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EZB vor ihrer wichtigsten Entscheidung

Sascha Quaiser21. Januar 2015

Die EZB wird die geldpolitischen Schleusen abermals öffnen. Das zumindest erwarten die meisten Finanzmarktexperten. Alles andere als ein massives Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen wäre eine Überraschung.

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Bildergalerie Neubau der EZB
Bild: European Central Bank/Robert Metsch

Kauf von Staatsanleihen - EZB-Präsident Draghi in der Kritik

Die Europäische Zentralbank hat einen kleinen, aber feinen Werkzeugkasten. Aus ihm bedient sich der Präsident in regelmäßigen Abständen. Allerdings hat Mario Draghi schon fast jedes Werkzeug ausprobiert. Mit dem Erfolg ist er noch nicht zufrieden. Er hat den Leitzins fast auf Null gebracht. Die Kredite haben sich damit verbilligt, dennoch sprang die Wirtschaft in der Eurozone nicht wie gewünscht an. Draghi hat Strafzinsen für Banken eingeführt, damit diese ihr Geld nicht bei der EZB parken. Aber das führte nicht dazu, dass die Kreditvergabe sprunghaft anstieg. Nun zieht er das letzte Register und bedient sich eines weiteren Instruments: Staatsanleihenkäufe in großem Umfang.

Vorbild USA

Nach dem Vorbild der US-amerikanischen Notenbank Fed will die EZB viel Geld dafür aufbringen, sogenannte Bonds zu kaufen. Die Mehrheit des Direktoriums und des Rats weiß Draghi dabei hinter sich. Deutschland ist dagegen, Estland wohl auch - der Widerstand reicht nicht. Letztlich wird sich der EZB-Präsident mit seinem Vorhaben durchsetzen.

Kauf von Staatsanleihen - EZB-Präsident Draghi in der Kritik

Eine Billion Euro für Staatsanleihen

Marktbeobachter erwarten nun, dass die Währungshüter mindestens 500 Milliarden Euro, vielleicht sogar eine Billion Euro, für den Kauf von Staatsanleihen einsetzen werden. Das Geld dafür kann sie gleichsam selbst drucken. Banken könnten in der Folge ihre Anleihen abstoßen, so der Gedanke, und das freigewordene Kapital in Form von Krediten an Unternehmen weiterreichen, so dass die Firmen das Geld investieren. Darüberhinaus, so die Spekulation vor der EZB-Sitzung am Donnerstag (22.01.2015), könnte die Notenbank bis zu 250 Milliarden Euro einsetzen, um Unternehmensanleihen aufzukaufen.

Zwei Ziele verfolgt Draghi, einst Manager der Investmentfirma Goldman Sachs, damit: Zum einen will er mit dem vielen Geld die niedrige Inflation bekämpfen. Die Preise sind zuletzt um 0,2 Prozent gefallen, Draghi befürchtet deflationäre Tendenzen. Das könnte zu einer Spirale aus weiter sinkenden Preisen und einer gleichfalls sinkenden Nachfrage führen. Zur Erinnerung: die Teuerung in der Eurozone soll die Marke von zwei Prozent erreichen. Zum anderen aber soll gerade in den Schuldenstaaten im südlichen Europa die Konjunktur wieder Impulse bekommen.

Wirtschaftsforscher sehen EZB in der Pflicht

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) unterstützt den Kurs der EZB. Die Notenbank sei verpflichtet, ihr Mandat zu erfüllen. DIW-Präsident Marcel Fratzscher sieht die EZB in der Pflicht, ihren vielleicht letzten Zug zu machen: "Sie kann nicht mehr über zusätzliche Kredite an die Banken agieren, denn die Banken haben mehr als genug Kredite von der EZB bekommen. Deshalb ist dieses Instrument direkt über Anleihekäufe eigentlich das letzte, das die EZB zur Verfügung hat."

Kreditvergabe zuletzt deutlich gestiegen

Die deutschen Bankenverbände hingegen haben Bedenken: "Die EZB verschießt vorzeitig ihre letzten Patronen. Das Instrument der Staatsanleihekäufe sollte wirtschaftlichen Notlagen vorbehalten sein." Tatsache ist: Es werden bereits wieder mehr Kredite ausgegeben. Die Nachfrage der Unternehmen im Euroraum legte zuletzt deutlich zu, so stark wie seit fast vier Jahren nicht mehr, so eine Umfrage der EZB unter 137 Geldhäusern. Volker Hofmann vom Bundesverband gesamtdeutscher Banken (BdB) sieht daher "Gefahren" und befürchtet Blasen, zum Beispiel auf dem Immobilienmarkt. "Wir haben es ja schon gesehen in den USA, auch damals auf Grund einer sehr expansiven Notenbankpolitik", die dann in die Hypothekenkrise führte.

Deutschland warnt vor Lockerung der Geldpolitik

Die Deutsche Bundesbank mit Jens Weidmann an der Spitze hält nichts von einem Programm, das sich der lockeren Geldvergabe, dem sogenannten Quantitive Easing, verschreibt. Sie plädiert dafür, die günstigeren Preise nicht unter dem Blickwinkel der Deflation zu sehen. Schließlich sind es vor allem die Energiepreise, die zur niedrigen Inflation führen. Lebensmittel hingegen verteuern sich in vielen Staaten Europas ansehnlich. In Deutschland lag das Plus 2014 gegenüber dem Vorjahr bei einem Prozent. Doch einzelne Nahrungsmittel, wie Molkereiprodukte oder Obst, kosten fast ein Fünftel mehr als noch vor Jahresfrist.

Der Effekt von Anleihenkäufen wäre überschaubar. Die Investmentbank Morgan Stanley hat das für die Eurozone durchgerechnet. Würde die EZB Staatspapiere im Wert von einer Billion Euro kaufen, stiege die Inflation um 0,4 Prozent. Den gleichen Effekt hätte das laut diesem Szenario für die Konjunktur. Das Bruttoinlandsprodukt würde ebenfalls um 0,4 Prozent wachsen.

Schonfrist vorbei, Draghi will handeln

Abwarten will Mario Draghi nun offenbar nicht mehr. Dabei empfehlen ihm dies einige Experten, die keinen akuten Handlungsbedarf sehen. Auf der vergangenen Sitzung der EZB im Dezember hat der oberste Währungshüter gewohnt verklausuliert gesagt: "Sollte es notwendig werden, etwas gegen die fortdauernde niedrige Inflation zu unternehmen, dann ist der Rat dazu einstimmig bereit, zusätzlich unkonventionelle Maßnahmen einzusetzen, innerhalb seines Mandats."

Ungewöhnliche Maßnahmen - damit sind Staatsanleihekäufe gemeint. Die EZB wird also handeln. Draghi wird sein letztes Werkzeug aus dem Kasten holen. Schon bald, wohl schon an diesem Donnerstag.