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Auf Hausbesuch

26. Juni 2009

Reporter Maurice Gully ist mit dabei, wenn Judith Scholz die Familien ihrer Schülerinnen besucht. Wie sieht deren Alltag aus? Einblicke in das Leben am anderen Ende der Welt.

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Maurice Gully bei einer Familie im ghanaischen BuschBild: Maurice Gully

Eischetu sitzt mit ihrer Mutter unter einem Holzdach, das mit Stroh abgedeckt ist. Alle vier Seiten sind offen. Hier, auf dem sandigen Platz zwischen den zwei kleinen Wohnhäusern finden die beiden ein wenig Schatten. Die Sonne in Ghana ist heute besonders heiß. Die Familie lebt tief im Busch – 40 Geh-Minuten vom nächsten Dörfchen Maase und Eischetus Ausbildungszentrum entfernt.

Judith beim Familienbesuch
Judith beim FamilienbesuchBild: Maurice Gully

Judith Scholz, die Leiterin des Zentrums, besucht heute einige Schülerinnen zuhause und hat auf einer kleinen Bank unter dem Holzdach Platz genommen. „Man wird immer freundlich willkommen geheißen. Und man meldet sich in Ghana nicht an, das ist nicht üblich. Man hat auch kein Telefon. Wenn man Pech hat, ist keiner da. Aber man wird immer willkommen geheißen, anders kenne ich das nicht“, sagt Judith.

Es ist Mittagszeit in Ghana: Unter dem Holzdach stehen zwei gusseiserne Kessel auf Steinen. Es gibt Joloff, ein Reisgericht. Unter dem kleineren Kessel brennt Holz, es riecht überall nach Rauch. Den Hund, der vor der Kochstelle schläft, scheint das nicht zu stören. In den beiden angrenzenden Lehmhütten ist zurzeit niemand. Das Leben findet, wann immer es geht, draußen statt. Auf den ersten Blick wirkt die Szenerie ärmlich, improvisiert.

Die Jugend will weg

Wohnen ohne Wasser und Strom
Offene Küche ohne Wasser und StromBild: Maurice Gully

Judith Scholz hat sich allerdings im Laufe der vergangenen vier Jahre in Ghana ihr eigenes Bild gemacht: „Die Menschen kennen auch Häuser aus Stein und fließendes Wasser. Die wissen, dass es so etwas gibt. Aber ich glaube, die denken sich nichts dabei, die vergleichen nicht. Sie sind so aufgewachsen, seit Generationen.“

Es sei die Jugend, die wegwolle. Die Jugend sehe den Unterschied stärker, wenn sie eine Schule besucht hätten. „Sie wollen weg, sie wollen raus. Aber die, die nie in der Schule waren, die hier immer leben, die kennen das nicht anders. Und die finden auch nichts dabei“, meint Judith.

Eischetu kennt ebenfalls beide Leben: Das bei ihrer Familie im Busch und das im Dorf Maase. Jeden Tag muss sie 45 Minuten zum Ausbildungszentrum laufen – dort macht sie eine Ausbildung zur Schneiderin. Das Geld für Ausbildung könnte unmöglich von der Familie alleine bezahlt werden. Unterstützt wird die junge Frau von deutschen Paten der Organisation "Kindern Zukunft geben. Ghana e.V.".

Kinder im ghanaischen Busch
Schon die Kleinen helfen ihren MütternBild: Maurice Gully

Kinder helfen mit

Um die Mittagszeit, ist Eischetu zuhause, und hilft zusammen mit ihren jüngeren Geschwistern im Haushalt: „Sie fangen sehr früh an, z.B. mit Fegen, Hof fegen, Zimmer fegen. Das können die schon ab fünf Jahren.“

Das Dorf, in dem Eischetus Familie lebt.
Das Dorf, in dem Eischetus Familie lebt.Bild: Maurice Gully

Ab sechs fangen die dann an, ihre Wäsche mit zu waschen, zumindest die Unterwäsche“, sagt Judith. Die Kinder würden auch beim Kochen mit ran gezogen, sei es nur zum Kleinschneiden der Lebensmittel. „Also mit zehn, elf können die eigentlich kochen. Die gehen mit auf die Farm und tragen schon kleinere Sachen. Vor allen Dingen werden die Mädchen mit rangezogen“, so Judith.

Entlastung für Mütter

Die Hilfe der Kinder ist in einer ghanaischen Familie fester Bestandteil des Zusammenlebens. Judith Scholz sieht auf ihren Familienbesuchen immer wieder, dass besonders die Mütter so entlastet werden: „Also die Frauen sind kleine Manager. Die meisten arbeiten noch nebenher, gehen auf die Farm und gucken, dass die Kinder gut versorgt sind. Irgendwie funktioniert das. Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Sie sind halt sehr kreativ.“

Ein kleines Mädchen aus dem Heimatdorf von Eischetu
Ein kleines Mädchen aus dem Heimatdorf von EischetuBild: Maurice Gully

Eischetu wird noch zwei Jahre ihre Ausbildung zur Schneiderin machen. Im besten Fall wird sie dann ein eigenes Geschäft eröffnen können. Das wäre nicht nur ein Glücksfall für sie, sondern ganz sicher auch für die ganze Familie, die davon profitieren würde.

Autor: Maurice Gully

Redaktion: Mirjana Dikic