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EZB: Retter wider Willen

28. Februar 2012

Dass die Eurozone bis heute bestehen geblieben ist, haben wir vor allem der EZB zu verdanken. Sie hat Banken stabilisiert, Staaten vor dem Kollaps bewahrt und dabei ihre Regeln und Prinzipien über Bord geworfen.

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Bild: dapd

Ihre Unschuld hat die EZB am 10. Mai 2010 verloren. Nachdem die EU und der Internationale Währungsfonds am Tag zuvor ein Rettungspaket für Griechenland geschnürt hatten, gab der damalige EZB-Chef Jean-Claude Trichet bekannt, dass die Zentralbank öffentliche und private Anleihen aufkaufen würde.

Dieses sogenannte "Securities Markets Program" verstieß in zweierlei Hinsicht gegen das EZB-Statut und den geltenden EU-Vertrag. Zum einen ist es der Europäischen Zentralbank verboten, Staaten zu finanzieren; zum anderen darf die EZB keine Anweisungen von den Regierungen annehmen.

Eine Sache der Auslegung

Trichet argumentierte tapfer dagegen, dass die Zentralbank keine Anleihen von Staaten direkt zeichnet, sondern sie am Sekundärmarkt von Privatinvestoren erwirbt und somit keine direkte Staatsfinanzierung betreibt. Zudem stand die EZB nicht unter dem Druck der Regierungen, versicherte Trichet. Man musste nicht dabei gewesen sein, um sich vorzustellen, wie an jenem schicksalhaften Mai-Wochenende der EZB-Chef von den Euro-Finanzministern und dem Führungsduo "Merkozy" abwechselnd bearbeitet wurde.

Auch wenn die Aktion der EZB nicht unbedingt mit den Regeln und Statuten im Einklang sei, hätte es dazu keine Alternative gegeben, sagt Henning Vöpel vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI): "Es war völlig klar, dass die Politik in einer solch kurzen Frist nicht handlungsfähig ist. Insofern musste die EZB mit den Mitteln der Geldpolitik eingreifen."

Prof. Henning Vöpel vom Hamburgischen WeltWirtschaftsinstitut (Foto: HWWI)
Die EZB hatte keine andere Wahl, sagt Prof. Henning VöpelBild: HWWI

Lückenbüßer für die Politik

Doch auch längerfristig ist die EZB zu einer Art Lückenbüßer für die Politik geworden, meint Paul Welfens von der Universität Wuppertal, weil "die Staats- und Regierungschefs auf ihren Euro-Gipfeln kein vernünftiges Krisenmanagement gemacht haben", sagt Welfens gegenüber der DW.

So blieb die EZB die Ersatzstaatsbank der Eurozone. Böse Zungen reden gar von der "Bad Bank" Europas. Denn von Mai 2010 bis Juli 2011 hatte sie griechische, portugiesische und irische Schuldtitel im Umfang von über 70 Milliarden Euro angehäuft.

Es sollte noch schlimmer kommen. Da die Renditen für italienische und spanische Anleihen in die Höhe schossen, sah sich die EZB im August 2011 gezwungen, auch Schuldscheine der dritt- und viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone in ihr Ankaufprogramm aufzunehmen.

Durch die Anleihe-Käufe zog die Zentralbank viel Kritik auf sich. Der ehemalige Bundesbank-Chef Axel Weber und der damalige EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark legten ihre Ämter aus Protest nieder. Anderen ging die EZB nicht weit genug. Immer mehr Politiker und Ökonomen forderten von den Währungshütern, endlich die "Bazooka" - die geldpolitische Panzerfaust abzufeuern. Mit anderen Worten: Die EZB solle erklären, Staatsanleihen notfalls in unbegrenzter Höhe aufzukaufen.

EZB dreht den Geldhahn auf

Eine Bazooka holte der neue EZB-Chef Mario Draghi am 21. Dezember 2011 raus, als sich die Schuldenkrise von der Peripherie in den Kern der Eurozone hineinfraß und sich eine neue Bankenkrise anbahnte. Doch statt weiter Anleihen zu kaufen und den "lender of the last resort" für die Staaten zu spielen, übernahm Draghi lieber die Rolle des letzten Kreditgebers für die Banken. Mit einem Zinssatz von nur einem Prozent und einer Laufzeit von drei Jahren durften sich europäische Banken so viel Geld von der EZB borgen, wie sie Sicherheiten dafür bieten konnten. Über 500 Banken nahmen eine knappe halbe Billion Euro in Anspruch.

Mit dieser expansiven Geldpolitik konnte die EZB vier Fliegen mit einer Klappe schlagen. Da die Banken wieder in die Lage versetzt wurden, Unternehmen mit Krediten zu versorgen, wurde eine Kreditklemme verhindert; da sie nur ein Prozent Zinsen der EZB zahlen, dafür aber für Anleihen kriselnder Staaten fünf oder sechs Prozent Rendite erzielen, kann die Bilanz der Banken aufgepäppelt werden; da sie diese Anleihen wiederum als Sicherheit hinterlegen können, um an weiteres EZB-Geld zu kommen, sanken die Zinskosten vor allem für Italien und Spanien. Und ganz nebenbei konnte die Zentralbank die umstrittenen Anleihe-Käufe ruhen lassen.

Eine Hintertür für die Staatenfinanzierung

Für den HWWI-Ökonom Henning Vöpel hat das Ganze einen Schönheitsfehler: "Man kann diese Aktion auch als Hintertür für eine Finanzierung oder einen Aufkauf von Staatsanleihen sehen",  insofern als den Banken nach wie vor gestattet sei, ausfallgefährdete Staatsanleihen als Sicherheit für Zentralbankkredite  zu hinterlegen, sagt Vöpel im Gespräch mit der DW.

Prof. Paul Welfens von der Universität Wuppertal (Foto: Universität Wuppertal)
Sagt positive Wirkung der EZB-Aktion voraus: Prof. Paul WelfensBild: Universität Wuppertal

Doch trotz solcher Bedenken will die EZB die Aktion am Mittwoch wiederholen. Es wird erwartet, dass die Banken Geld in ähnlicher Höhe wie im Dezember abrufen werden. Wirtschaftswissenschaftler Paul Welfens geht davon aus, "dass das dann auch wirklich am Markt Wirkung zeigt, also die Zinssätze weiter nach unten bringt".

Dann will sich die EZB als Retter der Gemeinschaftswährung zurückziehen und das Feld der Politik überlassen. Auch Experte Vöpel sieht die Mission der Währungshüter erfüllt: "Die EZB hat ihren Teil dazu getan, kurzfristig die Vertrauens- und Liquiditätskrise zu lösen. Jetzt ist es tatsächlich die Aufgabe der Länder, das Staatsschuldenproblem über fiskalische Instrumente in den Griff zu bekommen."

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Rolf Wenkel