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50 Jahre Europalette

5. Juli 2011

Sie spielt wirklich eine tragende Rolle: Die Europalette hat vor 50 Jahren das internationale Transportwesen revolutioniert – und ein Ende des Siegeszuges der genialen Holzkonstruktion ist nicht in Sicht.

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Stapel mit Europaletten (Foto: ekom/gpal)
Bild: ekom/gpal

Von seinem Büro im Düsseldorfer Stadtteil Benrath genießt Martin Leibrandt einen herrlichen Blick: Ruhig, mit niedrigem Pegel, fließt der Rhein an diesem Sommertag durch die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen.

Martin Leibrandt, Geschäftsführer der Gütegemeinschaft Paletten e.V. (Foto: ekom/gpal)
Martin Leibrandt von der Gütegemeinschaft Paletten e.V.Bild: ekom/gpal

Doch um die Rheinromantik wirklich genießen zu können, fehlt Leibrandt die Zeit: Als Geschäftsführer der Gütegemeinschaft Paletten e.V. gilt seine ganze Aufmerksamkeit einer auf den ersten Blick unscheinbaren Holzkonstruktion, die vor 50 Jahren das Transportwesen revolutioniert hat: "Die Palette ist genial einfach - einfach genial", schwärmt Martin Leibrandt im Gespräch mit DW-WORLD.DE. "Stellen sie sich heute die Logistik ohne Europalette vor: Es würde nichts mehr transportiert werden können."

Strenge Normen

Das Objekt der Begierde ist genau 120 Zentimeter lang, 80 Zentimeter breit und 14,4 Zentimeter hoch. Das "geniale" Transportmittel besteht aus Holzbrettern und Klötzen von bestimmter Sorte, die präzise definierten Qualitätsanforderungen entsprechen müssen. Genau 78 spezielle Nägel, die nach einem vorgegebenen Muster durch das Holz getrieben werden, halten die Konstruktion zusammen und verleihen ihr eine beeindruckende Stabilität: Die Europalette verfügt bei einem Eigengewicht von gut 20 Kilogramm über eine Tragfähigkeit von mindestens 1000 Kilogramm.

50 Jahre Europalette (DW-Grafik: Peter Steinmetz)

Hergestellt wird sie in ihrer heutigen Form seit nunmehr 50 Jahren. 1961 unterzeichneten die europäischen Eisenbahngesellschaften eine entsprechende Vereinbarung über dieses universelle Transportmittel. "Das war die Revolution, vielleicht die Revolution nach der Erfindung des Autos im Transportwesen", sagt Leibrandt. Der Siegeszug der Europalette sei auch heute noch unbestritten. 2011 werde die Produktion von Europaletten Rekordmarken erreichen. "Weltweit haben wir 350 bis 500 Millionen Paletten im Einsatz - das sind Zahlen, die kann man sich kaum vorstellen."

Verladezeiten extrem verkürzt

Um sage und schreibe 90 Prozent verringerten sich nach der Einführung der Europalette die Ladezeiten von Güterwagons oder LKW. Schon längst sind diese Transporter genau wie ganze Lagerhallen so konstruiert und den Maßen der Paletten angepasst, dass beim Verpacken und Verladen auch der kleinste Raum restlos ausgenutzt wird.

Europaletten sind auf den Klötzen der Längsseiten mit drei speziellen Brandzeichen versehen, die die Herkunft und den Zustand der jeweiligen Palette beurkunden sollen. Der Fachmann kann daran erkennen, ob bereits Reparaturen vorgenommen wurden. Diese Art der Kennzeichnung ist notwendig, da die Paletten Teil eines reibungslosen Tauschsystems sind.

Werden etwa einem Lebensmittelhändler mehrere Paletten mit Obstkonserven geliefert, so gibt er im Idealfall dem Spediteur die gleiche Anzahl leerer Paletten wieder zurück – dieser Vorgang wird "Zug um Zug Tausch" genannt.

Europaweite Überwachung

Europaletten auf einem Gabelstapler (Foto: Bundesverband Holzpackmittel)
Gabelstapler - konstruiert für den Paletten-TransportBild: Bundesverband Holzpackmittel

Dass alle im Umlauf befindlichen Europaletten den gleichen Standards entsprechen – darüber wacht die Europäische Paletten Vereinigung, "European Pallet Association" oder kurz EPAL genannt. "Die EPAL ist der Dachverband und darunter sind die jeweiligen Nationalkomitees organisiert", sagt Leibrandt. "Die Nationalkomitees sind für die Qualitäts- und Gütesicherung dieser Europaletten verantwortlich. Das wird aber immer durch eine unabhängige Prüfgesellschaft reglementiert und geprüft."

Der Wert einer Europalette beläuft sich auf rund zehn Euro. Wie lange sie hält, also wie viele Tauschzyklen sie übersteht, hängt natürlich von der Branche ab, in der sie als Transportmittel eingesetzt wird: In der Industrie ist sie größeren Belastungen ausgesetzt als im Lebensmittelhandel.

Warum die gute alte Holzkonstruktion im Laufe der Zeit nicht durch Kunststoffpaletten völlig verdrängt worden ist, erklärt Martin Leibrandt so: "Viele denken immer noch, weil es Kunststoff ist, muss das sauberer sein. Nein – das ist nicht der Fall. Die Holz-Palette ist durch diesen natürlichen Wertstoff Holz einfach organisch und das natürlichste Mittel der Welt."

Kult- und Kunstobjekt

Auch weit abseits vom Transportwesen hat sich die Europalette mittlerweile zum Kultobjekt entwickelt: So wurden schon Möbel oder ganze Gebäude aus Paletten gebaut. Das Rote Kreuz stellt aus dem Holz der Paletten, mit denen es wertvolle Medikamente in Krisengebiete liefert, vor Ort Schutzkammern für die Arzneimittel her.

Europalette der Künstlerin Katja Flakowski (Foto: Katja Flakowski)
"Vielfalt" nennt die Künstlerin Katja Flakowski diese Arbeit, inspiriert von einer EuropaletteBild: Katja Flakowski

Es gibt noch unzählige andere Beispiele für die "artfremde" Verwendung von Europaletten - etwa als Kunstobjekte. Aber auch in ihrer ursprünglichen Form sei die Palette im Alltagsleben fast schon allgegenwärtig, meint Leibrandt: "Achten Sie mal beim Fernsehen darauf – in jedem Spielfilm sehen Sie mindestens eine Palette."

Nachhaltige Verwertung

Selbst wenn ein Paletten-Leben zu Ende geht, kommt es noch zu einer finalen Verwertung des Holzes: Es wird in der Regel verbrannt, etwa um frisches Holz für neue Paletten zu trocknen oder als Brennmaterial für Oster- oder Martinsfeuer.

Auch 50 Jahre nach Einführung der Europalette ist noch kein Ende der Erfolgsgeschichte absehbar. Wahrscheinlich gibt es nach wie vor kein anderes Instrument, das die Logistik nachhaltiger beeinflusst hat als diese einfache Holzkonstruktion. Na ja, vielleicht noch der Container - aber das ist eine andere Geschichte…

Autor: Klaus Ulrich
Redaktion: Henrik Böhme