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EZB lässt Steuerzahler haften

Zhang Danhong7. September 2012

Die EZB hat die Rolle des Euro-Retters übernommen. Sie will Anleihen klammer Staaten ohne Limit aufkaufen. Die Staatsfinanzierung durch die Notenpresse stößt unter den Ökonomen auf heftige Kritik.

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Geldsäcke mit Euros © Marén Wischnewski #29121915
GeldsäckeBild: Marén Wischnewski / Fotolia

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, schürte hohe Erwartung, als er Ende Juli sagte: Er werde alles tun, um den Euro zu retten. Nun hat Draghi geliefert. Er kündigte nach der Ratssitzung am Donnerstag (06.09.2012) an: Anleihen kriselnder Länder werde die EZB wieder kaufen, wenn die betroffenen Länder vorher einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsfonds gestellt haben. Damit habe die Zentralbank eindeutig ihr Mandat überschritten, sagt Clemens Fuest, Wirtschaftsprofessor an der Universität Oxford, denn ihr Mandat sei, Geldpolitik zu machen. "Aber sich jetzt an den Rettungsfonds zu hängen und zu sagen, wenn ein Land Hilfen beim Rettungsfonds beantragt, dann kaufen wir Staatsanleihen. Das ist aus meiner Sicht eindeutig jenseits ihres Mandats", sagt Fuest im WDR.

Bisher hat die EZB bereits für 210 Milliarden Euro Anleihen verschuldeter Länder gekauft, um ihnen den Zinsdruck zu nehmen. Die Wirkung verpuffte allerdings schnell. Diesmal werde es nicht anders sein, meint Ansgar Belke von der Universität Duisburg-Essen: "Weil die Probleme, die wir in der Eurozone haben, struktureller Natur sind. Wir bewegen uns in Blöcken von Ländern voneinander weg." In dem einen Block sind die Griechen, Portugiesen, Italiener und Spanier, in dem anderen Block sind die Deutschen und die anderen Nordländer. "Diesen Prozess kann man nicht aufhalten, indem man die Notenpresse anwirft", so Belke gegenüber der DW.

Ansgar Belke (Foto: DW)
EZB-Einsatz wird nicht helfen, meint Ansgar BelkeBild: DW

EZB-Bedingungen nicht glaubwürdig

Mehr Wettbewerbsfähigkeit kann nur durch Reformen erreicht werden, darüber herrscht Konsens unter den Euro-Rettern. Deshalb sieht Mario Draghi die Regierungen am Zuge. Die EZB werde ihre Käufe beenden, wenn ein Land die Bedingungen nicht mehr erfülle. Wirklich? Clemens Fuest hat seinen Zweifel. Schließlich könne auch der Rettungsfonds wenig tun, wenn die Auflagen nicht eingehalten werden. Griechenland sei das beste Beispiel: "Man hat Angst davor, diese Länder in die Insolvenz gehen zu lassen. Deshalb hilft man ihnen und macht gleichzeitig Auflagen." Wenn aber die Auflagen nicht eingehalten werden, dann habe man immer noch das Problem, dass die Hilfe nicht eingestellt werden könne, "weil man sich davor fürchtet, das das zu einer Bankenkrise führt oder zu einem großen Finanzmarktcrash", sagt Fuest.

Aus diesem Grund hält Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, das andere EZB-Versprechen auch für weniger glaubwürdig, nämlich: dass sie nur Anleihen mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren kaufen wird, um den Reformdruck auf die Schuldenländer aufrechtzuerhalten. Es sei gut möglich, dass solche Grenzen "in den kommenden Monaten fallen werden, wenn ein erneutes Aufflammen der Krise dies aus der Sicht der EZB nötig macht", schreibt er in einer Analyse.

Demokratisches Prinzip ausgehöhlt?

Aus Sicht vieler deutscher Ökonomen ist die neueste EZB-Entscheidung auch deswegen fragwürdig, weil das Schicksal der Währungsunion künftig von einer Institution gelenkt wird, die nicht demokratisch legitimiert ist. "Man muss sich als Parlamentarier verschaukelt vorkommen", sagt Regierungsberater Fuest und stellt sich im Falle Spaniens vor: Man hat gerade beschlossen, dass das Land 100 Milliarden Euro bekommt. Dann kommt die EZB und legt noch mal 80 Milliarden drauf. "Wir haben ein Expertengremium, das sich außerhalb seines Mandats bewegt, und sehr schwerwiegende Entscheidungen fällt. Das ist nicht in Ordnung."

Clemens Fuest (Foto: dpa)
Für Clemens Fuest ist die EZB-Entscheidung nicht in OrdnungBild: picture-alliance/dpa

Etwas gelassener sieht Moritz Schularick von der Freien Universität Berlin das Ganze. Die EZB habe zwar gesagt: Wir werden für Länder, die den Rettungsfonds anzapfen, auf dem Markt unterstützend eingreifen. Bevor diese Länder in den Rettungsfonds kommen, müsse aber der Bundestag zustimmen. "Das heißt, es gibt eine demokratische Legitimation, zumindest durch die Hintertür, für das, was die EZB dort macht", sagt Schularick zu DW.

Bei zukünftigen Abstimmungen im Bundestag werden die Parlamentarier also auch die EZB im Hinterkopf behalten, dass die Zentralbank parallel handeln könnte und sich das Risiko für Deutschland vergrößern würde. Schließlich trägt die größte Volkswirtschaft in der Eurozone mit 27 Prozent Anteilen an der EZB auch das größte Risiko. Wenn die EZB immer mehr Anleihen anhäuft und die Schuldnerländer sie irgendwann nicht bedienen können, dann müssen die Steuerzahler der Gläubigerländer dafür gerade stehen. Mit anderen Worten: Das Risiko wandert von den Investoren zu den Steuerzahlern.