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"Brown-Bag-Seminare"

Bianca von der Au25. Juni 2013

Erst wird die braune Papiertüte mit dem Essen ausgepackt und dann wissenschaftlich debattiert - die "Brown-Bag-Seminare" aus den USA liegen auch in Deutschland im Trend. Zum Beispiel an der FH Frankfurt.

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Brown Bag-Seminar an der FH Frankfurt (Foto: DW/Bianca von der Au)
Bild: Bianca von der Au

Mit Pizza und Burger im Mund über hochwissenschaftliche Themen debattieren, damit tun sich deutsche Studenten offensichtlich schwer. Wer an der Frankfurter Uni auf die wohlverdiente Mittagspause verzichtet und zum "Brown-Bag-Seminar" erscheint, hat keine braune Papiertüte mit Essen dabei, noch nicht einmal eine Brotdose. Die Studenten und Dozenten waren entweder schon in der Mensa oder sie gehen erst nach dem Vortrag essen.

"Während des Vortrags in ein Brötchen beißen – dafür ist in Deutschland vermutlich der Respekt vor den Vortragenden zu groß", vermutet Andrea Ruppert, geschäftsführende Direktorin des Instituts für wirtschafts- und rechtswissenschaftliche Forschung der Fachhochschule Frankfurt und Initiatorin der "Brown-Bag"-Reihe. Um den Studierenden die Hemmungen zu nehmen, wickelt sie ihr Butterbrot aus der Alufolie und beißt herzhaft hinein. Schließlich macht das gemeinsame Essen den Charakter eines echten "Brown-Bag-Seminars" aus.

Vorbild Australien und USA

Die Professorin für Wirtschaftsrecht kennt "Brown-Bag-Seminare" von ihrem Forschungsaufenthalt in Australien. Dort sind diese offenen Kurz-Vorträge schon längst üblich, genau wie in anderen englischsprachigen Ländern. Ziel ist es, dass sich Studierende und Mitarbeiter eines Fachbereichs über ihre Forschungsaktivitäten austauschen und das in einer informellen Atmosphäre – eben in der Mittagspause. "Unsere Studierenden sollen mitkriegen, was außerhalb der Lehre hier an der FH geforscht wird", betont Andrea Ruppert.

Eine Papiertüte und ein Apfel liegen auf einem Stapel Bücher (Foto: Fotolia/Matthew Benoit)
Bild: Matthew Benoit/Fotolia

Während sich die Professorin ihr mitgebrachtes Mittagessen schmecken lässt, berichtet Kollegin Isabella Anders-Rudes, Professorin für Wirtschaftsprivatrecht an der FH Frankfurt, über "Außergerichtliche und gerichtliche Konfliktförderung" – ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das vom Bundesland Hessen gefördert wird.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich hier nichts von einer ganz normalen Vorlesung, bei der eine Dozentin etwas erzählt und die Studierenden mehr oder weniger aufmerksam zuhören. Aber etwas ist anders: für das "Brown-Bag-Seminar" gibt es keine Punkte oder Noten, es ist also keine Pflichtveranstaltung. Die Studierenden kommen freiwillig her – einfach, weil es sie interessiert.

Chance auf einen "Blick über den Tellerrand"

Elias Spreiter etwa nimmt schon am dritten "Brown-Bag-Seminar" teil. Eigentlich studiert er Geomatik-Ingenieurswesen. "Ich finde es aber interessant, die Möglichkeit zu bekommen, über den Tellerrand zu schauen und mir so andere Themen anzueignen." Bisher ist Elias allerdings eine Ausnahme. Meistens kommen Studierende in die Seminare, die dem gleichen Fachbereich angehören wie die vortragenden Dozenten und Professoren.

Initiatorin Andrea Ruppert bedauert das. Sie vermutet, dass die "Brown-Bag-Seminare" noch nicht bekannt genug sind. Wer sich aber darauf einlasse, der sei davon angetan, sagt Ruppert. Auch von den Vortragenden selbst hat sie bisher nur Positives gehört. "Die Kollegen finden es sehr gut, dass sie über Zwischenstände aus ihren Forschungsprojekten berichten können und hausintern erste Ergebnisse verstellen können, bevor sie damit an die Öffentlichkeit gehen."

Die Initiatorin der Brown-Bag-Seminare, Andrea Ruppert, Professorin für Wirtschaftsprivatrecht an der FH Frankfurt (Foto: DW/Bianca von der Au)
Prof. Andrea Ruppert hat die Seminare initiiertBild: Bianca von der Au

Vernetzung mit anderen Fachbereichen

Andrea Ruppert weist darauf hin, dass "Brown-Bag-Seminare" auch für diejenigen hilfreich sein können, die selbst noch nie geforscht haben. "Damit sie ein Gefühl dafür bekommen, was auf sie zukommt, wenn sie sich in Richtung Forschung begeben." Die vortragenden Dozenten und Professoren dagegen hoffen auf eine bessere hausinterne Vernetzung mit Forschern aus anderen Fachbereichen.

So wie Isabella Anders-Rudes. Sie betont am Ende ihres Vortrages, dass nicht nur unter den Juristen intensiv über Konfliktlösungsstrategien nachgedacht wird. "Auch im Bereich der Betriebswirtschaftslehre ist das ein großes Thema, und da könnten sich interessante Synergien bilden."