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Vorratsdatenspeicherung gekippt

8. April 2014

Eine echte Überraschung war es nicht: Die Richter des Europäischen Gerichtshofs halten die Vorratsdatenspeicherung für unvereinbar mit der Charta der Grundrechte. Die EU-Richtlinie muss nachgebessert werden.

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Europäischer Gerichtshof in Luxemburg (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das Recht des EU-Bürgers auf Nicht-Überwachung

Die Vorratsdatenspeicherung verletze Grundrechte der europäischen Bürger, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Die zugrunde liegende EU-Richtlinie beinhalte "einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt". Die Richter folgten damit wie in der Mehrzahl der Fälle dem Gutachter des EuGH. Dieser war bereits im Dezember zu dem Schluss gekommen, die Regelungen seien mit der Charta der Grundrechte "in vollem Umfang unvereinbar".

Die bisherige Regelung gilt seit 2006. Sie verpflichtet die EU-Staaten, dafür zu sorgen, dass Telekommunikationsfirmen verdachtsunabhängig Verbindungsdaten von Privatleuten sammeln, darunter Name und Anschrift des Teilnehmers, Rufnummer und Zeitpunkt einer Verbindung, bei Mobiltelefonen auch den Standort zu Gesprächsbeginn. Ähnliches gilt für SMS, Internetnutzung und E-Mails. Bisher müssen die Daten mindestens sechs Monate und höchstens zwei Jahre gespeichert werden.

Das Recht des EU-Bürgers auf Nicht-Überwachung

EU-Kommission am Zug

Jetzt ist die EU-Kommission am Zug: Ihr fällt im europäischen Gesetzgebungsverfahren die Aufgabe zu, eine Neufassung der EU-Richtlinie vorzuschlagen, die vom Europaparlament und den EU-Staaten zu beschließen wäre. Im Rat der Minister ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Der gesamte Prozess dürfte ein bis zwei Jahre dauern und durch die Europawahlen im Mai noch verzögert werden.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht nach dem Urteil des EuGH keinen Grund mehr, rasch einen deutschen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung vorzulegen. Es sei "eine neue Situation eingetreten", sagte Maas in Berlin. Die Grundlage für die Vereinbarung im Koalitionsvertrag sei entfallen. Deutschland sei nicht mehr zu einer Umsetzung der EU-Richtlinie verpflichtet.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Vorratsdatenspeicherung 2010 für verfassungswidrig erklärt. Die damalige Bundesregierung konnte sich über Jahre nicht auf eine Neuregelung einigen. Die EU startete deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland - verbunden mit der Androhung von millionenschweren Strafzahlungen. Die jetzige Koalition aus Union und SPD hatte sich darauf geeinigt, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen, auf EU-Ebene jedoch eine verkürzte Speicherfrist anzustreben.

Unverzichtbar oder unverhältnismäßig?

Die Vorratsdatenspeicherung ist in der EU höchst umstritten. Befürworter halten sie für unverzichtbar, um schwere Straftaten wie Terroranschläge zu verhindern und Kriminelle effektiver zu verfolgen. Kritiker sehen sie hingegen als unverhältnismäßig und rechtswidrig an. Eine irische Bürgerrechtsorganisation, die Kärntner Landesregierung in Österreich und mehrere Tausend österreichische Bürger hatten gegen die entsprechende EU-Richtlinie geklagt.

jj/sti (dpa, epd)