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Nach den Kämpfen kommt das Geld

Bernd Riegert6. August 2014

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten zahlen jährlich insgesamt fast eine Milliarde Euro an Hilfen für die Palästinenser. Sie will sich am Wiederaufbau in Gaza beteiligen, mittlerweile zum dritten Mal.

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Gaza Shejaia
Bild: DW/T. Krämer

Die Europäische Union ist bereit, nach dem jüngsten Waffenstillstand im Gaza-Streifen und einem Ende des akutellen militärischen Konflikts am Wiederaufbau und an der Versorgung der Bevölkerung mitzuwirken. Bereits nach dem letzten Außenministertreffen der Europäischen Union am 22.07.2014 erklärte die Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton, die humanitäre Situation im Gaza-Streifen werde immer schlechter, ein sicherer Zugang für Hilfslieferungen müsse gewährleistet werden. Die Kämpfe im Gaza-Streifen zeigten wieder einmal, dass die Zustände in dem schmalen Landstreifen, der von 1,8 Millionen Menschen bewohnt und von der Hamas-Organisation faktisch regiert wird, unhaltbar seien. "Wir sind, sobald es die Umstände erlauben, bereit, an einer umfassenden und dauerhaften Lösung mitzuarbeiten, die die humanitären sowie wirtschaftlichen Bedürfnisse und die Sicherheit von Israelis und Palästinensern einschließt", erklärte Ashton im Namen der 28 EU-Außenminister.

Diese Stellungnahme der EU klingt fast genauso wie die Äußerungen nach den vorigen Gaza-Konflikten im November 2012 und Januar 2009, als Israel nach Raketenbeschuss durch die Hamas in den Gaza-Streifen vorrückte, um Stellungen der Hamas auszuheben. Damals wie heute wird die Hamas von der Europäischen Union als Terror-Organisation angesehen, mit der es keine direkten Kontakte und keine direkten Verhandlungen geben kann. Nach Angaben eines Sprechers der EU-Außenbeauftragten hat die EU bereits mit allen Seiten Gespräche aufgenommen, um herauszufinden, wie nach den jüngsten Kämpfen am besten geholfen werden kann. "Darum ist es ganz entscheidend, dass die neue palästinensische Regierung die Kontrolle über den Gaza-Streifen übernimmt und interne Streitigkeiten beigelegt werden", sagte Sebastien Brabant der Deutschen Welle.

EU Außenministertreffen Krim Referendum 17.03.2014 Ashton
Ashton: Umfassende Lösung für PalästinenserBild: Reuters

Nur indirekten Hilfen, um die Hamas zu umgehen

Wenn die Palästinensische Autonomiebehörde unter dem gemäßigten Präsidenten Mahmud Abbas den Gaza-Streifen regieren würde, hätte die Europäische Union es auch wesentlich einfacher, ihre Hilfsgelder vor Ort zu verteilen und deren Verwendung zu kontrollieren. Im Moment zahlt die EU über Umwege einen Teil der Gehälter und Renten für Regierungsbeamte im Gaza-Streifen und eine Art Hilfe zum Lebensunterhalt für viele Einwohner des Gaza-Streifens. Das kann sie aber nur indirekt über Dritte tun, weil eine direkte Zahlung an die Hamas ausgeschlossen ist. Diese Zahlungen sind nach Bekunden der EU-Kommission schwer zu kontrollieren, was bereits zu einem Rüffel durch den Europäischen Rechnungshof geführt hat. Der beklagte im Dezember 2013, dass die EU Gehälter an Regierungsmitarbeiter im Gaza-Streifen auszahlt, die gar nicht arbeiten. Der Rechnungshof empfahl diese Hilfsprogramme sofort einzustellen, was aber nicht geschah.

Karte Gazastreifen DEU
Bild: DW

Seit vielen Jahren versucht die EU, durch diverse Projektfinanzierungen im Bereich von Wasserversorgung oder Infrastruktur Verbesserungen für die Bevölkerung zu erreichen. Einen großen Teil ihrer Mittel für den Gaza-Streifen zahlt die EU an das spezielle Palästinenser-Hilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA). Die UNRWA ist im Gegensatz zur EU direkt im Gaza-Streifen tätig und betreibt dort Schulen, Krankenhäuser und liefert Lebensmittel an Bedürftige. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist die große Mehrheit der Bewohner im Gaza-Streifen auf diese Hilfslieferungen angewiesen. "Tausende Menschen sind in extremer Not. Die Eskalation der Gewalt hat die humanitäre Krise in Gaza, die wir seit zehn Jahren haben, noch einmal verschlimmert", erklärte UNRWA-Generalsekretär Pierre Krahenbuhl am Mittwoch 06.08.2014). Insgesamt wendet die EU-Kommission jährlich 450 Millionen Euro aus der gemeinsamen EU-Kasse für die Hilfen an Palästinenser im Westjordanland und im Gaza-Streifen auf. Hinzu kommt noch einmal die gleiche Summe von den einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Neben der EU sind die USA der größte einzelne Geldgeber für die Palästinenser.

Kein simpler dritter Wiederaufbau

Schon seit einiger Zeit gibt es aus dem Europäischen Parlament Kritik an den Finanzhilfen, die an keine politischen Konditionen gebunden sind. Der niederländische Abgeordnete Geoffrey van Orden fragte zum Bespiel bei der letzten Debatte zu diesem Thema Mitte Juli, ob man für die vielen Milliarden Euro an Hilfen, die in den letzten Jahren gezahlt worden seien, nicht auch eine Gegenleistung erwarten dürfe. Der Sprecher der EU-Außenbeauftragten, Sebastien Brabant, kann diese politische Frage nicht beantworten. Er sagte der DW aber, das Ziel der EU sei es nicht einfach, den Gaza-Streifen zum dritten Mal nur wieder aufzubauen. "Wir müssen sicherstellen, dass die Wirtschaft in Gaza eine Initialzündung erfährt, damit es eine dauerhafte sozial-ökonomische Entwicklung für die Bevölkerung geben kann. Dazu braucht man einen politischen Rahmen, aber vor allem freien Zugang in den Gaza-Streifen und Bewegungsfreiheit für die Menschen unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen Israels."

Internationale Truppe für Gaza?

Sebastien Brabant spielt auf die von der EU immer wieder geforderte Lockerung der Blockade des Gazastreifens an. Israel und Ägypten riegeln die Grenzen für den Personenverkehr seit der Machtübernahme der Hamas vor sieben Jahren fast vollständig ab. Lediglich Lebensmittel und Baumaterial dürfen unter strengen Auflagen über wenige Übergänge in den Gaza-Streifen gebracht werden. Die Idee, die Hamas mit Hilfe einer internationalen Schutztruppe zu entwaffnen, hat die Europäische Union bislang stets abgelehnt. Die EU würde sich nicht beteiligen, hatte die EU-Außenbeauftragte Ahston bereits 2012 erklärt. Israel hat diese Idee immer wieder vorgebracht. Darüber soll beim nächsten Treffen der EU-Außenminister Ende August eventuell gesprochen werden. "Ich sehe aber nicht, dass sich die USA oder die EU mit Truppen an die Frontlinie stellen werden", sagte Daniel C. Kurtzer, ehemals US-Botschafter in Israel, der Zeitung "Los Angeles Times". Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Montag erklärt, die Demilitarisierung müsse Teilung der Lösung sein.

Grenzübergang Kerem Shalom
Geschlossen: Ägyptischer Posten an der Grenze zu Israel und GazaBild: CRIS BOURONCLE/AFP/Getty Images

Auch nach dem erneuten Waffengang im Gaza-Streifen hält die Europäische Union an der sogenannten Zwei-Staaten-Lösung fest. Neue politische Ideen konnte der EU-Sprecher Sebastien Brabant noch nicht skizzieren. "Das vorrangige Ziel unserer Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde bleibt es, den Friedensprozess voranzubringen und einen lebensfähigen palästinensischen Staat zu schaffen, der Seite an Seite mit Israel in Frieden und Sicherheit leben kann." Die EU zeigte sich bereit, die Kontrolle des Grenzübergangs Rafah nach Ägypten wieder aufzunehmen. Das signalisierte das Auswärtige Amt in Brüssel am Mittwochabend (06.08.2014). Auch Israels Außenminister Liebermann forderte von Deutschland, die Führung einer geplanten EU-Mission zur Kontrolle der Grenzen des Gaza-Streifens zu übernehmen und sich so mit eigenem Personal vor Ort zu engagieren. Die EU-Grenzmission (EUBAM) war nach der Machtübernahme der Hamas 2007 eingestellt worden.