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EU schützt Bauern vor Russen-Embargo

Bernd Riegert18. August 2014

Mit 125 Millionen Euro hilft die EU ihren Obst- und Gemüsebauern, das russische Importverbot zu überstehen. Das könnte erst der Anfang einer langen Liste von teuren Rettungsmaßnahmen werden.

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Bildergalerie Gegensätzliche Landwirtschaft in der EU Erntehelfer Osteuropa
Apfelernte in Deutschland: Druck auf die Preise durch russischen BoykottBild: picture-alliance/ZB

Der russische Importstopp für europäische Argarprodukte zwingt die EU-Kommission zu ersten Eingriffen in die Gemüse- und Obstmärkte. Bis zum November will die Brüsseler Behörde Bauern, die leicht verderbliches Gemüse oder Obst produzieren, finanziell unter die Arme greifen, wenn sie ihre Waren gar nicht erst auf den Markt werfen. "Diese Maßnahmen sollen den Druck auf die europäischen Märkte abmildern, der durch den Verlust der Exportmärkte mit so kurzer Vorwarnung entstanden ist", sagte Roger Waite, landwirtschaftspolitischer Sprecher der EU-Kommission, in Brüssel. Dadurch dass Russland keine holländischen Tomaten, polnischen Äpfel oder spanischen Nektarinen mehr abnimmt, könnte in der EU ein Überangebot entstehen, das die Preise drücken und die Einkommen der Bauern senken würde. "Das muss verhindert werden. Deshalb gelten unsere Notfallmaßnahmen von sofort an", kündigte der EU-Kommissar für Landwirtschaft, Dacian Ciolos, an.

Verteilen statt vernichten

Auf Antrag können die Bauern jetzt fünf Prozent ihrer Ernte vernichten und bekommen dafür aus dem EU-Agrarhaushalt 50 Prozent der eigentlich zu erzielenden Erlöse ersetzt. Falls die Landwirte die Ware nicht vernichten, sondern umsonst an Bedürftige, zum Beispiel gemeinnützige Tafeln oder Schulen verteilen, werden ihnen 100 Prozent der ausgefallenen Erlöse erstattet. "Das Budget dafür beträgt 125 Millionen Euro. Damit sollen Produkte vom Markt genommen werden. Es geht hier vor allem um kostenlose Verteilung", erläuterte Roger Waite von der EU-Kommission.

Das Geld stammt aus dem Fonds für Krisenmanagement, den der EU-Agrarkommissar in Brüssel verwaltet. Er wurde nicht extra nach dem Handelskonflikt mit Russland aufgebaut, sondern steht ohnehin für Ausgleichsmaßnahmen bei bestimmten Marktlagen zur Verfügung. Schon vor den russischen Gegen-Sanktionen gab es zum Beispiel die Forderung aus Spanien und Frankreich, den Preisverfall bei Nektarinen und Pfirsichen zu stoppen, der durch eine überreiche Ernte ausgelöst wurde. Die russischen Behörden hatten als Reaktion auf Wirtschaftssanktionen der EU in der Ukraine-Krise fast sämtliche Agrarimporte aus der EU und den USA untersagt.

Dacian Ciolos 2013
EU-Kommissar Dacian Ciolos: Märkte stabilisierenBild: Georges Gobet/AFP/Getty Images

Bei Milch droht ebenfalls Preisverfall in einigen Wochen

Insgesamt hat Russland im Jahr 2013 nach Angaben der Europäischen Union für 1,3 Milliarden Euro Gemüse und Obst aus Europa eingeführt. Von den jetzt verfügten Notmaßnahmen sind noch nicht alle Gemüse- und Obstsorten erfasst. "Es könnte noch einiges mehr kommen", sagen dazu EU-Beamte im Hintergrundgespräch. Neben Obst und Gemüse haben Milchprodukte und Schweinefleisch die größten Anteile am Exportvolumen aus der EU nach Russland. Für diese Produktgruppen sind noch gar keine Ausgleichszahlungen kalkuliert worden. Das sei auch schwer, sagte Romuald Schaber der Deutschen Welle. Er ist der Vorsitzende des Europäischen Milch-Verbandes (EMB). Der Preisdruck auf dem Milch- und Käsemarkt werde erst in einigen Wochen einsetzen. "Wir gehen schon davon aus, dass es Auswirkungen auf den Milchmarkt und damit auch auf unseren Milchpreis hat. Das ist ganz klar, aber wir können noch nicht sagen, wie stark sich das auswirkt. Das wäre noch Spekulation. Dass es sich auswirken wird, ist das Einzige, was ziemlich sicher ist."

Die EU-Kommission könnte die produzierte Milchmenge mit der allerdings 2015 auslaufenden Milchquote reduzieren, überschüssige Milch aufkaufen und einlagern. Die Schwellen für diesen staatlichen Eingriff liegen allerdings sehr hoch. Romuald Schaber vom Europäischen Milch-Verband fordert auch jenseits der aktuellen Russland-Krise ein besseres Agrarpreis-Management von der zuständigen EU-Kommission. Preisverfall auf den Milchmärkten trete auch ohne Sanktionen und Handelskriege immer wieder auf. "Wir hatten in den letzten fünf Jahren, 2009 und 2012, zwei schwere Milch-Krisen. Wenn jetzt die nächste kommen sollte, dann sind natürlich viele Betriebe in der Existenz bedroht, vor allem solche, die in die Zukunft investiert haben, die ihre Herden ausgebaut haben und die nächsten 10 oder 20 Jahre produzieren wollen."

Pk zu Milchlieferstopp
Milch-Funktionär Schaber: Der Schaden kommt nochBild: picture-alliance/dpa

12 Milliarden Euro stehen auf dem Spiel

Insgesamt haben Bauern in der EU im Jahr 2013 Waren im Wert von 12 Milliarden Euro nach Russland verkauft. Müsste diese Summe aus europäischen Töpfen komplett ausgeglichen werden, wäre der EU-Agrarhaushalt schnell überfordert, heißt es von EU-Beamten in Brüssel. Den Bauern sollen auch Prämien gezahlt werden, wenn sie bestimmte Sorten von Obst oder Gemüse gar nicht erst anbauen, unreif vor der Ernte vernichten oder weniger Schweine und weniger Milch erzeugen.

Die Agrarminister der EU wollen am 05. September bei einer Sondersitzung über das weitere Vorgehen beraten. Auf welche Mitgliedsstaaten welche Notfall-Hilfen der EU entfallen, konnte die EU-Kommission an diesem Mittwoch noch nicht sagen. "Dazu müssen wir erst einmal die Anträge von den Bauern über die nationalen Behörden haben", erklärte der Sprecher der EU-Kommission. Außerdem werde der Agrarmarkt gesamteuropäisch und nicht länderspezifisch betrachtet. Die größten Exporteure Richtung Russland waren nach Angaben der EU-Kommission Litauen, Polen und Deutschland. In einigen Mitgliedsländern sind die Erzeuger schon dabei, für den Verzehr von heimischen Produkten zu werben, um von Exporten unabhängiger zu werden. In den Niederlanden werden Tomaten mit dem Spruch "Gemeinsam stark" beworben. In Polen heißt der Slogan, der zum Äpfel-Essen anregen soll: "Ein Apfel pro Tag hält Putin fern."

Russisches Importverbot trifft Bauern hart