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EU hält an Entwicklungsziel fest

Bernd Riegert27. November 2013

Das Ziel der Entwicklungspolitik, bis 2015 die Armut zu halbieren, wird nur teilweise erreicht. Wie soll es in zwei Jahren mit den Entwicklungszielen weitergehen? Experten und Politiker beraten über die Zeit nach 2015.

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Liberias Präsidentin Johnson-Sirleaf (li.) und EU-Kommissionspräsident , (Foto: EPA/OLIVIER HOSLET)
Liberias Präsidentin Johnson-Sirleaf (li.) und EU-Kommissionspräsident Barroso (2.v.li.)Bild: picture-alliance/dpa

Beim bisher größten Gipfeltreffen der Geschichte hatten 180 Staats- und Regierungschefs im September 2000 die "Millenium-Ziele" für die Entwicklung der Welt festgesetzt. Die extreme Armut sollte bis 2015 halbiert werden, der Zugang zu Nahrung, Wasser, medizinischer Versorgung und Bildung entscheidend verbessert werden. Zwei Jahre vor Erreichen der Frist beraten in Brüssel bei den "Europäischen Entwicklungstagen" Wissenschaftler, Vertreter von Hilfsorganisationen und Politiker über die Millenium-Ziele und das, was nach 2015 noch zu tun ist. An dem Kongress, den die Europäische Union alljährlich ausrichtet, nehmen 5000 Menschen teil. In 80 Arbeitsgruppen wird beraten, konkrete Beschlüsse sollen nicht gefasst werden. "Es geht um Meinungsaustausch, eine Art Familientreffen zum Nachdenken", so EU-Entwicklungshilfe-Kommissar Andris Piebalgs.

Millenium-Ziele werden nicht erreicht

Die Bilanz bei den Millenium-Entwicklungszielen fällt ernüchternd aus. Laut Angaben der Weltbank sind nur wenige der 24 Teilziele erreicht worden. Die Zahl der extrem armen Menschen, die von weniger als einem Euro am Tag leben, konnte im statistischen Mittel tatsächlich wie versprochen halbiert werden, aber die Armut ist regional sehr unterschiedlich verteilt. Während es in China, Indien und Teilen Asien aufwärts ging, ist extreme Armut in Afrika südlich der Sahara immer noch sehr verbreitet. Man müsse der Realität ins Auge blicken, so die Premierministerin des Karibikstaates Jamaika, Portia Simpson-Miller, in Brüssel. "Wir müssen eingestehen, dass die Fortschritte bei den Millenium-Zielen ungleich verteilt sind. Es muss viel mehr getan werden, um die Lücke zwischen Besitzenden und Habenichtsen zu schließen und um Ungleichheit und Benachteiligung in unserer Welt abzuschaffen."

Jose Manuel Barroso und Nkosazana Dlamini Zuma; (Foto: EPA/OLIVIER HOSLET)
AU und EU vereint: Kommissionspräsidenten Dlamini-Zuma (li.) und Barroso (re.)Bild: picture-alliance/dpa

Nkosazana Dlamini-Zuma, Vertreterin der Afrikanischen Union, wies darauf hin, dass Afrika vorankomme, aber insgesamt sei die wirtschaftliche Entwicklung nicht ausreichend. "Afrika ist die Weltregion, die am zweitschnellsten wächst. Das Wachstum seit 2005 war schneller als in den 15 Jahren davor. Weil wir von so einem niedrigen Niveau gestartet sind, ist dies trotzdem nicht genug, um die Armutsziffern bis 2015 zu halbieren."

"Instabile Regierungen in Afrika gefährden Entwicklung"

Die Präsidentin Liberias, Ellen Johnson-Sirleaf, die für die Vereinten Nationen in einer Kommission an der Weiterentwicklung der Millenium-Ziele arbeitet, sieht Fortschritte beim Zugang zu Bildung für Mädchen und Frauen und bei einer besseren Wasserversorgung. Allerdings habe es zum Beispiel bei der Bekämpfung der Malaria keinen Durchbruch gegeben. Manche Regierungen in Afrika müssten mehr Verantwortung zeigen und innerstaatliche Konflikte oder Konflikte mit Nachbarstaaten regeln, die Entwicklung verhindern, mahnt Johnson-Sirleaf. Sie selbst regiert seit 2006 mit Liberia ein Land, das unter einem heftigen Bürgerkrieg zu leiden hatte. "Während einige Länder, wie das meine, stetig Fortschritte machen, sehen wir woanders neue Konflikte und Krisen entstehen. Konflikt und Instabilität gehen uns alle an. Das hat ganz unterschiedliche Ausprägungen, auch in Ländern, die im Moment noch gar nicht instabil wirken."

Zusammen mit anderen Staatschefs aus Afrika entwickelt die Präsidentin Liberias, die im eigenen Land nicht unumstritten ist, eine Vision für Afrika 2030. In den 15 Jahren nach 2015 müsse es gelingen, aus Afrika einen Kontinent ohne Armut zu machen, sagte Johnson-Sirleaf in Brüssel. Diese Vision soll in eine neue globale Partnerschaft unter dem Dach der Vereinten Nationen münden. "Es geht nicht um Nord gegen Süd, Ost gegen West oder arm gegen reich, sondern um einen globalen Ansatz nach 2015", so die liberianische Präsidentin. Da sie in Brüssel, der Hauptstadt der Europäischen Union, auftritt, legte Ellen Johnson-Sirleaf den Finger selbstbewusst in eine europäische Wunde: "Wirtschaftliche Reformen sind nicht nur für Afrika vorrangig. Die weltweite Rezession, die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm, soziale Unruhen und Jugendarbeitslosigkeit zeigen ganz klar, dass ökonomischer Wandel überall gebraucht wird, nicht nur in Afrika."

Archiv Ellen Johnson-Sirleaf (Foto:Larry Downing, Pool/AP/dapd)
Vision für Afrika 2030: Ellen Johnson-SirleafBild: dapd

"Eine Welt ohne Armut in unserer Generation"

Der Präsident der Europäischen Kommission, Jose Barroso, entwickelte ebenfalls eine Vision für die Entwicklungsziele nach 2015. Die Fortschritte, die bislang erreicht wurden, seien trotz aller Rückschläge ermutigend und wiesen den Weg. "Zum ersten Mal haben wir all das, was man braucht, um Armut noch während unserer Lebenszeit auszurotten. Wir können dauerhaften Wohlstand schaffen, mit dem was unser Planet uns heute bietet." Das Ziel einer Welt ganz ohne Armut sei zu erreichen, sagte Jose Barroso, wenn man dazu den politischen Willen habe. Auf europäischer Seite solle es an diesem Willen nicht mangeln. "Europa wird an vorderster Front bleiben", versprach er.

Entwicklungshilfeorganisationen weisen auch bei den Entwicklungstagen in Brüssel darauf hin, dass nur wenige EU-Staaten ihre Zusagen, die Summen für Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben, tatsächlich einhalten. EU-Kommissionspräsident Barroso versprach, dass sich Europa weiter für Klimaschutz und eine Eindämmung der Erderwärmung einsetzen werden. Wenige Tage nach der gescheiterten UN-Klima-Konferenz in Warschau klang diese Ankündigung für manche Beobachter recht gewagt. Simon Maxwell vom britischen "Übersee-Entwicklungs-Institut" sah in Brüssel einen direkten Zusammenhang zwischen Klimawandel und Armut. Die Folgen des Klimawandels, Überschwemmungen, Ernteausfälle, könnten erzielte Erfolge bei der Armutsbekämpfung wieder zunichte machen.

Logo Europäische Union, Afrika, Entwicklungshilfe, Millemium-Ziele, Armut, Johnson-Sirleaf, Liberia

Nutzen für Europa

Das Erreichen der Millenium-Ziele für Entwicklung sei auch für alle Europäer wichtig, weil es sie direkt betreffe, sagte Jose Barroso mehr an seine europäischen Landsleute gerichtet. Der Präsident der EU-Kommission nannte als Beispiel den Tod von Hunderten afrikanischen Flüchtlingen vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa. "Tragische Ereignisse wie kürzlich vor Lampedusa machen uns schmerzhaft klar, dass das Elend der Welt und der Mangel an Hoffnung uns Europäer auch betreffen. Ich habe Lampedusa besucht und die schockierenden Bilder werde ich nie vergessen. Ich sehe sie als Mahnung, dass die globalen Probleme europäisches Engagement und eine nach vorne gerichtete Entwicklungspolitik erfordern", so Barroso.

Die Botschaft scheint angekommen, glaubt man einer Meinungsumfrage, die die EU-Kommission passend zu den Europäischen Entwicklungstagen am Dienstag (26.11.2013) veröffentlicht hat. Danach glauben 70 Prozent aller befragten EU-Bürger, dass Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern auch positive Auswirkungen für Europa habe. Fast die Hälfte aller EU-Bürger sei bereit, trotz der Wirtschaftsflaute in Europa, mehr für Lebensmittel zu zahlen, wenn die Erlöse den Erzeugern in Entwicklungsländer zugute kämen, heißt es in der Umfrage "Euro-Barometer".