1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EZB-Chef attackiert europäische Regierungen

2. Januar 2015

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, mahnt die Regierungschefs der Eurozone zu Reformen, um die Schuldenkrise zu überwinden. Im "Handelsblatt"-Interview verteidigt er auch die lockere Geldpolitik.

https://p.dw.com/p/1EE5m
EZB-Präsident Mario Draghi (Foto: AFP)
Bild: Getty Images

"Der Dreiklang aus Reformschwäche, Bürokratie und Steuerlast behindert Europas Erholung. Wenn wir das nicht lösen, bleibt unser Wachstum schwach", sagt Mario Draghi in der "Handelsblatt"-Ausgabe vom Freitag (02.01.2015). "Die Art und Weise, wie Europa regiert wird, muss besser werden."

Draghi sieht insbesondere den Mangel an wirksamen Strukturreformen, zu viel Bürokratie und zu hohe Steuern als schwere Wettbewerbsnachteile für die europäische Wirtschaft: "Die EZB hat den Banken bessere Möglichkeiten verschafft, sie könnten im Prinzip mehr verleihen", so der EZB-Chef. Jedoch gebe es in Europa viele Länder, in denen ein junger Unternehmer neun Monate auf eine Genehmigung zur Geschäftseröffnung warten müsse. Zudem müsse er eine hohe Lizenzgebühr zahlen - bevor er auch nur einen Euro Umsatz gemacht habe. Draghi: "Welchen Anreiz hat ein junger Selbstständiger wohl, sich angesichts solcher Hürden Geld von der Bank zu leihen?"

Um die Wirtschaft in Europa dauerhaft anzukurbeln und Schulden zu senken, müssen nach Meinung Draghis alle Länder der Euro-Zone mehr tun - auch Deutschland. Er fordert daher die Regierungschefs zu einer wachstumsfreundlichen Gestaltung der Finanzpolitik auf: "Die Ausgaben für Investitionen müssen erhöht werden - Forschung, Bildung und die digitale Agenda sind damit gemeint. Andere Ausgaben und auch die Steuern sollten reduziert werden."

Nur das Mandat im Blick

In dem Interview beteuert Mario Draghi, nur das Mandat der EZB - die Wahrung der Preisstabilität - im Blick zu haben. "Das Risiko, dass wir unser Mandat der Preisstabilität nicht erfüllen, ist jedenfalls höher als vor sechs Monaten", sagt Draghi. Die Inflationsrate habe im Durchschnitt bei 0,3 Prozent seit Juli gelegen. Von daher befinde sich die EZB in "Vorbereitungen, um den Umfang, das Tempo und die Zusammensetzung unserer Maßnahmen Anfang 2015 zu verändern, sollte dies notwendig werden, um auf eine zu lange Periode zu niedriger Inflation zu reagieren."

Damit meint er die geplanten Staatsanleihekäufe, die im EZB-Rat aber sehr umstritten sind. Vor allem Bundesbank-Chef Jens Weidmann sieht die Notenbank dadurch nahe an der Grenze, eine verbotene Finanzierung der Staaten zu betreiben. Das streitet Draghi im Gespräch mit dem "Handelsblatt" ab und nennt als Beispiel die bereits getätigten Anleihekäufe seit dem Ausbruch der Krise: "Als die EZB vor einigen Jahren den Ankauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt beschlossen hatte, diente das allein der Sicherung der geldpolitischen Wirkungskette." Der Kauf von Staatsanleihen sei eines der Instrumente im Werkzeugkasten der Notenbank, um das Mandat zu erfüllen. Und über das Mandat herrsche Einigkeit im EZB-Rat.

Verständnis für deutsche Sorgen

Dafür, dass die deutschen Sparer wegen der lang anhaltenden Niedrigzinspolitik Sorgen um ihr Geld haben, zeigt der EZB-Präsident Verständnis. Die Zinsen würden steigen, wenn die Normalität wieder eingekehrt sei. Wie kann man sein Geld angesichts der Nullzinsen schützen? Da will Draghi keine Tipps geben, schließlich sei er kein Anlagenberater. Den Vorwurf aus Deutschland, durch die Eurorettung die deutschen Spargelder aufs Spiel gesetzt zu haben, lässt er nicht gelten. "Das Risiko ist für den deutschen Steuerzahler gesunken", sagt der Italiener. Denn durch das beherzte Handeln der EZB sei das Vertrauen an den Finanzmärkten in die Eurozone zurückgekehrt.

Inzwischen wachsen auch die meisten Euroländer wieder. Für das Jahr 2015 zeigt sich Draghi vorsichtig optimistisch: "Die moderate Erholung geht weiter." Als Indiz dafür führt er an, dass zuletzt bereits 14 von 18 Staaten Wachstum verzeichnet hätten, während sich nur noch zwei Staaten in der Rezession befänden. Ein Auseinanderbrechen der Eurozone befürchtet er nicht. Draghi: "Europa wird schrittweise stärker. Ich bin zuversichtlich, dass im nächsten Jahr die Wirtschaft in allen Ländern der Eurozone wachsen wird."

Einen Wechsel in die Politik, als möglicher Nachfolger des italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, schließt Draghi aus: "Ich will kein Politiker sein. Mein Mandat als EZB-Präsident dauert bis zum Jahr 2019."

zdh/ul (rtr, dpa, afp)