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Sonnenstrom aus der Sahara

17. Juni 2009

Solarstrom aus der Sahara soll bald Europa mit günstiger und umweltfreundlicher Energie versorgen. Das zumindest plant eine Gruppe von Unternehmen.

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Photovoltaik-Anlage in der Wüste (Foto: Solar Millennium AG)
Dank Wüstensonne kann Strom günstig produziert werdenBild: Solar Millennium AG, Erlangen

Spektakuläre Solarstrom-Anlagen in der Sahara sollen schon in zehn Jahren Energie liefern können. Dazu wollen 15 Unternehmen, darunter große deutsche Energie- und Finanzkonzerne, sowie Institutionen am 13. Juli eine Industrieinitiative gründen, wie Sprecher des weltgrößten Rückversicherers Münchener Rück und des Elektrokonzerns Siemens bestätigten. Für den Bau von Solarkraftwerken in der Wüste Nordafrikas sind rund 400 Milliarden Euro veranschlagt. Die Solarstrom-Pläne wurden von der Initiative Desertec entwickelt, die von dem Expertenkreis Club of Rome mitgegründet wurde.

Ehrgeiziges Projekt

Wissenschaftler setzen große Hoffnungen auf die Gewinnung von Solarstrom in Wüsten. Bisher aber kam es zu keinem Großprojekt in Afrika. Mittelfristig sollen nun europäische und nordafrikanische Partner für ein ehrgeiziges Projekt gewonnen werden. Neben der Münchner Rück, die sich als Sprachrohr der Initiative versteht, wollen sich Energieversorger RWE und E.ON sowie die Deutsche Bank und Firmen aus der Solarwirtschaft anschließen. Die Münchner Rück bekommt die Folgen des Klimawandels immer wieder wegen hoher Schäden durch Naturkatastrophen wie Wirbelstürme zu spüren.

Kraftwerke, die Strom aus Sonnenstrahlung erzeugen, gibt es eigentlich schon seit 1985. Diese so genannten solarthermischen Kraftwerke speichern mit Hilfe von parabolförmigen Sonnenkollektoren die Sonnenwärme und verwandeln sie in Strom. Der Vorteil solcher Kraftwerke ist es, dass man sie mit Energiespeichern ausstatten kann, so dass Strom auch dann produziert werden kann, wenn die Sonne gerade nicht scheint. Man braucht also umso mehr Speichertanks, je seltener die Sonne scheint.

Strom für die ganze Welt?

Dromedarkarawane in der Wüste bei Merzouga in Marokko. Hier könnten bald Solaranlagen stehen.
In der marokkansichen Wüste könnten bald Solaranlagen stehenBild: picture-alliance / dpa

Daher machen solche Anlagen in Nordafrika und dem mittleren Osten mehr Sinn als in Europa, sagt Robert Pitz-Paal, Professor für Solartechnik und Leiter der Solarforschung im Institut für Technische Thermodynamik, das dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt angegliedert ist. "Rein rechnerisch gesehen würden etwa zwei bis drei Prozent der Wüstenfläche ausreichen, um damit die Energieversorgung der Region und von Europa im Prinzip zu sichern", so Pitz-Paal.

Das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) hat mit anderen Institutionen das so genannte Desertec-Konzept entwickelt. Es sieht die Energieversorgung Mitteleuropas und der Staaten des mittleren Ostens und Nordafrikas durch solarthermische Kraftwerke vor. Weil die Sonne in der Sahara länger scheint als in Mitteleuropa, ließe sich der Strom in der Wüste um zwei Drittel billiger produzieren als in Europa. Zumindest theoretisch.

Hohe Investitionen

Denn im Moment ist der Strom aus der Wüste noch teurer als Strom aus fossilen Quellen, sagt Solarexperte Pitz-Paal. Das liegt am frühen Entwicklungsstadium der Technologie und den hohen Investitionskosten. Außerdem ist eine große Netzinfrastruktur notwendig, um den Strom nach Europa zu übertragen.

Die Anfangsinvestitionen für Solarkraftwerke sind zwar höher als bei Öl- oder Kohlekraftwerken, allerdings hat man dann keine Ausgaben mehr für den Brennstoff, um das Kraftwerk zu betreiben. "Den Brennstoff haben sie bei einem Solarkraftwerk praktisch am ersten Tag mitgekauft", sagt Robert Pitz-Paal. "Wenn man die Kosten vergleicht, dann muss man fairer Weise vergleichen, was kostet das Kraftwerk und was kostet das Öl, das das Öl-Kraftwerk sein Leben lang brauchen wird."

Wie kommt der Strom nach Europa?

Parabolrinnen-Kraftwerk in Kalifornien (Foto: Desertec.org)
In Kalifornien gibt es bereits SolarkraftwerkeBild: TREC

Auch über die Netzinfrastruktur haben sich die Forscher am DLR Gedanken gemacht. Man kann den Strom relativ verlustarm über sogenannte Gleichstrom-Hochspannungsnetze nach Europa transportieren. Mit solchen Leitungen kann man große Mengen an Strom von der Wüste bis Mitteleuropa übertragen, der Verlust dabei liegt bei höchsten 15 Prozent. In den kommenden zwei bis drei Jahren will die Initiative der Industrie konkrete Umsetzungspläne auf den Tisch legen.

Im Rahmen des Desertec-Konzeptes hat das DLR ein Szenario entworfen: Bis zum Jahr 2050 könnte Europa 15 Prozent seines Strombedarfs aus der Wüste beziehen. Das ist ein realistisches Szenario, sagt Robert Pitz-Paal. Vorausgesetzt, alle Beteiligten arbeiten intensiv zusammen. Das betrifft auch die Staaten des mittleren Ostens und Nordafrikas - die sogenannten MENA-Länder.

Amal Haddouche, die Geschäftsführerin des Zentrums zur Förderung der erneuerbaren Energien in Marokko, sieht das ebenso. "Unsere Ressourcen stehen uns, aber auch Europa im Rahmen eines globalen Projekts zur Verfügung. Das ist eine Partnerschaft, von der alle profitieren müssen." Denn Marokko geht es bei Desertec nicht nur um den Energiebedarf Europas, sagt Haddouche. "Marokko hat selber große Versorgungsprobleme. Wir hängen zu 95 Prozent von unseren Energielieferanten ab. Was die Versorgungssicherheit betrifft, da haben wir die gleichen Sorgen wie Europa."

Positive Nebeneffekte

Gerade Länder wie Marokko, die keine eigene Ölförderung haben, sind am Desertec-Konzept sehr interessiert. Marokko verspricht sich zudem, neben der Stromerzeugung auch das Problem der Wasserknappheit zu lösen. Denn wie jedes Kraftwerk erzeugen solarthermische Kraftwerke Abwärme, die sonst in die Luft geblasen wird. Man könnte diese Abwärme dazu verwenden, Meereswasser zu entsalzen - kein unwichtiges Nebenprodukt für die MENA-Länder.

Doch die noch schwache Netzinfrastruktur dort kann das ganze Projekt verzögern und somit auch den europäischen Traum, billigen und sauberen Strom aus der Wüste zu importieren. Denn in den MENA-Ländern muss erst eine Solarindustrie etabliert werden, um zunächst den eigenen Bedarf zu decken und dann Strom exportieren zu können.

Geld aus Europa

Europas erstes solarthermisches Kraftwerk steht in Spanien (Foto: Paul-Langrock.de)
Solarthermisches Kraftwerk in SpanienBild: Solar Millenium/Paul Langrock

Gerade bei diesem Schritt muss Europa finanziell Hilfe leisten, sagt Robert Pitz-Paal. Für ihn hängt die Verwirklichung der Desertec-Vision vom Willen aller Beteiligten ab. Er bleibt optimistisch, denn höhere Ölpreise und drohende Klimakatastrophen können diesen Willen nur verstärken. "Die Bedrohungen, denen wir uns gegenüber gestellt sehen, sind enorm. Wir müssen also auch enorme Anstrengungen machen. Vielleicht ist die Mittelmeerunion ja eine Plattform, um diese Diskussion mit den Ländern dort weiter zu führen."

Denkbar sind Solarkraftwerke an mehreren Standorten in Nordafrika. Wichtigstes Kriterium: Die Anlagen müssten in politisch stabilen Ländern stehen. In der kalifornischen Mojave-Wüste und in Spanien gibt es bereits erste Anlagen. Nach Einschätzung von Siemens würde eine Fläche von 300 mal 300 Kilometern mit Parabolspiegeln in der Sahara ausreichen, um den gesamten Strombedarf der Erde zu decken.

Autor: Khalid El Kaoutit

Redaktion: Andreas Becker