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Europa-Premiere für Jüdische Theologie

Silke Bartlick10. Oktober 2013

Es ist der Beginn einer neuen Ära. Erstmals in Europa wird an einer staatlichen Universität das Studium der Jüdischen Theologie möglich. Studierende aus aller Welt haben sich für das neue Fach in Potsdam eingeschrieben.

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Jasmin Andreani und Alexander Grodensky studieren in Potsdam Jüdische Studien bzw. Jüdische Theologie. Foto: Silke Bartlick
Bild: DW/S. Bartlick

Alexander trägt eine Kippa auf dem Kopf, Jasmin ein gewinnendes Lächeln im Gesicht. Die beiden verstehen sich gut, das merkt man sofort. Sie kennen sich von der Uni, aus Potsdam – Alexander Grodensky, der aus Russland stammt, aber in Tadschikistan geboren wurde. Und Jasmin Andreani, die in Tel Aviv zur Welt kam und als kleines Kind mit der Familie nach Berlin gezogen ist. Zurück nach Deutschland, woher auch ihre Großeltern stammen. "Es bewegt mich schon sehr, nun in einer deutschen Einrichtung jüdische Theologie zu studieren", sagt die junge Frau. Sie habe das Gefühl, dass das ein kleiner Moment der Geschichte sei.

Jasmin Andreani hat in Potsdam bereits vier Semester jüdische Studien hinter sich, einen eher kulturwissenschaftlich geprägten Studiengang. Nun, mit Beginn des Wintersemesters, wechselt sie in den neuen Studiengang Jüdische Theologie. Sie ist schon sehr gespannt, was da auf sie zukommt. Vieles ist noch vage, garantiert aber sind beste Rahmenbedingungen. Von Luxus spricht Alexander Grodensky. Denn in einem Seminar sitzen nur fünf bis maximal zehn Studierende. Das sei eine einzigartige Möglichkeit, mit den Professoren vertiefende Gespräche zu führen, meint Alexander.

Das Bild zeigt den Eingangsbreich des Campus der Uni Potsdam. Foto: Silke Bartlick
Hier lässt es sich gut studieren: Der Campus der Uni PotsdamBild: DW/S. Bartlick

Der interdisziplinäre Studiengang "Jüdische Studien" wurde 1994 an der Universität Potsdam gegründet und ist über die Jahre kontinuierlich gewachsen. Am angegliederten Abraham Geiger Kolleg werden Rabbiner ausgebildet, auch ein Kantorenseminar gehört dazu. Und nun gibt es also auch noch das Fach "Jüdische Theologie". Damit, sagt Hartmut Bomhoff, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit am Abraham Geiger Kolleg, besteht jetzt die in Europa einmalige Möglichkeit, Judentum aus religiöser Perspektive zu unterrichten.

Die School of Jewish Theology hat neben zwei bereits bestehenden weitere neun Professuren ausgeschrieben, sodass das ganze Spektrum der mehr als dreitausendjährigen Geschichte des Judentums unterrichtet werden kann - von der Religionsphilosophie in Antike, Mittelalter und Neuzeit über Lithurgie und Bibelexegese bis hin zu jüdischer Musikgeschichte. Die ganze Bandbreite von Fragestellungen werde hier vor Ort abgedeckt, erklärt Hartmut Bomhoff. "Da wir Dozenten aus Nordamerika und Israel haben, ist man wirklich auf dem aktuellen Stand der Forschung und auch der Selbstreflexion."

Forschung und familiäre Spurensuche

Die Studiengänge Evangelische und Katholische Theologie gibt es an staatlichen Universitäten in Deutschland schon lange. Und auch Islamische Theologie wird seit ein paar Jahren gelehrt. Mit dem neuen Studiengang Jüdische Theologie ist jetzt auch das konfessionell geprägte Studium des Judentums auf akademischem Niveau möglich. Das reizt junge Menschen aus aller Welt. Für den neuen Potsdamer Studiengang haben sich neben Deutschen auch Osteuropäer, Israelis und Amerikaner eingeschrieben. 36 Studierende sind es bislang, auf 40 ist man ausgerichtet. Es gebe, so der Eindruck von Hartmut Bomhoff, immer mehr Jugendliche, die ihre eigenen jüdischen Wurzeln suchten und über ihre Herkunft sprechen wollten. Für die sei das Angebot in Potsdam wunderbar. "Es verbindet ein akademisches Studium mit einer Identitätsfindung und einer Beschäftigung mit der eigenen Familiengeschichte und Herkunft".

Hartmut Bomhof ist Pressesprecher des Abraham Geiger Instituts und Koordinator des neuen Studiengangs. Foto: Silke Bartlick)
Hartmut Bomhoff freut sich auf Studenten aus aller WeltBild: DW/S. Bartlick

Potsdam: Ein guter Ort zum Studium

Hartmut Bomhoff ist überzeugt, dass Amerikaner, Osteuropäer und Israelis auch deshalb so gerne nach Berlin und Potsdam kommen, weil sie hier mitten in der Geschichte stehen. Weil man immer und immer wieder mit dem 20. Jahrhundert, den Weltkriegen, der Shoah und den Grenzverschiebungen konfrontiert wird und sich gleichzeitig mit einer sehr lebendigen jüdischen Tradition auseinandersetzen kann. In Berlin, wo die meisten Studierenden wohnen, und auf dem verträumten Campus am Potsdamer Neuen Palais, den man mit der Regionalbahn aus Berlin schnell erreicht.

Das Bild zeigt das frühere Nordtorgebäude nahe des Neuen Palais im Park Sanssouci, auf, in das die Jüdische Theologie demnächst einziehen wird Foto: Silke Bartlick
Das frühere Nordtorgebäude, demnächst Domizil der Jüdischen Theologie.Bild: DW/S. Bartlick

"Der Campus ist sehr schön", schwärmt Jasmin Andreani. Vor allem natürlich im Sommer. Man bewegt sich in und zwischen geschichtsträchtigen Gebäuden rund um das sogenannte Neue Palais und auf dem Areal des Parks von Sanssouci. Und es gebe eine Mensa, die ganz in Ordnung sei. "Potsdam ist also", sagt sie verschmitzt, "außer, dass es nicht direkt im Herzen Berlins liegt, nicht der schlechteste Ort zum Studieren".

Auf in die Zukunft

Demnächst wird der Studiengang Jüdische Theologie in Berlin sogar ein eigenes Gebäude beziehen. Das frühere Nordtorgebäude, an dem schon Preußens Könige vorbeigeritten sind. Jasmin Andreani freut sich auf all das Neue, das nun auf sie zukommt. Und auf den Austausch mit Angehörigen anderer Konfessionen, die hier natürlich auch studieren können. Sie wünscht sich, dass das Studium auch deutlich macht, wie viel Christen, Juden und Muslime gemein haben. Und dass keine Religion die ausschließliche Wahrheit verkündet.