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FBI-Skandal um fehlerhafte Haarproben

Spencer Kimball/ pab21. April 2015

Es ist einer der größten Justizfehler der US-Geschichte: FBI-Forensiker lagen bei ihren Haaranalysen jahrzehntelang falsch. Ihre Aussagen gelten als wichtiges Beweismittel und führten oft zu Todesstrafen.

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Das FBI-Logo hängt an einer Holztür. (foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Im Zweifel für den Angeklagten. Diese Unschuldsvermutung ist das Fundament des US-Strafrechtssystems. Aber was geschieht, wenn ein unschuldiger Angeklagter aufgrund fehlerhafter Beweise schuldig gesprochen wird? Wie sich herausstellte, war das ein häufiges Problem in Amerika. Seit 1989 konnten über 300 Menschen US-weit durch DNA-Analysen entlastet werden. Im Durchschnitt saßen die Verurteilten 14 Jahre lang unschuldig im Gefängnis, bevor sie aus der Haftstrafe entlassen wurden.

Die Hälfte dieser fehlerhaften Verurteilungen sind das Ergebnis schlechter forensischer Beweise und noch mehr Entlastungen könnten folgen. Das US-Bundeskriminalamt FBI hat zugegeben, dass 26 ihrer 28 Experten für Haaranalysen in über 90 Prozent der Untersuchungen Falschaussagen gemacht hätten. Auch 32 Todesstrafen seien betroffen. 14 Verurteilte sind bereits hingerichtet oder in ihren Todeszellen verstorben.

Wurden Unschuldige zum Tode verurteilt?

Das ist das Ergebnis kürzlich abgeschlossener Nachforschungen, die das FBI zusammen mit der "National Association of Criminal Defence Lawyers"(NACDL) und der Organisation "Innocence Project", also "Projekt Unschuld" durchgeführt hat. Die Vereinigung von Strafverteidigern und die Organisation "Projekt Unschuld" sind auf Kriminalfälle spezialisiert, die begangen wurden, bevor durch DNA-Analysen Übereinstimmungen in Haarproben festgestellt werden konnten.

Die Washington Post veröffentlichte 2012 einen Artikel, der die Ergebnisse der Untersuchungen und die Glaubwürdigkeit von Haarproben bei der Beweisführung in Frage stellte. Die jetzigen Erkenntnisse seien nicht erstaunlich, meint Brandon Garrett, Professor an der juristischen Fakultät der Universität in Virginia. "Der Skandal zeichnet sich schon seit Jahren ab", meint der Autor von "Verurteilung von Unschuldigen: Wo Strafverfolgung falsch läuft" gegenüber der DW. "Als ich die Prozesse der ersten 250 DNA-Proben untersucht habe, habe ich ähnliche, ungültige und unwissenschaftliche Aussagen in mehr als der Hälfte der Fälle gefunden."

Vermessene Analysten

Forensische Methoden, wie die mikroskopische Haaranalyse, wurden als sichere Beweise in Strafverfahren gewertet. Doch laut Experten der Nationalen Akademie der Wissenschaften ist das Problem bei diesen Methoden, dass sie schlussendlich von der individuellen Beurteilung des untersuchenden Forensikers abhängen. Dieser entscheidet, ob die Probe zu einer Person passt, oder nicht. Dabei gebe es kein durch Wissenschaftler festgelegtes Standardverfahren, durch das mit Sicherheit bestimmt werden könne, wann die Proben übereinstimmten.

"Tatsache ist, dass die Interpretation von forensischen Beweisen nicht immer auf wissenschaftlichen Studien basiert, um deren Gültigkeit zu bestimmen", fasst der Bericht der Experten zusammen. "Das ist ein ernstzunehmendes Problem."

Ein Wissenschaftler entnimmt mit einer Pipette Flüssigkeit aus einem kleinen Glasröhrchen, um einen DNA-Test durchzuführen. (Foto. picture-alliance/dpa)
Seit 1989 konnten knapp 300 Menschen durch DNA-Analysen entlastet werdenBild: picture-alliance/dpa

David Kaye, Experte für kriminaltechnische Beweismittel an der Penn State Universität, glaubt, dass Haaranalysen nur in Verbindung mit anderen Beweismitteln brauchbar sind. Das Problem sei, dass Analysten der neu begutachteten Fälle nicht eingeräumt hätten, dass ihre Schlussfolgerungen auf ihren eigenen Behauptungen beruhen und menschliches Versagen dabei nicht ausgeschlossen sei. "Die Staatsanwälte, die zu Beginn eines Strafprozesses die Beweismittel anführen, wollen diese so überzeugend wie möglich präsentieren", erklärt Kaye der DW.

Werden jetzt Fälle wieder neu aufgerollt?

Trotz der fehlerhaften Aussagen des FBI glaubt Kaye, es sei unwahrscheinlich, dass viele der abgeschlossenen Fälle wieder neu aufgerollt würden. Damals hätte es womöglich auch weitere Nachweise der Schuld gegeben. Falls die Haaranalyse nicht Gegenstand der ursprünglichen Verteidigung gewesen sei, könnten die Gründe, um den Schuldspruch anzufechten, geschwächt sein.

"Das Labor des FBI arbeitet zusammen mit der Staatsanwaltschaft des Justizministeriums, in dessen Gebäude das FBI wiederum sitzt - natürlich haben die eine Beziehung", sagte er. "Man will Leuten gefallen. Es fällt leicht, sich unter solchen Umständen vorzustellen, dass Menschen zu selbstsicher sind."

Das Problem bestünde weiterhin, meint Professor Garrett von der juristischen Fakultät in Virginia. Obwohl der Vergleich von Haaren durch das Aufkommen von DNA-Tests weniger oft angewendet werde, nutzten Kriminaltechniker weiterhin das Mikroskop, um Geschosse, Einstech- oder Werkzeugspuren, Textilfasern, Schuh- und sogar Finderabdrücke miteinander zu vergleichen. "DNA-Tests können nur bei einem geringen Teil der Kriminalfälle benutzt werden", sagt Garrett. "In viel zu vielen Fällen werden weiterhin unwissenschaftliche und subjektive Verfahren angewendet."