1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der Sinn des Fastens

Günther Birkenstock19. März 2014

Fasten hat eine lange Tradition in der Religion. Bewusster Verzicht sollte die Menschen läutern, ihre Sinne schärfen oder Solidarität mit den Armen ausdrücken. Die Strenge der Fasten- Regeln hat mit der Zeit abgenommen.

https://p.dw.com/p/1BSMJ
Bildergalerie Fasten Brot und Wasser
Bild: picture-alliance/dpa

"Brauchen wir, was wir haben? Haben wir, was wir brauchen?" lautet in diesem Jahr das Motto der Fastenzeit in der Katholischen Gemeinde im österreichischen Vorarlberg. Schon seit 1979 gibt es dort die 'Aktion Verzicht'. Ursprünglich ging es in Vorarlberg darum, sich bewusst mit dem Alkoholkonsum von jungen Menschen auseinanderzusetzen. "Wir wollten sie nach der Faschingszeit dazu animieren, 46 Tage, also die Dauer der Fastenzeit, auf Alkohol zu verzichten.", sagt der Jugendbetreuer Johannes Grabuschnigg im Gespräch mit der Deutschen Welle. Inzwischen gehe es beim Fasten nicht mehr nur um Alkohol, erklärt Grabuschnigg. Die einen versuchten, auf's Rauchen zu verzichten, hoch im Kurs stehe, sich für einige Wochen von sozialen Medien wie Facebook und Twitter fernzuhalten oder vom Computer überhaupt.

Verzichtscheine helfen beim Durchhalten

Fastenaktionen wie im kleinen Bundesland Vorarlberg gibt es in vielen christlichen Gemeinden Österreichs, Deutschlands und der Schweiz. Da es immer leichter ist, sein Ziel zu erreichen, wenn man in einer Gruppe eingebunden ist und damit gewissermaßen unter Aufsicht steht, werden in Vorarlberg sogenannte Verzichtscheine ausgegeben. Dort kann man eintragen, für welches Ziel man sich entschieden hat und jeden Tag ankreuzen, an dem man es geschafft hat, auf Rauchen, Alkohol oder Handy zu verzichten. Im vergangenen Jahr wurden 1200 solche Verzichtscheine von den katholischen Gemeinde in Vorarlberg ausgegeben. Die Zahl der Teilnehmer an der Fastenaktion - junge wie alte- sei aber weitaus größer, sagt Johannes Grabuschnigg.

Johannes Grabuschnigg, Jugendbetreuer der Katholischen Kirche in Vorarlberg
Grabuschnigg: Fasten heißt für mich, etwas Neues zu gewinnenBild: Junge Kirche Vorarlberg

Neue Verhaltensweisen einüben

Für den Jugendbetreuer hat Verzicht nichts mit Verlust zu tun, er will etwas Neues schaffen. "Verzicht bedeutet, ich nehme mich bewusst einer Tätigkeit oder einer Gewohnheit in meinem Leben an und versuche, diese Gewohnheit abzulegen. Es gibt einige Studien, die belegen, dass es ungefähr 30 Tage braucht, bis Verhaltensweisen im Kopf neu 'verkabelt' werden, dass Gewohnheiten aufgebrochen, aber auch neue Verhaltensweisen einprogrammiert werden." Grabschniggs Vorsatz in diesem Jahr ist gut für die Gesundheit. Zehn Minuten will er jeden Tag an der frischen Luft spazieren gehen.

Ein Verzichtschein der Fastenanktion der Katholischen Kirche Vorarlberg
Verzichtscheine helfen beim FastenBild: Katholische Jugend und Jungschar Vorarlberg

Büßen, trauern, reinigen

Auf Essen und Trinken zu verzichten ist religionsgeschichtlich das am meisten verbreitete Fastenziel, erklärt Claus Arnold, Professor für Katholische Kirchengeschichte an der Universität Frankfurt am Main. Und es habe nicht nur etwas mit Ostern zu tun. Gefastet wurde auch, um in eine Religionsgemeinschaft aufgenommen zu werden, außerdem gebe es noch Bußfasten und Trauerfasten. Überhaupt zu fasten hat das Christentum von der Jüdischen Religion übernommen. "Das Judentum und das Christentum haben dann auch eine Vorbildrolle für den Islam gespielt. Allgemein war in der religiösen und der heidnischen Umwelt zur Zeit Jesu Fasten sehr verbreitet, auch das Verzichten auf Sexualität." Mit diesem Verzicht, so Arnold, habe man religiöse Reinheit verbunden. "Bei philosophisch geprägten Menschen gab es die Auffassung, dass der Verzicht auf Speisen helfen könne, seinen Körper unter Kontrolle zu halten. Der Geist galt als das, was den Menschen ausmacht." So zeigte ein Mensch, der in der Lage war, körperlichen Verzicht zu leisten, dass er religiös und philosophisch richtig lebte. Eine, wie Arnold erklärt, in der Antike weit über Juden- und Christentum hinaus verbreitete Vorstellung.

Strenge Regeln

Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) Jahre gab es in Deutschland sehr strenge Fastenvorschriften. "Zum Beispiel durfte man, wenn man am Sonntag zur Kommunion gehen wollte, ab Mitternacht nichts mehr essen und auch nichts mehr trinken. Deshalb durfte eine Mutter, die morgens probiert hat, ob das Fläschchen für ihr Kind die richtige Temperatur hat, nicht zur Kommunion gehen." In den liberalen 1970er Jahren schienen solche Regeln den meisten dann übertrieben. Das Fasten kam für einen großen Teil der Bevölkerung sozusagen 'aus der Mode'.

Prof. Dr. Claus Arnold
Arnold: Fasten hieß in der Antike, religiös und philosophisch richtig zu lebenBild: Privat

In früheren Jahrhunderten, als der Machteinfluss der Kirche noch weitaus größer war, ging man den Fastenregeln anders aus dem Weg. Nachdem die Zisterzienser im Mittelalter das Fasten auf alle tierischen Fette ausgedehnt hatten, holten sich reiche Bürger und Adelige Sondergenehmigungen im Vatikan. "Die Leute haben sich sogenannte "Butterbriefe" besorgt. Sie haben sich also von Rom aus die Erlaubnis geben lassen, Butter zu verwenden. Und die Zahl dieser Briefe nimmt im 15. Jahrhundert deutlich zu."

Im 16. Jahrhundert begannen einige Gläubige gegen die strengen Fastenregeln aufzubegehren, was zur allgemeinen Aufbruchsstimmung der Reformation passte. In Zürich, so berichtet Kirchenhistoriker Arnolf, trafen sich 1522 in der Fastenzeit sogar Bürger, um in Anwesenheit des Reformators Ulrich Zwingli demonstrativ Würste zu essen.

Die Zeit der strengen Fastenregeln ist lange vorbei. Heute verzichten wieder zunehmend Christen und andere aus gesundheitlichen und spirituellen Gründen. Oder, wie Johannes Grabuschnigg aus Vorarlberg sagt, "um in ihrem Leben einen neuen Weg auszuprobieren."