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Flüchtlinge willkommen heißen

Karin Jäger3. März 2014

Vergangenes Jahr beantragten so viele Menschen Asyl in Deutschland wie zuletzt nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und Jugoslawiens. Die Organisation "Refugees Welcome" hilft ihnen, sich in der Fremde einzufinden.

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Wohncontainer für Flüchtlinge in Hamburg
Bild: picture-alliance/dpa

Es war ein Theaterstück, das Verena Landes den Anstoß zum Handeln gab: In "Asyl-Monologe" gewähren Asylsuchende Einblicke in ihre Gefühlswelt. Stellvertretend für die Geflohenen erzählen professionelle Sprecher von Folter, Unterdrückung, Krieg in der Heimat. Sie zeigen die Strapazen der Flucht auf und das Gefühl, am Zufluchtsort nicht willkommen zu sein.

Verena Landes war erschüttert. Die Politologin, die in Guatemala geboren wurde, hat in verschiedenen Ländern gelebt und glaubt, nachempfinden zu können, wie man sich in der Fremde fühlt. Alice Wichtmann hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Die beiden Frauen lernten sich bei der Bonner Sektion von "Refugees Welcome" kennen, einem Verein, der sich ohne bürokratische Hürden für Asylbewerber stark macht. Zu den Mitgliedern gehören viele Studenten und Auszubildende. Unerschrocken treten sie für ihr Anliegen ein, auch wenn sie dafür manchmal sogar gegen deutsche Gesetze verstoßen: "Wir gehen einfach in Asylbewerberheime hinein. Das ist eigentlich verboten", sagt Verena Landes.

Bei einem Besuch dort trafen sie Karim und Moustafa. Die beiden wollen unerkannt bleiben, aus Furcht vor Verfolgung - selbst hier in Deutschland. Dass die beiden 23 und 25 Jahre alten Ägypter vergangenen Herbst fast zeitgleich über Georgien mit dem Flugzeug nach München kamen, erfuhren sie erst in Bonn, wo sie am Ende ihrer Reise landeten. Dieses Ziel hatten die deutschen Behörden festgelegt. Nun haben sie sich angefreundet, teilen mit einem weiteren Ägypter ein kleines Zimmer im Übergangsheim. "Wir sind beide Christen. Besonders im Süden Ägyptens werden die Menschen verfolgt und umgebracht, nur weil sie nicht Muslime sind", beklagt Moustafa. 99 Prozent der Christen wollen Ägypten verlassen, mutmaßt Karim. Beide Männer machen einen ruhigen und ausgeglichenen Eindruck. "Obwohl es mir manchmal schwer fällt, kaum Privatsphäre zu haben im Heim und den Tag mit Warten zu verbringen", gibt Karim zu.

"Wir sind dankbar, dass Menschen wie Verena und Alice uns helfen", gibt Moustafa zu. Die Organisation begleitet einzelne Flüchtlinge bei Behördengängen oder zum Arzt. "Wir sind, auf Grund unseres Alters, nicht vorbelastet, sondern unbefangen. Und wir kommen nicht von offiziellen Stellen, sondern handeln spontan", meint Verena Landes.

Flüchtlinge in Ägypten. Foto: Foto: Karin Jäger/ DW
Zwei Christen kamen aus Ägypten - um in Deutschland Zuflucht zu findenBild: DW/K. Jäger

Wie spontan die Hilfe mitunter erfolgt, erzählt Alice Wichtmann am Beispiel einer Kleideraktion. Ohne sich bei den Behörden anzumelden fuhren sie mit gespendeten Jacken, Hemden und Schuhen an einem Sonntagnachmittag zu der Asylbewerberunterkunft und verteilten die Sachen an die Bewohner. Zum Ärger von Anwohnern, die Anzeige bei den Ordnungsbehörden erstatteten. Der Vorwurf: Es werde ein nicht genehmigter Flohmarkt veranstaltet.

Skepsis und Misstrauen gegenüber den Flüchtlingen

Dass Asylbewerber nicht besonders willkommen sind, zeigt sich oftmals im Umfeld der Wohnheime. Anwohner zögen sich zurück, weil sie befürchteten, belästigt oder bestohlen zu werden, Hausbesitzer hätten Angst, dass der Wert ihrer Immobilien in der Nähe einer solchen Einrichtung sinkt, erzählen Verena Landes und Alice Wichtmann aus Erfahrung. "Wir aber sehen in jedem Flüchtling ein Individuum."

Die Fremden würden systematisch ausgegrenzt, sagt Verena Landes: "Unser System ist darauf ausgerichtet, dass die Leute nicht kommen sollen." Und seien sie dann doch da, würde alles dafür getan, damit sie wieder gingen. Die Bearbeitung der Aufnahmeverfahren würde oft lange hingezogen, mit der Absicht, die Bewerber mürbe zu machen. Irgendwann kämen die dann zu der Einsicht, hier keine Chance zu haben. Schlussendlich würden sie resignieren und der freiwilligen Ausreise aus Deutschland zustimmen. "Es besteht kein politischer Wille, Flüchtlinge hier aufzunehmen", meint Verena Landes.

Alice Wichtmann und Verena Landes Organisation Refugees Welcome. Foto: KArin Jäger
Alice Wichtmann (li.) und Verena Landes heißen Flüchtlinge willkommenBild: DW/K. Jäger

Asylsuchende stärken

Auch für Moustafa und Karim laufen die Mühlen der Verwaltung langsam. Moustafa ist Bauingenieur mit Abschluss, Karim hat ein Diplom als Landwirt. Aber ihre Anträge wurden noch nicht abschließend bearbeitet. Daher haben sie auch keinen Anspruch auf einen Deutschkurs. "Refugees Welcome" plant, Tandemgruppen zu bilden mit Flüchtlingen, die neben ihrer Heimatsprache Englisch sprechen und Freiwilligen, die Deutsch und Englisch können. So können alle Sprachhemmnisse überwunden werden. Zunächst müssen sich Karim und Moustafa aber weiterhin auf Englisch verständigen und sich oft dafür entschuldigen. Doch durch Partys oder gemeinsame Essen wollen die "Refugees Welcome"-Leute Berührungsängste abbauen helfen. "Die Kontakte sind eine Bereicherung für alle", sagt Alice Wichtmann.

Was für die beiden Frauen ein Erfolg sei? "Wenn Leute wie Karim und Moustafa nicht abgeschoben werden und unser Engagement überflüssig würde", antwortet Verena Landes spontan. Nach einer kurzen Denkpause fügt sie hinzu: "Wenn Leute im Winter hier ankommen und keine festen, wärmenden Schuhe haben und wir können dann welche organisieren, dann ist das schon ein Erfolg."