Forschungsprojekt mitzuarbeiten, das ihr den wissenschaftlichen Aufstieg ermöglicht. Häufig aber endet genau hier die Karriere für Frauen. Denn während in Deutschland noch jeder zweite Promovierende und jeder dritte Habilitierende weiblich ist, sitzt am Ende noch nicht einmal auf jedem fünften Professorensessel eine Frau. "Das wollen wir ändern", sagt Jana Wünsch, Leiterin der KOWA. Schließlich ist die Distanz zwischen den Geschlechtern nicht überall so groß wie in Deutschland. In Rumänien und Lettland zum Beispiel sind mehr als ein Drittel der Professuren von Frauen besetzt.
Ursula Kanias wissenschaftliche Karriere lief gut an. Am Ende ihres Studiums der Medienwissenschaft und Anglistik in Bochum bekam sie prompt eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle angeboten. Ein halbes Jahr später wechselte sie, gemeinsam mit ihrer Doktormutter, nach Leipzig. "Das war Luxus", erinnert sie sich. Auch nach der Promotion wurde ihre Stelle verlängert, sie konnte sich in Ruhe orientieren.
Familie als Karrierehindernis
Viele junge Frauen können das nicht, sie müssen sich mit Stipendien über Wasser halten. Hinzu kommt, dass sich auch bei den Wissenschaftlerinnen die Frage stellt, wie sie Familie und Uni-Karriere unter einen Hut bringen können. In Deutschland ist das noch immer schwierig, denn die Arbeitszeiten sind unregelmäßig, das Gehalt eines Post-Docs ist niedrig. Die Angebote für eine Kinderbetreuung sind dagegen rar und teuer. Der wissenschaftliche Anspruch an die jungen Wissenschaftlerinnen ist hoch. Sie sollen nicht nur forschen, sondern auch unterrichten und veröffentlichen. Daher gilt eine Familie oft als Hindernis, und die Frauen entscheiden bereits an dieser Schnittstelle ihrer Karriere, ob sie Familie haben und sich anders orientieren wollen oder weitermachen.
Ursula Kania musste sich darüber keine Gedanken machen. Sie hat zwar eine fünf Monate alte Tochter, aber diese wird von ihrer Lebensgefährtin betreut. Die Anglistin braucht keine Auszeit für das Kind nehmen und kann ohne Probleme um die Welt reisen, um auf Konferenzen Vorträge zu halten. Ein Traumjob, für den sie gerne Kompromisse macht. "Wenn ich aufsteigen will, muss ich mich auch ins Haifischbecken werfen und vielleicht irgendwann den Ort wechseln." Dann will sie gut gewappnet sein, nicht nur mit fachlichem Wissen.
Mut zum Aufstieg fördern
Deshalb kommt ihr das Programm "Frauen in die Wissenschaft!" gerade recht. In Workshops lernt sie Methoden wissenschaftlichen Arbeitens, aber auch, sich zu behaupten und ein Team zu leiten. Denn obwohl in den Geisteswissenschaften rund zehn Prozent mehr Frauen Professorinnen werden als in den Naturwissenschaften, bleibt die Hürde hoch. In technischen Fächern rutscht der Anteil der Professorinnen sogar unter zehn Prozent.
"Wir wollen die Frauen miteinander vernetzen", sagt KOWA-Leiterin Jana Wünsch. "Viele arbeiten oft für sich allein, weil sie sich häufiger als Männer über Stipendien finanzieren", erklärt Wünsch. Männer dagegen besetzten eher die Stellen, die aus den Haushalten der Universitäten finanziert würden, und seien so besser in den Hochschulalltag integriert. So könnten sie ihre Forschungsergebnisse öfter auf Konferenzen vorstellen.
Die KOWA-Leiterin weiß auch, dass Frauen dazu neigen, ihre eigenen Leistungen zu unterschätzen. Deswegen will sie generell die Aufstiegsbereitschaft fördern. Im Programm kann sich jede Teilnehmerin mit einem persönlichen Mentor austauschen, meist Professoren anderer Fachrichtungen. Im vergangenen Jahr war die Nachfrage groß, auch in diesem Semester gab es mehr Bewerberinnen als Plätze. Noch bis zum Ende des Studienjahres können sich Wissenschaftlerinnen im Programm der KOWA den Rücken stärken lassen. Ursula Kania hat dort vor allem gelernt, sich von Zweiflern nicht in die Knie zwingen zu lassen - eine sehr wichtige Erkenntnis auf dem Weg zur Professur.