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"Fliegende Provokation" in Belgrad

15. Oktober 2014

Ein Spielabbruch hat die Qualifikationspartie zur Fußball-Europameisterschaft zwischen Serbien und Albanien überschattet. Der Zwischenfall belastet die ohnehin schon angespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern.

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Der serbische Bundesliga-Profi Stefan Mitrovic nimmt die "großalbanische" Flagge in Belgrad an sich (Foto: reuters)
Bild: Reuters/Marko Djurica

Es waren keine 45 Minuten gespielt, da beendete der englische Schiedsrichter Martin Atkinson die bis dahin torlose Partie zwischen Serbien und Albanien in Belgrad. Vorausgegangen waren chaotische Zustände auf dem Feld und den Rängen. Ausgelöst hatte sie ein ferngesteuertes Modellflugzeug, das mit einer "großalbanischen" Flagge über das Stadion geflogen war. Zwischen Spielern beider Teams kam es zu einem Handgemenge, nachdem der serbische Bundesliga-Profi Stefan Mitrovic vom SC Freiburg die provozierende Fahne an sich genommen hatte. Aufgebrachte Zuschauer stürmten den Platz und griffen vereinzelt albanische Spieler an, die sich in die Umkleideräume retten wollten. Das Spiel wurde auch nach einer Stunde Unterbrechung nicht wieder angepfiffen, weil sich die Gästemannschaft wiegerte, den Platz wieder zu betreten.

Verantwortlich für den provozierenden Flug soll serbischen Medienberichten zufolge der Bruder des albanischen Regierungschefs Edi Rama gewesen sein. Er soll das Modellflugzeug aus dem VIP-Bereich gesteuert haben. Laut dem Fernsehsender RTS wurde er noch im Stadion festgenommen. Regierungsnahe Kreise aus Albanien dementierten allerdings eine Verhaftung Olsi Ramas. Inzwischen ist der Präsidentenbruder, der einen US-Pass besitzt, wieder auf freiem Fuß. Er hat das Land offenbar noch in der Nacht gemeinsam mit der albanischen Fußball-Nationalmannschaft verlassen. Die Europäische Fußballunion UEFA wollte sich zur Schuldfrage bislang nicht äußern. Die Disziplinarkommission prüfe die genauen Umstände, teilte der Verband mit.

Die an einem Modellflugzeug befestigte "großalbanische" Flagge sorgte in Belgrad für eine Spielabbruch (Foto: reuters)
Auslöser der Ausschreitungen: die "großalbanische" FlaggeBild: Reuters/Marko Djurica

Auf dessen Empfehlung waren keine albanischen Anhänger zu dem Länderspiel gereist. Im Gegenzug sollten auch keine serbischen Fans zum Rückspiel 2015 nach Tirana reisen. Wegen der politischen Feindschaft zwischen Serben und Albanern gelten die Partien als Spiele mit hohem Sicherheitsrisiko.

Belastete Beziehungen

Hintergrund sind die belasteten Beziehungen zwischen beiden Nationen. Der Konflikt um den Status des mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Kosovo hatte 1999 zu einem Krieg zwischen der kosovarischen Untergrundarmee UCK und der Regierung in Belgrad geführt. Der sogenannte Kosovo-Krieg, in den auch die NATO mit Luftangriffen gegen Serbien eingriff, endete mit dem Abzug der serbischen Truppen aus dem Kosovo und der Stationierung der NATO-Truppe KFOR. Im Jahr 2008 hatte das Kosovo seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Belgrad erkennt diese nicht an. Die serbische Regierung betrachtet das Kosovo weiterhin als einen Teil Serbiens, auch wenn sie keine Kontrolle mehr über das Gebiet ausübt.

Aufgebrachte Zuschauer stürmen den Platz in Belgrad (Foto: reutuers)
Aufgebrachte Zuschauer stürmen den Platz in BelgradBild: Reuters/Marko Djurica

Im April 2013 hatten die Regierungen Serbiens und des Kosovo unter Vermittlung der Europäischen Union ein Abkommen zur Normalisierung der beiderseitigen Beziehungen beschlossen. Die EU hatte die Einigung zur Bedingung dafür gemacht, dass sich die beiden südosteuropäischen Länder der EU annähern dürfen

Sorgen bereiten serbischen Politikern allerdings Teile der albanischen Minderheit im südlichen Teil des Landes, die mehr Autonomie fordern. Albanische Nationalisten streben einen "großalbanischen" Staat an, dem neben dem heutigen Albanien auch das Kosovo und die albanischen Gemeinden in Südserbien, Mazedonien und Montenegro angehören.

Der Zwischenfall überschattet den geplanten Besuch von Ministerpräsident Rama in Serbien, der als erster albanischer Regierungschef am 22. Oktober nach Belgrad reisen will. Bei den Gesprächen mit dem serbischen Ministerpräsidenten Aleksandar Vucic soll es auch um das Kosovo gehen.

sp/kle (afp/sid)