1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Flagge zeigen in Donezk unter Polizeischutz

Roman Goncharenko18. April 2014

Pro Russland? Nein, danke! Rund zweitausend Menschen haben in Donezk für die Einheit der Ukraine demonstriert. Sie waren geschützt von fast genauso vielen Polizisten. Zusammenstöße blieben diesmal aus.

https://p.dw.com/p/1BkW1
Demonstration von Unterstützern der ukrainischen Regierung in Donezk (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Der Siegespark in Donezk glich einer Festung. Weit über tausend Polizisten, mehrere in Kampfmontur, riegelten den kleinen Platz vor einem Jugendzentrum komplett ab. Es gab sogar ein paar Polizisten auf Pferden, die mit ihren grellgelben Westen ziemlich exotisch aussahen. Mehrere Krankenwagen und Teams von freiwilligen Sanitätern warteten auf den Einsatz. Am Ende waren sie sichtbar erleichtert, dass ihre Dienste nicht gebraucht wurden. Die Kundgebung für die Einheit der Ukraine verlief an diesem sommerlich warmen Donnerstagabend (17.04.2014) friedlich.

Wer mit Kiew sympathisiert, lebt gefährlich

Die massive Polizeipräsenz war keineswegs übertrieben. "Ich hatte Angst, hierher zu kommen", gab Ljudmyla, eine gut gekleidete Frau Anfang fünfzig, zu. Sie arbeitet als Mathelehrerin an einer Schule und kam zu der Kundgebung mit drei Kolleginnen. In ihren Händen hielten sie blau-gelbe Fähnchen der Ukraine.

Wer das in Donezk tut, riskiert sein Leben. Die Millionenmetropole im Herzen des Kohlereviers Donbas gilt als prorussisch. Menschen, die sich öffentlich zur Ukraine bekennen oder die ukrainische Sprache sprechen, werden beschimpft, angepöbelt und nicht selten zusammengeschlagen. "Ich habe manchmal Angst, auf der Straße Ukrainisch zu sprechen", berichtet Ljudmyla. Bei einer proukrainischen Kundgebung Mitte März wurde ein junger Mann erstochen, etliche Personen wurden verletzt.

Russische Fahne an Gebietsverwaltung

Seit dem Machtwechsel in Kiew ist die Stimmung besonders angespannt. Die meisten Bewohner in Donezk haben die Regierung des inzwischen nach Russland geflüchteten Präsidenten Viktor Janukowitsch unterstützt, der selbst aus dieser Region stammt. Die neue Regierung in Kiew ist vielen suspekt.

Donezk war die erste von inzwischen einem Dutzend Städte in der Ostukraine, in denen zum Teil bewaffnete prorussische Separatisten seit Wochen Gebietsverwaltungen und Polizeiwachen besetzt halten. Sie haben ukrainische Fahnen auf den Fassaden abgenommen und russische Trikolore gehisst. In Donezk haben prorussische Aktivisten die sogenannte "Donezker Volksrepublik" ausgerufen und fordern ein Referendum über mehr Autonomie. Manche wollen einen Anschluss an Russland wie auf der Krim.

Pro-russische Proteste in Donezk (Foto: Reuters)
Eher das gewohnte Bild in Donezk: Aktivisten mit russischer FlaggeBild: Reuters

Auch sie werden von der Polizei bewacht, allerdings in einer deutlich geringeren Zahl. Nur ein paar Streifenwagen stehen neben dem besetzten Gebäude der Gebietsverwaltung. Niemand hat bisher versucht, das Hochhaus zu stürmen.

Anfeindungen gegen Demonstranten

Und doch gibt es auch in Donezk Menschen, die weder eine Autonomie innerhalb der Ukraine, noch einen Anschluss an Russland suchen. Umfragen zufolge will die Mehrheit den Status Quo behalten. Auf die Straße gehen und das offen sagen allerdings nur ganz wenige. Es sind meistens gut gebildete und junge Leute, wie Maxim und seine Freundin Natalia. "Wir wollen in einer unabhängigen europäischen Ukraine leben", sagt Maxim. Beide halfen mit, als auf der Kundgebung eine gigantische ukrainische Fahne ausgerollt und über den Köpfen der Menschen ausgebreitet wurde.

Nach rund einer Stunde war die Kundgebung im Siegespark zu Ende. Menschen mit ukrainischen Fahnen gingen in Kolonnen durch die Straßen. Vorbeifahrende Autos hupten, um Solidarität zu signalisieren. "Das haben wir in Donezk lange nicht mehr gesehen", sagte ein junger Demonstrant stolz zu seinen Freunden. Alle lächelten und riefen "Ruhm der Ukraine". Das ist der Schlachtruf der Protestbewegung auf dem Maidan in Kiew.

Doch dann holte die Wirklichkeit die Demonstranten schnell ein. An einer Straßenkreuzung trafen sie auf ein paar Frauen mittleren Alters. Diese schimpften auf Demonstranten. "Schade, dass eure Mütter keine Abtreibung gemacht haben", giftete eine der Damen die jungen Leute an. Dann kamen noch derbere Sprüche. Die Demonstranten zogen wortlos vorbei.