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Explosionsgefahr in Wellblechhütten

Richard Fuchs3. Januar 2013

Strom ist Luxus. Das wissen vor allem diejenigen, die in Armenvierteln im südafrikanischen Johannesburg leben. Dort kocht und heizt man mit Kohle und Petroleum - mit zum Teil fatalen Folgen.

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Ein Blick auf ausgebrannte Wellblechhütten im Slum Alexandra in Johannesburg. (Foto: Richard Fuchs)
Bild: Richard Fuchs

Schon von weitem hört Joe Baleka an diesem Morgen dumpfe Hammerschläge. Für den Sozialarbeiter in Johannesburgs größter Armensiedlung Alexandra ist es das Signal zur Nothilfe. Wieder hat inmitten von Wellblechhütten nachts ein Feuer gewütet. Wieder versuchen Bewohner bei Tagesanbruch verzweifelt, die Reste ihrer Behausungen mit Hämmern zu reparieren. Zielstrebig lotst Joe eine Gruppe deutscher und südafrikanischer Wissenschaftler an den Ort, an dem sechzehn Familien fassungslos neben verkohlten Trümmern stehen.

Die Forscher wollen mehr über Energiearmut erfahren. Joe Baleka, der selbst in Alexandra aufgewachsen ist, zeigt den Besuchern gerade die Folgen davon. Also das, was übrig bleibt, wenn ein Petroleumkocher explodiert, ein Gaskocher leckt oder eine Kerze einfach nur umfällt. "Macht nur eine Person hier einen Fehler, können sofort bis zu 60 Familien betroffen sein", sagt Joe Baleka über Alexandra. Dort brennt es beinahe täglich.

Joe Baleka, ehrenamtlicher Sozialarbeiter im Slum Alexandra in Johannesburg (Foto: Richard Fuchs)
Mit einem Lächeln gegen Energiearmut: Joe BalekaBild: Richard Fuchs

"Nach 50 Minuten explodiert das Gerät"

Seit dem Jahr 2006 kümmert sich Joe Baleka mit 280 anderen Freiwilligen der "Paraffin Safety Association" um die Opfer von Bränden - oftmals sind das die Ärmsten der Armen. Arm ist die Mehrheit der über 600.000 Menschen, die hier dicht an dicht gedrängt im Stadtviertel hausen. Gekocht und geheizt wird in den zwei mal zwei Meter kleinen Blechhütten mit Petroleum, Gaskochern, Kohle oder Holz. Vor allem durch die Konstruktionsmängel der benutzten Gas- und Petroleum-Kocher sei das ein Spiel mit dem Leben, erklärt Joe.

"Nach nur 50 Minuten Betrieb gehen viele Kocher in Flammen auf, weil der Tank nicht feuerfest ist", erklärt Joe der Gruppe Wissenschaftler. "Erreicht das Petroleum im Tank den Siedepunkt, explodiert das Gerät - ohne Vorwarnung." Die Opfer sind gebrandmarkt fürs Leben: Sie erleiden schwerste Verbrennungen an Gesicht und Händen oder Verätzungen der Atemwege. Menschliche Tragödien folgen. Die wollen Joe und die Wissenschaftler des deutsch-südafrikanischen Forschungsprojekts "EnerKey" in Zukunft verhindern.  

Szene nach dem Häuserbrand im Slum Alexandra in Johannesburg. (Foto: Richard Fuchs)
Blick in eine ungewisse Zukunft: Aufräumarbeiten nach dem HäuserbrandBild: Richard Fuchs

Wenn zur Sicherheit drei Euro fehlen

Angestiftet von der Idee, dass "Energie der Schlüssel für die Lösung vieler Probleme ist", lassen es die Wissenschaftler in ihren Laboren im SeTAR-Centre am anderen Ende Johannesburgs kräftig qualmen. Im 'Sustainable Energy Technology and Research Centre' auf dem Campus der Universität Johannesburg werden in enger Abstimmung mit Joe Baleka Kohle-, Gas- und Petroleum-Kocher aus Alexandra auf Sicherheitsmängel hin überprüft.

Für Institutsleiter Harold Annegarn ist das immer wieder ernüchternd: "Derzeit gibt es keinen einzigen sicheren Petroleum-Kocher auf dem Markt, den sich eine arme Familie in Alexandra leisten könnte." Auch wenn der Preisunterschied zwischen einem sicheren und einem mangelhaft konstruierten Kocher gerade einmal drei Euro pro Gerät beträgt - für eine fünfköpfige Familie mit monatlich rund 90 Euro Einkommen seien das eben genau drei Euro zuviel, so Annegarn.

Weniger gefährliche Feuer

Die Wissenschaftler vom SeTAR-Centre arbeiten daran, Unfälle bei Gas- und Petroleum-Kochern zu vermeiden sowie akute Gesundheitsschäden durch Rauchgase zu reduzieren. Sie probieren alternative Feuerungsmethoden aus, zum Beispiel die Basa-Magogo-Methode, was in etwa "Mach-Feuer-wie-die-Großmutter" bedeutet. Dabei wird ein Kohlefeuer in einer Mbaula - einem alten 20-Liter-Farbeimer - nicht von unten, sondern von oben her entfacht. So dauert es länger, bis das Kohlefeuer tatsächlich brennt. Die Ärmsten nutzen die Eimer im Winter zum Heizen und Kochen.

Professor Harold Annegarn beim Besuch im Slum Alexandra in Johannesburg (Foto: Richard Fuchs)
Auch Ramsch-Kocher müssen sicher sein: Harold AnnegarnBild: Richard Fuchs

Und nicht nur das: "Das Feuer brennt mit dieser Feuerungsmethode nahezu ohne giftige Rauchgase", sagt Institutsleiter Annegarn. Zudem spart die Methode ein Drittel CO2-Emissionen im Vergleich zur traditionellen Feuerung. Würde das konsequent umgesetzt, wäre die Luftqualität in Stadtvierteln wie Alexandra deutlich besser, ist sich der Professor sicher. Viele der weltweit rund zwei Millionen Todesfälle pro Jahr, ausgelöst durch giftige Rauchgasemissionen in Innenräumen, seien so zu vermeiden. 

Versuchsanordnung im Setar-Centre an der Universität Johannesburg. (Foto: Richard Fuchs)
Tödlicher Rauch: Luftverunreinigungen machen krank und können sogar zum Tod führen.Bild: Richard Fuchs

"Es ist deine Welt, mach sie sicher!"

Diese Botschaft hat auch Sozialarbeiter Joe Baleka im Gepäck, wenn er Tag für Tag durch die engen Gassen des Hüttenlabyrinths in Alexandra streift. In Kooperation mit den EnerKey-Wissenschaftlern hat er Sicherheitstrainings konzipiert. Ihr Slogan: "Es ist deine Welt, mach sie sicher!"

Dabei erklären Mentoren den Bewohnern, wie sie gezielt Risiken umgehen und gesünder leben trotz widrigster Bedingungen. "Nur mehr Information wird helfen, noch mehr Brände und noch mehr Tote zu vermeiden", sagt Joe Baleka. Er ist voller Tatendrang, als er die Wissenschaftler aus Alexandra hinausbegleitet. Denn sein Traum ist es, nie mehr im Morgengrauen vom Klang dumpfer Hammerschläge geweckt zu werden.