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Flüchtlingsdrama in Kundus

Waslat Hasrat-Nazimi, Mohammad Saber Yosofi4. Mai 2015

Etwa 15.000 Menschen sind derzeit in der Provinz Kundus vor den Kämpfen zwischen Taliban und Regierungstruppen auf der Flucht. Regierung und internationale Organisationen sind überfordert.

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Afghanische Flüchtlinge (Foto: Majeed/AFP/Getty Images)
Bild: Majeed/AFP/Getty Images

Zu Hunderten sind die Flüchtlinge in den vergangenen Tagen in die Stadt gewandert. Nur wenige konnten mehr als ihr nötigstes Hab und Gut mitnehmen. Jetzt stehen sie in der brennenden Sonne und warten darauf, dass die vor einer Woche ausgebrochenen Kämpfe zwischen Extremisten und Regierungstruppen aufhören und dass wieder Normalität einkehrt. Viele Kinder laufen lachend umher und spielen, trotz der Not.

Eine Frau hat sich ihr schwarzes Kopftuch fest um den Kopf gebunden. Ihre müden Augen blinzeln gegen das Licht. Es ist eine Woche her, dass Nazgul ihr Zuhause im Bezirk Gul Tepa verlassen musste. Mit ihrem körperlich behinderten Mann und den drei Kindern sucht sie in Kundus Sicherheit. "Wir sind und hungrig und obachlos“, sagt sie. "Wo wir herkommen, gab es nichts mehr zu essen und nichts zu trinken. Nur Gewehrfeuer und Asche und Staub, nachdem unsere Häuser zerstört wurden.“ Während Nazgul spricht, sind Explosionen zu vernehmen. Zwar ist die Stadt Kundus noch relativ sicher, aber die Kämpfe vor den Toren der Stadt sind auch hier nicht zu überhören.

Afghanischer Soldat in Kundus auf seinem Posten (Foto: picture-alliance/epa/J. Karger)
Versprechen von Sicherheit - Afghanischer Soldat in Kundus auf seinem PostenBild: picture-alliance/epa/J. Karger

Ruf nach Hilfe

Mehr als 3000 Familien in Kundus sind nach Angaben der afghanischen Stammesführer geflohen. Die Dorfbewohner in den umkämpften Bezirken wurden am Wochenende von den afghanischen Behörden aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Die Zahl der Flüchtlinge wird auf 15.000 Menschen geschätzt. Die Sicherheitsbehörden bestätigen die Flüchtlingsströme. Über die genaue Situation und darüber, wie die Zukunft dieser Menschen aussehen soll, machen sie jedoch keine Aussagen. Die unsichere Lage und die Kämpfe zwischen Aufständischen und afghanischen Sicherheitskräften forderten ihren Preis, so Mohammad Yusuf Ayubi, Provinzratschef in Kundus. Der Provinzrat versuche, Hilfe von der Regierung in Kabul und von Hilfsorganisationen zu bekommen.

Bislang gibt es keine staatliche Unterstützung für die Flüchtlinge. Wer nicht bei Verwandten unterkommen kann, wird obdachlos oder lebt in Zelten. Es sei aber nicht nur schnelle finanzielle Hilfe gefragt, sagt Habibullah Muhtasham, Bezirkschef aus Qala-i-zal Muhtasham. "Die Verantwortlichen der internationalen Organisationen sollten den Binnenflüchtlingen Schutz bieten, ihnen aber auch längerfristige Perspektiven anbieten", so Muhtasham. Nur so könne eine Flüchtlingskrise verhindert werden.

Afghanen auf abgeerntetem Weizenfeld (Foto AP)
Flüchtlinge können sich nicht um die Ernte kümmernBild: AP

Jenseits von Kabul

Die Krise wird von der brachliegenden Landwirtschaft begünstigt. "Bald ist die Ernte fällig", sagt Mohammad Amir. "Das Getreide vertrocknet. Wir können es uns nicht leisten, von den Feldern fern zu bleiben." Der 35-jährige musste ebenfalls flüchten, um seine Familie aus Gul Tepa rauszubringen. Er hofft, dass die Regierung die Taliban schnell in die Flucht schlägt.

"Die Verantwortlichen der afghanischen Regierung verlassen sich für gewöhnlich auf die internationalen Organisationen, was die Hilfe für Binnenflüchtlinge angeht", sagt Udo Stolte, Leiter des deutschen Büros der Hilfsorganisation Shelter Now. Die Organisation führt Projekte in Kabul und Kandahar durch und organisiert in erster Linie die Verteilung von Nahrung. In Kundus ist Shelter Now jedoch nicht aktiv. Neben dem Abzug der deutschen Bundeswehr haben viele internationale Organisationen ihre Helfer aufgrund der instabilen Sicherheitslage aus Nordafghanistan abgezogen. "Es ist gut möglich, dass die Flüchtlingsströme weiter nach Kabul fließen", so Stolte. "Da können wir schon einsteigen und sehen, was die Leute brauchen, dann können wir die nötigen Finanzen erwirtschaften und dann können wir entsprechend reagieren."

Vergangenen Monat hatten die Taliban mit ihrer Frühjahrsoffensive begonnen und militärische Posten der afghanischen Armee in Kundus angegriffen, sie rückten bis an die Stadtgrenze von Kundus heran. Bevor die Extremisten die Stadt einnehmen konnten, entsandte die afghanische Regierung Verstärkungskräfte in die Provinz, die Amerikaner leisteten Luftunterstützung. Die Kämpfe dauern weiter an. Informelle Sondierungsgespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban am Wochenende in Katar führten zu keiner Einigung.