1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Explosive Lage an der Grenze zum Gazastreifen

Tania Krämer, Jerusalem 13. März 2014

Die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad feuerte Raketen auf den Süden Israels. Daraufhin bombardierte die israelische Armee den Gazastreifen. Die Lage ist weiterhin extrem angespannt.

https://p.dw.com/p/1BPQj
Raketen aus dem Gaza-Streifen (Foto: AP)
Spuren der aus Gaza abgefeuerten RaketenBild: picture alliance / AP Photo

Das Prinzip "Ruhe gegen Ruhe" zwischen dem Gazastreifen und Israel galt auf einmal nicht mehr. Am Mittwoch (12.03.2014) hatte die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad mehr als 60 Raketen auf israelische Städte rund um den Gazastreifen abgefeuert. Tote oder Verletzte gab es nicht. Die Raketen seien die Vergeltung für den Tod von drei Kämpfern durch einen israelischen Angriff, sagte Abu Ahmed, ein Sprecher der Organisation.

Noch in der Nacht auf Donnerstag kam die israelische Antwort auf den schwersten Raketenangriff seit November 2012. 29 Ziele bombadierte die israelische Luftwaffe im Gazastreifen, teilte die israelische Armee mit. Auch hier wurde bislang niemand verletzt. Noch am Abend hatte Premierminister Benjamin Netanjahu die Hamas-Führung in Gaza gewarnt: "Wenn im Süden keine Ruhe einkehrt, wenn es keine Ruhe für die Bürger Israels gibt, dann wird es viel Lärm im Gazastreifen geben". Sein Außenminister Avigdor Liebermann drohte an, dass er sich für die "Wiederbesetzung des Gazastreifens" stark machen werde. Ein "begrenztes" Eingreifen des Militärs lehne er dagegen ab.

Der israelische Premier Netanjahu (r.) und Außenminister Liebermann (Foto: Reuters)
Der israelische Premier Netanjahu (r.) und Außenminister LiebermannBild: REUTERS

Am Donnerstag feurten militante Palästinenser erneut Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel ab - auch nachdem die Organisation Islamischer Dschihad verkündet hatte, dass eine von Ägypten vermittelte Waffenruhe gelten solle. Die israelische Armee reagierte prompt: In der Nacht zu Freitag wurden weitere Ziele im Gazastreifen angegriffen.

Bange Stunden für Zivilisten auf beiden Seiten der Grenze

Für die Bewohner auf beiden Seiten der Grenze zwischen dem von der Hamas regierten Gazastreifen und Israel sind es bange Stunden. In den israelischen Gemeinden rund um den abgeriegelten Gazastreifen ertönten auch am Donnerstag wieder die Sirenen. Wenn Alarm ausgelöst wird, bleiben den Menschen nur wenige Sekunden, um sich in Schutzräume zu begeben. In Gaza dagegen, wo es keine Schutzräume gibt, ist die Sorge groß, dass die Situation weiter eskaliert.

"Wir haben hier fast alle mit einem erneuten Gewaltausbruch gegen Israel gerechnet, denn die Situation in Gaza ist in den letzten Monaten durch die Isolation und den Druck auf die Hamas unhaltbar geworden", sagt der palästinensische Politikwissenschaftler Mkhaimer Abu Saada von der Al-Azhar-Universität in Gaza-Stadt. Andererseits liege eine Eskalation nicht unbedingt im Interesse der Akteure. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas verurteilte den Raketenbeschuss und forderte ein Ende der militärischen Eskalation. Und auch die Organisation Islamischer Dschihad bestritt, nach den Angriffen vom Mittwoch weitere Raketen abgeschossen zu haben - Vergeltung für die getöteten Kämpfer, mehr aber offenbar nicht. "Die Organisation sagt, dass man damit nicht die Waffenruhe verletzen will, die 2012 von Ägypten vermittelt worden ist", so Politikwissenschaftler Mkhaimer Abu Saada.

Seit Ende November 2012 gilt eine inoffizielle Waffenruhe zwischen Israel und dem Gazastreifen. Sie hatte einen achttägigen Krieg zwischen der israelischen Armee und der Hamas-Führung beendet. Doch schon seit einigen Monaten warnen Beobachter, dass die Waffenruhe immer brüchiger werde, da Vereinbarungen nicht umgesetzt worden seien. Die wirtschaftliche und humanitäre Situation hat sich in den letzten Monaten dramatisch verschlechtert, weil sowohl Israel als auch Ägypten die Grenzen zum Gazastreifen geschlossen halten. Auch ein Bericht der Europäischen Union vor wenigen Tagen warnte vor dramatischen Konsequenzen, sollte die Lage in Gaza nicht verbessert werden.

Der palästinensische Politikwissenschaftler Mkhaimer Abu Saada will nicht ausschließen, dass die Hamas durchaus ein Interesse haben könnte, die Lage eskalieren zu lassen. "Es kann sein, dass die Hamas dem Islamischen Dschihad grünes Licht für die Angriffe gegeben hat. Andererseits ist sie seit dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi politisch völlig isoliert." Hinzu komme eine finanzielle Krise, nachdem Ägypten viele Tunnel zwischen Gaza und dem Sinai geschlossen habe, sagt Abu Saada.

Kein Interesse an Eskalation?

In Israel wiederum gehen Beobachter davon aus, dass keine der beiden Seiten daran interessiert ist, die Situation weiter eskalieren zu lassen. Vielmehr könne es dem Islamischen Dschihad darum gehen, sich neben der Hamas zu profilieren. "Er will damit die Botschaft an Israel, Ägypten und den Iran aussenden, dass er noch da ist. Aber es ist auch eine Botschaft an die Hamas: Bis hierhin machen wir mit, und dann nicht mehr", sagt Itamar Ya'ar, der frühere stellvertretende Leiter des israelischen Nationalen Sicherheitsrats. Letztlich aber hänge die Situation von vielerlei Faktoren ab. "Ich könnte mir vorstellen, dass es keine weitere Eskalation gibt, aber man kann das auch nicht vorhersagen." Wenn weitere Raketen auf israelische Zivilisten einen Kindergarten treffen und Menschen töten würden, könnte alles gleich anders aussehen, so Ya'ar.

"Fehler können passieren, wenn man mit dem Feuer spielt", schreibt der israelische Journalist Alex Fishman in der Tageszeitung Yedioth Ahronoth. "Und deshalb kann man erst in einigen Tagen sagen, ob für dieses Mal das Feuer wirklich gelöscht ist." Keine guten Aussichten für die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten - denn letztlich ist sie es, die bei jeder neuen militärischen Eskalation einen hohen Preis bezahlen muss.

Hamas-Unterstützer in Gaza (Foto: AFP)
Hat die Hamas der Organisation Islamischer Dschihad grünes Licht für die Angriffe gegeben?Bild: Mohammed Abed/AFP/Getty Images