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Kontrollen rücken näher

Sabrina Pabst6. Juni 2013

Die EU reformiert das Schengen-Abkommen. Bei einem erhöhten Ansturm illegaler Flüchtlinge an den Außengrenzen können EU-Staaten Passkontrollen wiedereinführen - nach Rücksprache mit Brüssel und bis zu zwei Jahre lang.

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Schild und Grenzpfosten markieren die Landesgrenze der Bundesrepublik Deutschland (Foto: Fotolia/seeyou/c. steps)
Bild: Fotolia/seeyou/c. steps

Ob Griechenland oder Italien - die Kritik am Flüchtlings-Management einzelner Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist groß. Auslöser der Debatte um die Schengen-Reform war 2011 der Arabische Frühling. Tausende Flüchtlinge aus Nordafrika kamen damals illegal nach Italien und reisten weiter nach Frankreich. Die französische Regierung handelte prompt: Sie schloss ihre Grenze zu Italien. Auch Dänemark kündigte im gleichen Jahr an, Zollkontrollen an der Grenze zu Deutschland einzuführen. Die Bundesregierung war empört.

In der Kritik vieler EU-Innenminister steht derzeit vor allem Griechenland. Der Bündnispartner würde seine Außengrenze zur Türkei nicht ausreichend sichern. Von dort würden Flüchtlinge aus Afrika und Asien ungehindert weiterreisen.

Dänische Zöllner kontrollieren ein Fahrzeug mit einem auf Drogen und Waffen spezialisierten Spürhund (Foto: picture alliance/dpa)
Fahrzeugkontrolle an der deutsch-dänischen Grenze im Juli 2011Bild: picture-alliance/dpa

Abschluss zäher Verhandlungen

Eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen solle künftig auf EU-Ebene entschieden werden, so die Innenminister. Ihre Forderung: Einzelne Schengen-Staaten sollen ihre Grenzen wieder kontrollieren können, wenn sie befürchten, dass an den Schengen-Außengrenzen zu viele illegale Einwanderer in die EU gelangen.

Zwei Jahre lang verhandelten das Europäische Parlament, die EU-Kommission und der Ministerrat über eine neue Schengen-Regelung. Alleingänge einzelner Staaten, wie sie in der Vergangenheit passierten, soll die Reform verhindern. Am Freitag (07.06.2013) wird der Entwurf verabschiedet. Mit Widerstand ist dabei nicht zu rechnen.

Infografik zeigt die Mitglieder des Schengen-Raums

Reisen ohne Passkontrollen

Das Schengen-Abkommen garantiert mehr als 400 Millionen Europäern das Überqueren der EU-Binnengrenzen ohne Passkontrollen. 26 europäische Länder haben das Abkommen bereits unterzeichnet.

Passkontrollen konnten in Ausnahmesituationen auch vor der Reform für die Dauer von 30 Tagen veranlasst werden: bei Terrorgefahr und politischen oder sportlichen Groß-Ereignissen. Diese Frist kann durch die Reform künftig auf bis zu zwei Jahre ausgedehnt werden.

"Europa schottet sich vor Menschen in Not ab"

Barbara Lochbihler, Europa-Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, kritisiert die Reform als Einschränkung eines europäischen Grundrechts: "Bei der EU geht es um Abschottung und um Abwehr von Menschen in Not." Die Europapolitikerin sieht hier ein Versagen der gemeinsamen EU-Politik: "Was ich seit Jahren beobachte, ist, dass man die Länder an den Außengrenzen der EU, wie Griechenland und Italien, mit ihrem Flüchtlingsproblem alleinlässt."

Solidarität, der Grundgedanke des Staatenbündnisses, sei in der EU-Flüchtlingspolitik nicht ausreichend vorhanden. Es gebe seit Jahrzehnten keine verbindliche Regelung, Flüchtlinge aufzunehmen, die über die Schengen-Außengrenzen in die EU kommen. "Es wird auf Freiwilligkeit gesetzt und kein Staat fühlt sich für diese hilfsbedürftigen Menschen verantwortlich."

Barbara Lochbihler, menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament (Foto: dpa)
Lochbihler: "Für Flüchtlinge fühlt sich kein EU-Staat zuständig"Bild: picture-alliance/dpa

Gerade die EU als Trägerin des Friedensnobelpreises müsse sich mehr für Flüchtlinge einsetzen, fordert die Grünen-Politikerin. Das Gegenteil sei an den Schengen-Außengrenzen der Fall.

Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss wertet die Grenzkontrollen nicht als Abschottung - für den konservativen Politiker sind sie wichtig für den weiteren Erhalt der Inneren Sicherheit. Er legt aber Wert darauf, dass es keine nationalen Alleingänge mehr gibt: "Deshalb mussten wir hier eine europäischen Entscheidung treffen und nicht nur eine zwischen den betroffenen Mitgliedsstaaten."

Keine willkürliche Entscheidung

Neu ist auch, dass die EU-Kommission überwachen soll, ob die Schengen-Staaten an den Außengrenzen diese auch vorschriftsmäßig kontrollieren. Eine Delegation aus Vertretern der Mitgliedsstaaten und der Kommission soll das vor Ort prüfen.

Axel Voss betont die wichtige Aufgabe der EU-Kommission, die innere Sicherheit zu wahren. "Die Stellung der Kommission wird um einiges gestärkt, weil sie vorher eine beobachtende Rolle hatte. Nun ist sie aber gefordert, richtig aktiv zu werden." Nationale Probleme bei der Grenzsicherung sollen durch die schärfere Kontrolle der EU-Kommission rechtzeitig erkannt und mit Unterstützung und finanziellen Mitteln der EU gelöst werden.

CDU-Europapolitiker Axel Voss (Foto: picture alliance/dpa)
Voss: "Grenzkontrollen fallen in die Zuständigkeit der EU"Bild: picture alliance / dpa

In der Praxis ändert die neue Notfallklausel der Schengen-Reform nicht viel. Die EU-Kommission muss die Wiedereinführung der Grenzkontrollen vorschlagen. Diese muss dann vom Ministerrat mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit bestätigt werden. Eine große Hürde, die bis zur Schließung der Schengen-Grenzen genommen werden muss. Das EU-Parlament hat nur beobachtende Funktion.

Wenig Handlungsspielraum für EU-Kommission?

Die Europaabgeordnete Barbara Lochbihler befürchtet, dass die Entscheidungen der EU-Kommission durch die Regierungschefs im Ministerrat zu stark beeinflusst werden könnten. "Wir haben gedacht, dass mit der neuen Regelung die Kommission allein prüft, ob wirklich ein Grund für die Einführung von Kontrollen vorliegt", betont sie. Einzelne Mitgliedsstaaten könnten jedoch politische Stimmungsmache mit den Flüchtlingen betreiben und die Kommission zum Handeln drängen.