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Grenzenlose Kinofreiheit

Jochen Kürten16. Februar 2013

Bei den Berliner Filmfestspielen geht es nicht nur um engagiertes Kino, um Preis-Bären und den roten Teppich. Es geht auch ums Geschäft. Beim European Film Market treffen sich alle, die mit der Ware Film handeln.

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Stand von German Films beim European Film Market 2013 in Berlin (Foto: Sean Gallup/Getty Images)
Bild: Getty Images

Natürlich wird man in einem Flugzeug nie einen Film sehen, in dem ein Flugzeug abstürzt. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Doch es gibt auch schwierigere Fälle für Helmut Lauerbach: Amerikanische Filme mit islamischen Terroristen zum Beispiel; oder Filme, die Gewalt ganz realistisch darstellen. Lauerbach arbeitet für die weltweit agierende Film-Agentur "spafax", die ihren Sitz in London hat. Ein paar Themen gehen eben nicht im Flugzeug für ein buntgemischtes Publikum. "spafax" berät internationale Fluglinien auf der ganzen Welt, schlägt Filme für deren Unterhaltungsprogramm an Bord vor.

Die Messe neben dem Festival

Helmut Lauerbach ist für ein paar Tage nach Berlin gekommen. Sein Ziel ist aber nicht in erster Linie das offizielle Programm der 63. Berlinale (07.-17.02.2013). Es ist der European Film Market, die Film-Messe, die alljährlich parallel zum Filmfestival veranstaltet wird. Hier treffen sich Fachbesucher aus aller Welt um Filme zu sichten, anzubieten, ver- und anzukaufen. Rund 8000 Fachleute sind in diesem Jahr gekommen, Verleiher und Produzenten, Filmrechtehändler oder Vertreter großer Fernsehanstalten.

Der European Film Market 2013 in Berlin, Übersicht mit Ständen, (Foto: Sean Gallup/Getty Images)
Handelsplatz "European Film Market 2013" im Martin Gropius Bau in BerlinBild: Getty Images

Das Ganze findet im altehrwürdigen Martin Gropius Bau statt, der nur einen Steinwurf  vom Festivalzentrum am Potsdamer Platz weit entfernt liegt. Dichtgedrängt haben rund 400 Anbieter hier auf zwei Etagen ihre Stände aufgebaut, die meisten mit einem angeschlossenen kleinen Vorführraum. Wie ein Bienenschwarm hasten die Filmgeschäftsleute von einem Stand zum anderen, absolvieren Termine im Viertelstundentakt. Weil die Messe in den letzten Jahren immer mehr Platz gebraucht hat, ist man zusätzlich auch noch in ein nahegelegenes Luxushotel ausgewichen.

Filme gucken Nonstopp

"Ich schaue mir bis zu 15 Filme am Tag an", erzählt Lauerbach, der die Messe mit zwei Kollegen abgrast. Auf die verblüffte Frage, wie das denn gehen könne, räumt Lauerbach ein, "natürlich sehe ich nicht alle Filme zu Ende". Am Vormittag verschafft sich Lauerbach einen Überblick, absolviert Termine bei Produzenten und Lizenzhändlern, später geht es dann ans Sichten. Es gibt ein paar Tabus fürs Flugzeug: "Zu exzessive Gewalt geht nicht, häusliche Gewalt, Themen wie Kindesmissbrauch oder Folter." Klassische Actionfilme mit Bruce Willis oder Arnold Schwarzenegger seien dagegen kein Problem, "die sind ihrer Machart nach ja eher wie ein Cartoon".

Natürlich könne man einer arabischen Fluggesellschaft keinen Film aus Hollywood mit islamischen Terroristen verkaufen. Andere Airlines reagierten dagegen sensibler auf Filme mit nackter Haut. Jede Fluglinie hat ihr eigenes Profil. Und geachtet werden muss bei der Bestückung eines Bordprogramms auch auf die Flugroute. Wohin soll's gehen? Wer sitzt in der Maschine? Was passt zu wem? "Früher hatte man einen Bildschirm für alle", da seien nur Filme gelaufen, die es allen Passagieren Recht gemacht haben. Inzwischen aber verfügen die Fluggäste an ihren Sitzen oft über individuelle Bildschirme. Dann hat man die Auswahl aus einem Dutzend Filmen. Für Lauerbach und sein Team bedeutet das viel Arbeit.

Helmut Lauerbach von der Agentur "spafax" beim Studium der Kataloge beim European Film Market (Foto: Jochen Kürten)
Beim Studium der Filmprogramme: Helmut LauerbachBild: DW/J. Kürten

Filme als globaler Industriezweig

In Berlin haben Ein- und Verkäufer die Auswahl aus rund 1000 Filmen. Die Messe ist somit um ein vielfaches größer als das eigentliche Festival. Der "European Film Market" hat sich in den vergangenen Jahren zu einem festen Bestandteil der Berlinale entwickelt. Die Schweizerin Beki Probst ist seit einem Vierteljahrhundert Chefin der Messe: "Unser Ziel ist es, auf die aktuellen Tendenzen und Entwicklungen der globalen Industrie zu reagieren und unser Angebot entsprechend anzupassen." Das heißt, dass auf dem Markt auch die derzeit so populären TV-Serien aus den USA gesichtet werden können. "Die nehmen inzwischen einen Anteil von 50 Prozent im Angebot der Bordprogramme ein", bestätigt Lauerbach.

Britischer Stand beim European Film market in Berlin (Foto: Sean Gallup/Getty Images)
Auf kleinen Bildschirmen viele Filme gucken: der "European Film Market 2013"Bild: Getty Images

Und Filme, die auf Langstreckenflügen gezeigt werden, können durchaus auch etwas in Bewegung setzen - weil sie oft in der Luft früher zu sehen sind als im Kino. "'Lola rennt' zum Beispiel haben die Amerikaner damals alle im Flugzeug gesehen auf dem Weg zur Berlinale", erzählt Lauerbach. Der deutsche Erfolgsfilm von Tom Tykwer, der 1999 auf der Berlinale gezeigt wurde, habe auch deshalb in den USA einen guten Ruf. "Die kannten den alle schon, als sie zur Berlinale kamen."

Zwischen Arthaus, Bollywood und Hollywood

Und der eigentliche Berlinale-Wettbewerb, spielt der auch eine Rolle im Arbeitsalltag? Lauerbach schaut sich, wann immer die Zeit es erlaubt, auch die Filme an, die sich um die "Bären" bewerben. "Ein Preis wie der 'Goldene Bär' wird durchaus wahrgenommen." Zu Lauerbachs Job gehört es, die so wichtige "Mund-zu-Mund-Propaganda" eines Festivals mitzubekommen. Zwar spielten Filme aus Hollywood immer noch die Hauptrolle im Entertainment-Programm der Airlines, doch auch Arthaus-Kino aus Europa und Asien, das indische Bollywood-Kino, Filme aus Südamerika, all das muss beobachtet werden. "Der European Film Market und die Berlinale zeigen die ganze Bandbreite des Kinos", sagt Lauerbach. Das sei schon das Besondere in Berlin. Deswegen ist das Filmfestival in der deutschen Hauptstadt neben Cannes und Toronto und Filmfachmessen in London und Los Angeles jedes Jahr ein fester Termin im Kalender. "Bei der Berlinale ist die Ausbeute nicht riesig" zieht Lauerbach ein Fazit, "aber durchaus verwertbar, am Ende schält sich immer etwas heraus."