1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Flüchtlingshilfe über Glaubensgrenzen hinweg

Gabriel Jezek20. Februar 2014

Fremd, aber nicht allein gelassen: In Putzbrunn bei München leben seit über einem halben Jahr zwei Flüchtlingsfamilien im alten Pfarrhaus. Auch bei den Sorgen und Nöten des Alltags helfen engagierte Christen.

https://p.dw.com/p/1BBw6
Klassenzimmer (Foto: Katharina Kurtz)
Alphabetisierungskurs im ökumenischen Pfarrzentrum PutzbrunnBild: DW/K.Kurtz

"Apfel...Äpfel" tönt es durch das Treppenhaus im ökumenischen Gemeindezentrum in Putzbrunn bei München. Drei Frauen und vier Männer sind an diesem verregneten Mittwochmorgen in den kleinen Gruppenraum gekommen, wo sich sonst die Messdiener treffen. Gleich neben der Frau mit dem schwarzen Kopftuch sitzt Adnan. Hochkonzentriert notiert er sich jedes Wort, das an die Tafel geschrieben wird. "Sprechen fällt mir leichter als lesen und schreiben", sagt der 35-Jährige. Vor vier Jahren ist er mit Frau und fünf Kindern mit dem Auto aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet. Er und seine Familie gehören der Religionsgemeinschaft der Jesiden an, die auch in Syrien zu finden ist. Wieso er flüchten musste, will er nicht sagen.

Flüchtlinge aus der Isolation holen

An der Tafel steht Irene Martius. Die Dozentin für "Deutsch als Fremdsprache" gehört zum Helferkreis der katholischen Kirchengemeinde St. Stephan. 25 Frauen und Männer packen da an, wo Neuankömmlinge Hilfe brauchen – ohne Geld dafür zu bekommen. Der Alphabetisierungskurs steht unter dem Motto "Lernen wie die Kinder". Denn viele Flüchtlinge haben in ihrer Heimat nie eine Schule besucht. "Sie hören und sprechen nach", erklärt Martius ihr Unterrichtskonzept. Die Flüchtlinge sollen sprachlich fit für den Alltag gemacht werden - egal ob an der Supermarktkasse oder beim Smalltalk über das Wetter. "Wir wollen die Leute aus der Isolation rausholen."

Diakon und Flüchtling im Gespräch (Foto: Katharina Kurtz)
Diakon Karl Stocker berät Adnan Hussein IdoBild: DW/K.Kurtz

Flüchtlinge wie Adnan aus der Isolation herausholen, das organisiert Diakon Karl Stocker. "Die Flüchtlinge sollen sich hier integrieren und lebenstüchtig werden", sagt der zweifache Familienvater, der 2001 zum katholischen Diakon geweiht wurde. Er war es auch, der Adnans Familie im Juni vergangenen Jahres in das alte Pfarrhaus holte. Das Haus mit dem roten Ziegeldach und den grünen Fensterläden beherbergt mittlerweile zwei Familien auf rund 140 Quadratmetern.

Altes Pfarrhaus in Putzbrunn bei München (Foto: Katharina Kurtz)
Das Pfarrhaus als Unterkunft für irakische FlüchtlingeBild: DW/K.Kurtz

Kirche muss für die Menschen da sein

Die Idee zur Umnutzung kam Anfang 2013: In Putzbrunn hatte es Protest gegen den Bau einer neuen Asylbewerberunterkunft gegeben. 60 Flüchtlinge sollten in der Gemeinde mit 6.000 Einwohnern untergebracht werden. Der Protest gegen das geplante Flüchtlingsheim hat Diakon Stocker und die Mitglieder des Pfarrgemeinderates dazu motiviert, dem Bundesland Bayern das leerstehende Pfarrhaus für die Unterbringung von Asylbewerbern anzubieten. "Man darf sich nicht in die Kirche zurückziehen, zum diakonischen Amt gehört auch, für die Menschen da sein." Aber auch in der Kirchengemeinde hatte es zunächst kritische Stimmen gegen die Unterbringung der Flüchtlinge gegeben. Diakon Stocker und seine Mitstreiter verteilten Infoblätter und riefen die Initiative "Tolerantes Putzbrunn" ins Leben. Das Aktionsbündnis will über die Unterbringung von Asylbewerbern informieren und Neuankömmlingen helfen. "Wir müssen als Christen authentisch bleiben", sagt Stocker.

Seine private und berufliche Zukunft sieht Adnan in Deutschland. Er hat einen Job in einer Reinigungsfirma in Aussicht. In seine alte Heimat möchte er nicht mehr zurück. Dort gebe es zu viele Probleme, anders hierzulande: "Schule, Kindergarten und die Leute, alles ist gut". Für seine Kinder ist Deutschland längst zu einer neuen Heimat geworden: "Meine Kinder sprechen mittlerweile besser Deutsch als Kurdisch."