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"Forschung beschleunigt Klimaschutz"

Gero Rueter6. November 2014

Deutschland hat tausende Forscher im Bereich der erneuerbaren Energien. Das globale Interesse an der Expertise ist groß. Mit Kooperation will Energieforscher Fischedick das Tempo für den Klimaschutz erhöhen.

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Manfred Fischedick (Foto: DW/K. Danetzki)
Bild: DW/K. Danetzki

Deutsche Welle: Herr Fischedick, vom 6. bis 7. November trifft sich in Berlin der Forschungsverbund Erneuerbaren Energien (FVEE). Es ist in Europa das größte Forschungsnetzwerk für erneuerbare Energien mit 2800 Wissenschaftlern. Welche Rolle hat die inzwischen große deutsche Forschungslandschaft der erneuerbaren Energien?

Manfred Fischedick: Eine sehr, sehr große Rolle. Deutschland ist einer der Vorreiter in der Umsetzung der Energiewende. Ein solcher Prozess geht nicht von allein. Das braucht eine ganze Reihe von neuen Erkenntnissen und die Forschung muss dazu beitragen. Aber sicherlich gibt die Forschung auch Impulse für die internationale Diskussion von ambitionierten Klimaschutzzielen.

Welche Bedeutung haben die deutschen Forscher beim globalen Energieumbau?

Die Welt schaut auf die Energiewende und die Ziele der Treibhausgasreduktion. Deutschland ist diesbezüglich eine Art Experimentierfeld und es gibt Interesse an den Forschungsergebnissen. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern sind wir beim Energieumbau fünf, manchmal zehn oder 15 Jahre voraus. Ein Beispiel ist die schwankende Stromerzeugung aus Wind und Sonne. Mit Forschungserkenntnissen lernen wir, wie wir damit umgehen und das Stromnetz stabilisieren. Und diese Kenntnisse sind in anderen Ländern vielleicht zeitversetzt ebenfalls wichtig. Insofern sind wir da ein Stück weit Vorreiter.

Wird diese Expertise international nachgefragt?

Deutschen Forscher sind in viele internationale Netzwerke eingebunden, beispielsweise auch im Kontext des Weltklimarates. Auf internationaler Ebene ist die deutsche Expertise gefragt. Sie trägt dazu bei, dass neue Technologien entwickelt werden, damit die globalen Ziele erreicht werden können.

Sie arbeiten im Weltklimarat mit und kennen die internationale Zusammenarbeit. Wie hat sich die Zusammenarbeit in den letzten Jahren verändert?

Die Zusammenarbeit ist breiter und größer geworden. Viel mehr Länder betreiben substanzielle Energie- und Klimaforschung und damit gibt es auch mehr Fachexpertise in den Ländern. Das ist gut, weil die Komplexität der anstehenden Systemveränderungen deutlich zugenommen hat und die spezifischen Rahmenbedingungen in den Ländern unterschiedlich sind. Man braucht nicht nur einzelne Vorreiterländer, sondern auch die breite Expertise über alle Ländergrenzen hinweg. Und natürlich braucht man die Zusammenarbeit, den internationalen Erfahrungsaustausch, um sich zu ergänzen und so schneller lernen zu können. In den letzten Jahren sind wir einen ganzen Schritt weitergekommen aber noch nicht da, wo wir sein sollten. Es gibt noch viel Potenzial, um die Kooperationen zu vertiefen.

Wie kann die Kooperation ausgebaut werden?

Wir brauchen Forschungsnetzwerke. Wir haben in der EU das Förderprogramm Horizon 2020 angestoßen. Dieses Programm fördert Forschungskooperationen zwischen europäischen Forschern und der internationalen Forschergemeinschaft. Zusätzlich muss es noch bilaterale, trilaterale Netzwerke zu einzelnen Themen geben, um gemeinsam neue Dinge zu erproben und zu erarbeiten.

Auch brauchen wir eine verstärkte Kooperation im Bereich der sogenannten Realexperimente. In Deutschland haben wir die große Energiewende als Realexperiment, einzelne Städte die weit vorangehen. Hier können wir konkret lernen wie die Transformation funktioniert. Ähnliche Prozesse gibt es in Korea, in Japan und vielen anderen Regionen der Welt. Der Austausch muss zwischen den Ländern verbessert werden. Gemeinsam kann man besser lernen und kommt schneller voran.

Was können andere Länder, die bisher noch nicht so viel forschen, übernehmen?

Zunächst die technologische Entwicklung. Aber neue Technologien müssen in die Märkte und Menschen müssen sie einsetzen und dafür braucht man Instrumente.

Wir machen gerade neue Erfahrungen mit der sogenannten Co-Creation, die Einbindung von Akteuren schon in den Entwicklungsprozess von neuen Technologien. Wenn wir zum Beispiel neue Heizungssysteme heute entwickeln, dann von vornherein zusammen mit Anwendern und Installateuren. So vermeiden wir die Entwicklung einer anspruchsvollen Technologien, die falsch eingebaut oder beim Kunden falsch genutzt wird.

Lohnt sich die Forschung für die Energiewende auch für andere Länder?

Das lohnt sich in jedem Fall. Auf der einen Seite haben wir keine Alternativen zu mehr Forschung im Bereich von Klimaschutz, weil das Zeitfenster zur Problemlösung sich schließt. Der aktuelle Bericht des Weltklimarates hat das noch einmal deutlich gemacht. Die Forschung ist gefordert hier Lösungsbeiträge zu leisten.

Auf der anderen Seite werden viele Technologien zur Energieeffizienz erforscht, die zugleich die Energiekosten verringern. Das ist dann eine doppelte Dividende. Das Klima profitiert und die Unternehmen und Konsumenten. Zudem verringern die Technologien die Luftverschmutzung.

Das alles sind Themen die ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Mit neuen Forschungsanstrengungen muss sich die Umsetzungsgeschwindigkeit erhöhen und so erreichen wir Vorteile für den Klimaschutz und eine bessere Luftqualität.

Manfred Fischedick ist Mitglied im Direktorium Forschungsverbund Erneuerbarer Energien (FVEE) und Tagungsleiter der Jahrestagung Forschung für die Energiewende. Der FVEE repräsentiert rund 2800 Forscher, 80 Prozent der außeruniversitären Forschungskapazität für Erneuerbare Energien in Europa und ist das größte Forschungsnetzwerk für Erneuerbare Energien in Europa. Professor Fischedick ist Energie- und Klimaforscher, Vizepräsident des Wuppertal Institut für Klima und Energie und Coordinating Lead Author des fünften Weltklimaberichts (IPCC).

Das Interview führte Gero Rueter.