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"Antiziganistische Feindbilder"

6. November 2013

Die Sinti und Roma in Deutschland wollen konkrete Schritte gegen die Diskriminierung ihrer Volksgruppe sehen. Die unsachliche Berichterstattung beim Roma-Kind Maria habe rassistische Vorurteile bestärkt, erklärten sie.

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Der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Roma gegen "Maria"-Berichterstattung

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sei "tief besorgt über die Auswirkungen der nationalen und internationalen Berichterstattung", machte dessen Vorsitzender Romani Rose vor Journalisten in Berlin deutlich (siehe Artikelbild). "Eine ganze Minderheit wurde an den Pranger gestellt". Die unsachliche Berichterstattung bewirke eine neue Stigmatisierung von Sinti und Roma, beklagte er.

Rose bezog sich mit seiner Kritik auf die Geschehnisse um das Roma-Mädchen namens Maria, das Mitte Oktober bei einer Razzia in einem Roma-Lager nahe der zentralgriechischen Stadt Farsala aufgegriffen worden war. Die Geschichte der kleinen blonden Maria sorgte international für Schlagzeilen. Der Familie wurde fälschlicherweise vorgeworfen, das Kind geraubt zu haben. Medien übernahmen den polizeilichen Verdacht ungeprüft. Schließlich erklärte Marias leibliche Mutter, eine bulgarische Roma, im Fernsehen, sie habe 2009 aus finanzieller Not den Zieheltern in Griechenland das Kind überlassen. Wenige Tage nach diesem Fall nahmen die Behörden in Irland einer Roma-Familie ein blondes Kind weg.

"Alle Formen von Kriminalität"

Rose kritisierte, die Medien hätten die Roma "mit allen Formen von Kriminalität in einen spekulativen Zusammenhang gebracht, von Kindesentführung und -missbrauch über Zwangsheirat bis zu unterstelltem Organhandel".

Die Berichterstattung stehe im Zusammenhang mit neu geschürten Vorurteilen: "Wir erleben in den letzten zwei, drei Jahren eine neue Form von Diskriminierung und Rassismus gegenüber Sinti und Roma in Europa, auch in Deutschland", bilanzierte er.

"Niemand hat dieser Hetze Einhalt geboten"

Der Zentralratschef kritisierte auch die deutsche Politik. "Niemand hat dieser Hetze Einhalt geboten", sagte er. Er appellierte an die Verantwortlichen, "deutlichere Signale zu setzen", und gegen eine aufkommende Feindlichkeit gegenüber Sinti und Roma vorzugehen. Der neu konstituierte Bundestag müsse eine Expertenkommission einsetzen, die Antiziganismus dokumentiere und messe, forderte Rose. Sie solle dem Bundestag einmal pro Legislaturperiode einen Bericht vorlegen. Rassismus gegenüber Sinti und Roma müsse genauso geächtet werden wie Antisemitismus.

Rose wies auch auf Übergriffe auf Sinti und Roma in Ungarn, Tschechien und Rumänien hin, wo die meisten der zehn Millionen europäischen Roma leben. In Deutschland gibt es etwa 100.000 Sinti und Roma. Im Holocaust der Nazis wurden bis zu 500.000 Angehörige der Ethnie ermordet.

se/mak (afp, dpa, kna, epd)