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Französischer Charme für deutschen Handel

Andreas Noll12. Januar 2013

Alain Caparros zählt zu den Managern, die eine klare Sprache lieben. Seit 2006 leitet der Franzose den zweitgrößten Handelskonzern Deutschlands. Wer deutsche Tugenden schätzt, kann von ihm lernen.

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Porträt Alain Caparros (Foto: REWE)
Alain CaparrosBild: Rewe-Group

Nein, man kann wirklich nicht sagen, dass Alain Caparros deutsch aussieht. Und auch das Auftreten des REWE-Chefs ist es nicht: Die Krawatte bleibt in der Schublade, die bunte Brille und der knallige Schal machen es fast unmöglich, einen anderen Fixpunkt zu finden. Doch wenn der REWE-Chef zur Rede ansetzt, platzen sämtliche Klischees, noch ehe man sie sich in Erinnerung gerufen hat: "Die französische Elite ist geprägt von einer angeborenen Arroganz, die deutsche nimmt dagegen viel stärker ihr soziales Umfeld wahr. Sie hat eine große soziale Kompetenz." Wer sich mit Alain Caparros unterhält, hört viel Kritisches über seine Heimat.

Vor allem die Elite des Landes kommt bei ihm nicht gut weg. Dass Frankreich seine Führungskräfte aus wenigen Eliteschulen rekrutiert, hält er für fatal. Auch die Leistungsorientiertheit schon in frühester Jugend: "Mit der Wahl des Abiturzweigs wird in Frankreich bereits im Alter von 14 eine zentrale Entscheidung für die spätere Karriere gefällt." Denn bis heute folgt die Karriere in Frankreich einem zentralen Muster: prestigeträchtiges Abitur, bestandener Concours (Auswahltest) für eine Eliteschule und dann der Sprung an die Spitze von Politik und Wirtschaft. Spätstarter und Seiteneinsteiger gehen häufig leer aus.

Das deutsche Management-ABC lernt er bei ALDI

Alain Caparros ist zwar kein Spätstarter, aber wohl auch keiner, der immer den geraden Weg ohne Abzweigungen nimmt. Die Wahl des Kölner Handelsunternehmens, ihn zum Chef zu machen, kommentiert der 56-Jährige heute rückblickend ziemlich trocken: "Die Entscheidung ist nicht gefallen, weil ich der Beste war, sondern der Einzige. Das ist manchmal ausreichend." Und sie hat sich für Caparros und REWE ausgezahlt. Der Franzose brachte den kriselnden Konzern wieder auf Vordermann.

Eine Kundin trägt eine Rewe-Tüte (Foto: Rolf Vennenbernd dpa)
Unter Caparros erfolgreich: Supermärkte von REWEBild: picture-alliance/ dpa

Seit 2006 steht er an der Spitze des zweitgrößten deutschen Lebensmittelhändlers. Seine deutsch-französischen Managererfahrungen gehen allerdings deutlich weiter zurück. Geprägt haben ihn vor allem die sechs Jahre bei Aldi-Nord, in denen er als Generaldirektor die Aktivitäten in Frankreich leitete. Eine schwierige Mission, gelten doch die Franzosen als Discountmuffel. Doch das Einkaufsverhalten gleiche sich zunehmend an, glaubt Genussmensch Caparros. Gerade jüngere Franzosen wagen also zunehmend den Gang zum Discounter, und die Deutschen entscheiden nicht mehr ausschließlich nach dem Preis, was in den Einkaufswagen kommt, sondern verlangen eine bessere Qualität. "Ein Franzose gibt heute nur noch 50 Euro im Monat mehr für Lebensmittel aus als ein Deutscher."

Jugend in Lothringen

Eigentlich wollte Caparros Pfarrer werden. Zumindest ist das sein Berufswunsch, nachdem seine Familie nach der Unabhängigkeit Algeriens 1962 von dort nach Frankreich übersiedeln musste und Alain in Lothringen die Schulbank drückt. Es kommt anders. Er studiert in Metz und Saarbrücken Betriebswirtschaft und beginnt seine Karriere beim Kosmetikunternehmen Yves Rocher. Frankreich, Schweiz, Deutschland: Caparros war in seiner Karriere schon an vielen Standorten.

Fischtheke eines Supermarkts (Foto: dpa)
Noch ist das Lebensmittelangebot in Frankreich vielfältigerBild: picture-alliance / dpa

Mit seiner zweiten Frau hat er sich nun aber schon so lange in Düsseldorf niedergelassen, dass er sich sogar danach erkundigt hat, wie man die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben kann. Aber der sonst die schnellen Entscheidungen schätzende Manager, ist noch unschlüssig. "Ich bin in einem Reifungsprozess. Ich wäge noch ab." Wer sich überrascht zeigt über die innige Beziehung des Managers zu seinem Gastland, dem antwortet er mit einer Beobachtung aus dem Bekanntenkreis. Seine französischen Freunde hätten alle in den ersten 12 bis 18 Monaten in Deutschland große Schwierigkeiten gehabt, "die Sprache, sie müssen bei Rot bremsen und nicht Gas geben, sie müssen Fußgänger beachten. Aber wenn sie sich daran gewöhnt haben, wollen sie nicht mehr zurück."  Anders dagegen die Franzosen in Frankreich. Sie hätten ein abstraktes Bild vom Nachbarn, das geprägt sei von dem Blick auf die mächtige Autoindustrie und der zentralen Rolle Deutschlands im Eurokrisenmanagement: "Sie sehen Divisionen auf sich zukommen – natürlich nicht militärisch, sondern im wirtschaftlichen Sinne."

Plädoyer für die Mitbestimmung

Und was überzeugt den Manager am deutschen Wirtschaftsmodell? Einen Großteil seiner Zeit habe er in Frankreich als Manager benötigt, um soziale Probleme zu lösen. "Das deutsche Mitbestimmungsmodell hingegen spart Zeit, Energie und viel Geld. Dass man die Arbeitnehmervertreter beteiligt am Entscheidungsprozess, ist ein großer Vorteil, den Frankreich nicht hat." Am Ende, so Caparros, seien die deutschen Gewerkschaften dadurch auch einflussreicher als die französischen, die vor allem durch ihre Lautstärke auf sich aufmerksam machten.

Generalstreik in Marseille (Foto:REUTERS/Jean-Paul Pelissier)
In Deutschland die Ausnahme, in Frankreich die Regel: StreiksBild: Reuters

Was seine persönliche Zukunft anbelangt, so dürfte die zumindest mittelfristig weiter in Deutschland liegen. Man habe es ihm hier immer leicht gemacht. "Die Deutschen mögen Frankreich und die Franzosen. Ich weiß nicht, vielleicht liegt das am französischen Akzent", sagt er mit typisch französischem Klang in der Stimme. Eines seiner drei Kinder allerdings versucht sein Glück in Frankreich – und hat in Paris nach einer Ausbildung an einer Eliteuni den ersten Job angenommen. Und Caparros? Will er mit REWE auch noch Frankreich erobern? Der rhetorisch geschulte Jesuiten-Schüler antwortet mit einem überdeutlichen Augenzwinkern: "Das überlasse ich natürlich meinem Nachfolger…"