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Unter Druck gesetzt

Frank Sieren, DW Peking10. Februar 2014

Die USA wollen mit Hilfe von Fracking ihre Wirtschaft neu erfinden. Dass sie dadurch Chinas Aufholjagd ausbremsen können, ist allerdings unwahrscheinlich.

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Fracking in den USA. Foto: Reuters/Rick Wilking
Bild: Reuters

Wären die USA ein börsennotiertes Unternehmen, hätte man sich zumindest als spekulativer Anleger in den letzten Jahren ruhig ein paar Anteilscheine zulegen können. Klar, die Zahlen sind zwar miserabel. Ein Rekord-Schuldenberg von über 13 Billiarden US-Dollar ist nicht besonders überzeugend. China ist der größte Gläubiger der USA. Und auch die Arbeitslosigkeit will einfach nicht zurückgehen. Aber an der Börse geht es nicht nur um das Hier und Jetzt. Gehandelt wird die Zukunft. Und was die angeht, haben die Politiker wieder eine hoffnungsvolle Story parat, die dem unaufhaltsamen Aufstieg Chinas Paroli bieten soll: Fracking heißt das Zauberwort.

Rückkehr an die Spitze dank Fracking?

Das ist eine Methode, mit Wasser und Chemikalien unter hohem Druck Gas, aber auch Öl aus tiefen Gesteinsschichten zu pressen. Von dem sogenannten Schiefergestein gibt es in den USA jede Menge. Teure Militäreinsätze im Nahen Osten, die bisher den Ölnachschub sicherten, könnten so der Vergangenheit angehören, schwärmen Befürworter. Mehr noch: Die Energie wäre bald so günstig, dass Unternehmen aus aller Welt in Scharen in die Staaten kommen würden, um dort zu produzieren. Amerikanische Politiker hielten dies für einen "game-changer", also eine überraschende Wendung der Geschichte, die Amerika wieder in allen Bereichen an die Spitzen zurückkehren lässt.

Selbst China, die schon jetzt zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, solle so noch über viele Jahrzehnte auf Distanz gehalten werden können. In seiner Rede zur Lage der Nation versprach US-Präsident Barack Obama zuletzt sogar, dass nicht mehr China, sondern die USA in diesem Jahr das Land sein werde, in dem Investoren ihr Geld am liebsten anlegen wollen. Die USA sei die Wirtschaft, die am besten von allen auf das 21. Jahrhundert vorbereitet sei.

Neuerfindung mit Hindernissen

Um auf den Vergleich mit der Börse zurückzukommen: Klingen die Versprechen und Visionen eines Firmenchefs plötzlich zu schön um wahr zu sein, dann ist es höchste Zeit auszusteigen. Auch im Fall der USA wird immer offensichtlicher: Nicht jede gute, überzeugend vorgetragene Idee kann am Ende davor bewahren, doch vom Wettbewerber eingeholt zu werden.

Frank Sieren Kolumnist Handelsblatt Bestseller Autor China
Frank Sieren, DW-Korrespondent in PekingBild: Frank Sieren

Fest steht: Die so oft beschworene Neuerfindung des Landes ist gewaltig ins Stocken geraten. Und wo die Investoren herkommen sollen, die lieber in den USA als im Reich der Mitte ihr Geld anlegen wollen, ist ebenfalls ein großes Rätsel. Ausgerechnet die bejubelte Fracking-Branche muss das ernüchtert feststellen. Internationale Firmen haben offenbar schon wieder die Lust am Fracking in den USA verloren. Nach jüngst vorgelegten Zahlen haben diese im Jahr 2013 nur noch 3,4 Milliarden Dollar in den USA in Fracking investiert. 2012 waren es noch sieben Milliarden Dollar. Und im Jahr 2011 steckten die Unternehmen sogar 35 Milliarden Dollar in die Boomindustrie.

Zunehmende Konkurrenz

Zum einen hängt das zurückgegangene Interesse natürlich damit zusammen, dass bereits viele Unternehmen auf dem Markt aktiv sind. Der Weltmarktpreis für Schiefergas hat sich deshalb in den letzten Jahren mehr als halbiert, was weitere Investitionen erst einmal nicht so attraktiv macht. Wichtiger jedoch: Die Konkurrenz schläft nicht.

Zwar haben die Amerikaner die Schiefergastechnologie erfunden. Das heißt aber nicht, dass sich nicht auch andere Staaten die Technik zu Nutze machen. Ganz vorne dabei ist China, in dessen Erdreich nach internationalen Schätzungen die weltweit größten Vorkommen von Schiefergas lagern. Natürlich haben die USA beim Abbau einen technologischen Vorsprung. Aber auch hier stellt sich genau wie in anderen Branchen wieder nur die alte Frage: Wie schnell kann China technologisch auf Augenhöhe gelangen?

Schnelle Aufholjagd

Chinas nationale Ölunternehmen kaufen sich in nordamerikanische Firmen ein, die Erfahrung im Fracking haben. Bis 2015 plant China, 6,5 Milliarden Kubikmeter zu fördern. 2020 sollen es bereits 100 Milliarden Kubikmeter jährlich sein. In den USA waren es allerdings 2011 schon 170 Milliarden. Doch China macht Tempo: Allein im vergangenen Jahr wurde sieben Mal so viel Schiefergas produziert, wie im Jahr zuvor. Es wird also eine Aufholjagd, in der China westliche Technologie gegen Anteile an seinem lukrativen Markt tauschen muss. Das scheint auch diesmal gut zu funktionieren: Der amerikanische Ölkonzern Exxon hat bereits den Auftrag, gemeinsam mit der chinesischen China Petrochemical Corporation Schiefergas in China zu fördern.

Und es gibt einen gewichtigen Grund, warum auch andere Förderunternehmen ihre Technologie im chinesischen Markt schneller und intensiver einsetzen werden als in den USA. Leider, muss man sagen, hat China in der Bevölkerung mit weniger Umweltbedenken zu kämpfen als die USA. In China gibt es bisher kein Gesetz zum Schutz des Grundwassers vor Fracking. Das Verfahren braucht zehnmal mehr Wasser als herkömmliche Fördermethoden. In den USA hat sich deshalb bereits eine mächtige Gegenbewegung entwickelt, die alles daran setzen wird, die Branche im eigenen Land auszubremsen. Von einem "game-changer" im Wettbewerb zwischen China und den USA kann deshalb keine Rede mehr sein.