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EU lässt Großbanken intakt

Bernd Riegert29. Januar 2014

Die EU-Kommission will Großbanken an die Leine legen. So verdienen wir nichts, klagen die Banken. Das Zocken an den Finanzmärkten wird weitergehen, monieren EU-Parlamentarier. Der Streit ist vorprogammiert.

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Umstrittene EU-Vorschläge: Dunkle Wolken über deutschen Großbanken in Frankfurt am Main.Bild: picture alliance/dpa

"Wenn alle etwas zu meckern haben, dann habe ich wohl ein ganz gutes Gleichgewicht gefunden", hielt der französische EU-Kommissar für den Binnenmarkt, Michel Barnier, den Kritikern an seinem neuesten Vorschlag zur Regulierung von 30 Großbanken in Europa entgegen. Die Banken selbst sehen das Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze in Gefahr, dem Europäischen Parlament gehen die Vorschläge Barniers nicht weit genug. Der deutsche und der französische Finanzminister wollen ihre großen Banken schützen. Großbritannien mit seinem Finanzplatz London passt die ganze Richtung nicht.

Michel Barnier verteidigte während einer Pressekonferenz in Brüssel seinen Gesetzentwurf. Die 30 großen Banken, acht davon in Deutschland, die für zwei Drittel des gesamten Geschäftsvolumens in der EU stehen, seien immer noch "zu groß, um Pleite zu gehen, zu komplex, um sie abzuwickeln, und zu teuer, um sie retten zu können." Da sie ein potenzielles Risiko für den ganzen europäischen Finanzmarkt darstellten, müssten sie besser reguliert und beaufsichtigt werden. Es gehe nicht darum, die Banken zu zerschlagen, betonte Michel Barnier. Die europäische Wirtschaft brauche einen robusten Bankensektor. Ohne ihn funktioniere die Wirtschaft nicht.

Banken sehen Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr

Die Europäische Banken-Vereinigung beklagt in einer Stellungnahme, dass Barnier genau diesen robusten Bankensektor mit seinen neuen Regeln gefährde. Vor allem die angestrebte organisatorische Trennung von normalem Kreditgeschäft und riskanten Spekulationsgeschäften sowie Investmentbanking innerhalb der Geldhäuser ist den Banken-Lobbyisten ein Dorn im Auge. "Die Kosten für die Kunden der Banken, der realen Wirtschaftsunternehmen werden steigen. Den Finanzmärkten würde Liquidität entzogen", so der Geschäftsführer der europäischen Banken-Vereinigung Guido Ravoet in Brüssel.

Michel Barnier zu Bankenabwicklung. Foto: dpa.
Michel Barnier: Die Krönung der BankenregulierungBild: Reuters

EU-Kommissar Michel Barnier besteht aber darauf, dass die Großbanken künftig keinen spekulativen Eigenhandel mehr ausführen dürfen. "Wenn die Bank sich für niedrige Zinsen Geld leiht und auf eigene Rechnung an den Finanzmärkten spekuliert, dann will sie damit nur Gewinne für sich selbst erzielen. Die Bankkunden und die reale Wirtschaft haben davon nichts. Die Risiken werden aber für alle sehr real." Das Verbot des Eigenhandels soll aber nur in einem engen Rahmen gelten. Der Eigenhandel macht mittlerweile in den Banken nur noch einen geringen Anteil aus. Das räumt Michel Barnier ein, warnt aber davor, dass der Eigenhandel wieder ansteigen könnte. Vor der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 hatte der Eigenhandel rund 15 Prozent am Geschäftsvolumen der Banken betragen.

Trennbanken oder Universalbanken?

Der grüne Europaabgeordnete und Finanzexperte Sven Giegold forderte eine klare Trennung der verschiedenen Geschäftsaktivitäten der großen Banken in separaten Gesellschaften. Zu dieser Zerschlagung der Universalbanken wie die Deutsche Bank oder die Banque National de Paris (BNP) konnte sich Michel Barnier nicht durchringen. Er will es der Bankenaufsicht überlassen, im Einzelfall in Verhandlungen mit den Banken zu entscheiden, welche Geschäfte der Banken riskant sind und welche nicht. "Es ist keine richtige Trennung, sondern in bestimmten Einzelfällen können bestimmte Sachen ausgelagert werden", kritisert Sven Giegold. "Das ist ein großes Beschäftigungsangebot an die Industrie, denn sie muss jetzt Berater, Wirtschaftsprüfer, Lobbyisten einstellen, um darauf Einfluss zu nehmen," sagte der grüne Europaabgeordnete der Deutschen Welle.

Sven Giegold, Mitglied des Europäischen Parlaments. Foto: dpa.
Sven Giegold: Viel Bürokratie, wenig EffektBild: DW/M. Banchón

Die EU-Mitgliedsstaaten Deutschland und Frankreich, in denen zwölf der betroffenen Großbanken ansässig sind, hatten sich für eine Bewahrung der Universalbanken stark gemacht. In Deutschland und Frankreich gibt es bereits Gesetze zur Regulierung der Großbanken, die durch die neuen europäischen Regeln möglicherweise nicht überholt werden. "Das ist nur eine Ergänzung zum deutschen Recht", versichterte Michel Barnier.

Barnier will Vertrauen wieder aufbauen

Der EU-Kommissar, der in den letzten fünf Jahren rund 30 Gesetze zur Regulierung und Beaufsichtigung der europäischen Banken auf den Weg gebracht hat, betrachtet den jüngsten Vorschlag als "Schlussstein in einem Gewölbe", das die Kunden und Steuerzahler vor neuen finanziellen Belastungen schützen solle.

Michel Barnier appellierte an Banken und EU-Mitgliedsstaaten, die Pläne nicht zu torpedieren. Es gehe schließlich darum, das Vertrauen der Menschen in die europäischen Banken wieder aufzubauen. "Was hat denn für eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der Banken geführt? Was hat das Vertrauen zerstört und das Wachstum geschwächt? Das war nicht das Regelwerk, sondern das waren die mangelnde Transparanz, die Spekulationen, die Gefährdung ganzer Länder und sogar die Manipulation der Märkte", sagte Barnier in Brüssel. Das Verhalten der Banken vor der Krise sei "hirnrissig" gewesen und habe dazu geführt, dass der Steuerzahler am Ende tief in die Tasche greifen musste, um sie zu retten.

Mit dem "Schlussstein" der Banken-Gesetzgebung wird sich das Europäische Parlament erst nach den Europa-Wahlen befassen. Barnier rechnet Anfang 2015 mit einer Beschlussfassung. Nach der Umsetzung in nationales Recht werden die neuen Regeln dann 2017 und 2018 in Kraft treten können. Brüssel steht also ein langer Gesetzgebungsprozess bevor, in dem sich Lobbyisten, Parlamentarier und nationale Politiker noch richtig austoben können.

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