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Streit um EU-Abgasnorm

Sabrina Pabst14. Oktober 2013

Die Bunderegierung kommt der Autolobby entgegen: Sie will die von der EU geplante Abgasnorm für Neufahrzeuge aufweichen. Umweltminister Peter Altmaier pocht auf flexible CO2-Grenzen für Neuwagen.

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Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) besucht zusammen mit Dieter Zetsche, Chef des deutschen Automobilherstellers Daimler AG, die IAA (Internationale Automobil-Ausstellung) (Foto: Patrik Stollarz/AFP/Getty Images)
Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Daimler-Chef Dieter ZetscheBild: Patrik Stollarz/AFP/Getty Images

Eigentlich war es schon beschlossene Sache: Die Neuwagenflotten von europäischen Automobilherstellern sollten bis 2020 nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro gefahrenen Kilometer ausstoßen. Der Durchschnittswert für Autoabgase soll dann die gesamte Fahrzeugflotte - Kleinwagen, Mittel- und Oberklasse - eines Herstellers umfassen. Darüber sollten sich die EU-Botschafter schon im Sommer einigen. Doch die deutsche Bundesregierung ließ die Abstimmung damals platzen. Beim Treffen der EU-Umweltminister am Montag (14.10.2013) sollte eine Entscheidung her, doch die wurde in Luxemburg ein weiteres Mal vertagt.

Deutschland - als größtes und wirtschaftlich wichtigstes Land in der Europäischen Union - möchte die Grenzen und Auflagen für die Autoindustrie flexibler gestalten und drängt die EU-Staaten zu einer Änderung. Ihr Vorschlag: Bis 2020 sollen lediglich 80 Prozent der gesamten Flotte die neuen Kohlendioxid-Grenzen umsetzen. Für die gesamte Fahrzeugflotte sollen diese Grenzwerte erst 2024 gelten. Ebenso sollen Autokonzerne, die Elektroautos und Hybride anbieten, sogenannte Super-Credits erhalten. Das sind Bonuspunkte, die auf den CO2-Ausstoß von Spritfahrzeugen der Gesamt-Flotte aufgerechnet werden können.

Innovative Techniken schaffen Arbeitsplätze

Dass dabei Deutschland allein an seine Premium-Hersteller, wie Daimler und BMW denke, ist für Matthias Groote (SPD), Vorsitzender des Umweltausschusses im Europäischen Parlament, offensichtlich. "Man kann nicht von der Automobilindustrie insgesamt reden. Die meisten Hersteller können die Vorgaben erfüllen." VW habe längst verkündet, dass das Ziel für 2020 für Volkswagen kein Problem sein wird - auch ohne großzügige "Superkredite". Nur mit innovativen Produkten würde die deutsche, aber auch die europäische Automobilindustrie am Markt weiter bestehen können.

Abgase kommen dem Auspuff eines Fahrzeugs in Frankfurt. (Foto: ddp images/AP Photo/Michael Probst)
Nur noch 95 Gramm Kohlendioxid sollen ab 2020 in Autoabgasen von Neuwagen ausgestoßen werdenBild: picture-alliance/dpa

Alleine Tesla, ein US-Automobilhersteller für Elektrofahrzeuge, habe im Juli 2013 größere Zulassungszahlen im Premium-Segment in den USA als Daimler, BMW oder Audi gehabt. Für Matthias Groote ist das ein klares Zeichen: Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit stünden in keinem Widerspruch zueinander. "In Zukunft werden sich vor allem jene Hersteller im internationalen Wettbewerb durchsetzen, die auf Innovationen setzen. Mit sauberen, verbrauchsarmen Fahrzeugen werden die Hersteller auch bei steigenden Ölpreisen erfolgreich sein," sagt Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament. Dies sichere langfristig Arbeitsplätze.

Spiel auf Zeit

Dass die Verzögerungstaktik der Bundesregierung im Widerspruch zur deutschen Vorreiterrolle im europäischen Klimaschutz steht, scheint Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) nicht zu stören: "Es geht nicht um einen Grundsatzstreit, sondern es geht darum, wie wir die nötige Klarheit im Klimaschutz mit der notwendigen Flexibilität verbinden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie in Europa zu schützen." Die Änderungswünsche der Bundesregierung sollen also den Spagat schaffen - das Klima und gleichzeitig Arbeitsplätze in der deutschen Automobilindustrie schützen.

Der SPD-Europaparlamentarier Matthias Groote sitzt im Tagungsraum des Umweltausschusses im EU-Parlament in Brüssel. (Foto: Wolf von Dewitz, dpa)
Groote: Der bereits gefasste Kompromiss mit dem Ministerrat wird von der deutschen Regierung erneut geändertBild: picture-alliance/dpa

Im Sommer hatten EU-Kommission, EU-Parlament und der Ministerrat nach jahrelangem Tauziehen einen Kompromiss ausgearbeitet. Nun will ihn der deutsche Umweltminister wieder ändern. Sollten die Wünsche Altmaiers im Ministerrat verabschiedet werden, so muss dieser sich erneut mit dem EU-Parlament einigen. Doch die Verzögerungstaktik der Bundesregierung stößt auf Ablehnung. "Das ist gefährlich aus Umweltsicht und natürlich ist das auch eine wichtige Gesundheitsfrage. Wir riskieren starke Verzögerungen", so Schwendens Umweltministerin Lena Ek.

Peter Altmaier hält dagegen: "Es geht nicht darum, ob wir einige Tage früher oder später abstimmen, es geht darum, dass wir ein Ergebnis finden, das von einer breiten Mehrheit von Mitgliedsstaaten getragen wird." Woher diese Mehrheit unter seinen 27 Amtkollegen kommt, ist bisher ungewiss.

Mit der Aufweichung der Klimaziele steht die deutsche Bundesregierung in der Kritik. Kohlendioxid gilt als bedeutendes Treibhausgas. Klimaexperten machen den ansteigenden CO2-Gehalt in der Atmosphäre für die Erderwärmung verantwortlich. Am vergangenen Freitag (11.10.2013) veröffentlichte der Intergovernmental Panel on Climate Change (kurz: IPCC) einen Bericht, der belegt, dass die Erderwärmung weiter zunimmt. So würde der Meeresspiegel weiter ansteigen - bis zum Jahr 2100 erwarten Experten weitere 98 Zentimeter.