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Fesseln für Ägyptens Zivilgesellschaft

Matthias Sailer4. März 2013

Ein von der Muslimbruderschaft unterstütztes Gesetzesvorhaben bedroht die ägyptische Zivilgesellschaft. Auch auf die Arbeit der deutschen Stiftungen würde sich das Gesetz negativ auswirken.

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Ägypter demonstrieren gegen die Politik Mohammed Mursis, Kairo, 8.2. 2013. (Foto: AFP / Getty Images)
Bild: Getty Images

Keine Demokratie kommt ohne sie aus: nicht-staatliche Organisationen (NGOs), die für Menschenrechte, Pressefreiheit oder gegen Korruption kämpfen. Doch ausgerechnet im post-revolutionären Ägypten soll ein neues Gesetz die Arbeit solcher Organisationen massiv einschränken: Käme es zustande, würden de-facto Innenministerium und Geheimpolizei entscheiden, ob sich NGOs registrieren dürfen. Politische Aktivitäten wären verboten, das Kapital der Organisationen würde verstaatlicht werden, und Gelder aus dem Ausland müssten vom Sicherheitsapparat genehmigt werden. Durch seinen Einfluss könnte der Staat die Aktivitäten der Organisationen entscheidend mitbestimmen. Die Gesetzentwürfe sind derart restriktiv, dass selbst der deutsche Botschafter sie in der lokalen Presse kritisierte. Für Mohamed Zara vom Cairo Institute for Human Rights Studies (CIHRS) ist klar: "Mohammed Morsi ist der Präsident, und seine Partei bildet die Regierung. Sie haben ein Interesse daran, die Arbeit von NGOs zu behindern. Vor allem von Organisationen, die Menschenrechtsverletzungen und Korruption kritisieren."

Doch auch internationale NGOs und die deutschen politischen Stiftungen wären von diesem Gesetz betroffen. Die Stiftungen arbeiten seit der Durchsuchung der Räume der CDU-nahen Konrad Adenauer Stiftung (KAS) ohnehin nur mit großer Zurückhaltung. Durch das neue Gesetz würde die Arbeit ausländischer Organisationen verstärkt unter die Kontrolle der ägyptischen Behörden geraten, meint Zara. Denn die Behörden könnten entscheiden, ob deren Arbeit den "Bedürfnissen der ägyptischen Gesellschaft" entspricht: "Ansonsten ist es nicht erlaubt, Geld von der ausländischen Mutterorganisation zu erhalten oder hier ein Büro zu eröffnen, wenn die Organisation Gelder von einer Regierung erhält oder an eine politische Partei angegliedert ist, zum Beispiel die deutschen Stiftungen."

Der ägyptische Präsident Mursi als überdimensionale Puppeauf einem Protestzug, 8.2. 2013. (Foto: REUTERS)
Ein Hauch von Karneval: der Präsident als PuppeBild: Reuters

Das Kulturabkommen ist kein Allheilmittel für die deutschen Stiftungen

Doch zumindest die Arbeit der Stiftungen könnte durch ein bilaterales Abkommen einen Sonderstatus bekommen. Erst Ende Januar wurde die KAS in das deutsch-ägyptische Kulturabkommen aufgenommen. Dadurch verpflichtet sich Ägypten, deren Arbeit im Rahmen dieses Abkommens zu unterstützen. Allerdings handelt es sich dabei eben um ein Kulturabkommen. Und ob man die Stiftungsarbeit als Kulturarbeit bezeichnen kann, ist fraglich. Stiftungsnahe Kreise sagen daher hinter vorgehaltener Hand, dass man den dadurch erreichten Schutz nicht überbewerten sollte. Entscheidend werde letztlich der politische Wille sein, regimekritische Aktivitäten der Zivilgesellschaft zu zulassen.

Für Zara ist genau dies jedoch nicht der Fall: Bereits im April 2012 hatten NGOs, einschließlich des CIHRS, mit der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei der Muslimbrüder im Parlament einen deutlich weniger repressiven Gesetzentwurf ausgehandelt. Doch von diesem Entwurf ist inzwischen keine Rede mehr. Zara sieht die Gründe für den Sinneswandel der Muslimbrüder folgendermaßen: "Damals hatten sie nicht den Präsidenten, sondern nur ein von der Auflösung bedrohtes Parlament. Außerdem hatte der Militärrat das Land kontrolliert. Mohamed Morsi war damals nur Präsidentschaftskandidat."

Demonstration auf dem er Tahrir-Platz in Kairo, 1.2. 2013 (Foto: Reuters)
Zentrum der Proteste: der Tahrir-Platz in KairoBild: Reuters

Israel als Rechtfertigung für die Unterdrückung der Zivilgesellschaft

Vieles spricht dafür, dass die Muslimbrüder die Freiheit der Zivilgesellschaft tatsächlich massiv einschränken wollen: Sie stellen die Regierung, die den Gesetzentwurf ausgearbeitet hat, und sie sind in für das Gesetz zuständigen Ministerien prominent vertreten. Gespräche zwischen NGOs und der Regierung, an denen auch Zara teilgenommen hat, wurden von der Regierung kurzerhand beendet. Der Entwurf wurde daraufhin an das Übergangsparlament weitergeleitet, das die Muslimbrüder dominieren. Noch eindeutiger ist für Zara die Verteidigung des Entwurfs durch den Vorsitzenden des Rechtsausschusses der Partei der Muslimbrüder: "Er hat gesagt, dass, wenn man NGOs erlauben würde, ungeprüft Geld aus dem Ausland zu erhalten, sie Geld von Israel, den Juden und Zionisten bekommen könnten, mit dem sie Ägypten zerstören oder Unruhe stiften könnten."

Selbst für deutsche Stiftungen, die durch das Kulturabkommen geschützt sind, dürfte sich der Charakter der Stiftungsarbeit also verändern: Sie dürfte zum Beispiel vermehrt unter Einbindung staatlicher Akteure erfolgen und weniger mit regimekritischen Gruppen. Auch der Druck, begrenzt mit den ägyptischen Sicherheitsdiensten zusammenzuarbeiten, dürfte wachsen. Wie sensibel die Thematik für die Stiftungen ist, zeigt auch, dass sich gegenwärtig keine der drei vor Ort aktiven Stiftungen dazu äußern möchte.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo, 29.11. 2011 (Foto:dpa)
Schwierige Arbeit: Die Konrad-Adenauer-Stiftung in KairoBild: picture alliance / dpa

Den Gerichtsprozess gegen Mitarbeiter von NGOs und Stiftungen (einschließlich der KAS) sieht Zara daher nur eingeschränkt als Gradmesser für den Willen zu einer freien Zivilgesellschaft. Er schließt selbst eine geschickte PR-Strategie für den Westen in Form von Freisprüchen der Angeklagten nicht aus: "Das könnte passieren, nach dem Prinzip 'okay, jetzt seid ihr frei, aber wenn ihr wieder hier arbeiten wollt, müsst ihr dem neuen Entwurf für das NGO-Gesetz folgen, der Euch unter die Kontrolle des Sicherheitsapparates und der Regierung bringt.'"